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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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eilf, der Finanznoth, der neapolitanischen Schwindelbanken, der Verhaftung
Mazzini's? Nichts, oder fast nichts. Was war er der Schweiz? Wenn
man einem Theile Eurer damaligen Tagespresse Glauben schenken wollte, so
war der Bertrag schwerer Landesverrats), weil er Eure heiligsten Interessen
an den "Militarismus und Cäsarismus" Preußens auslieferte, er setzte außer¬
dem die Hoffnungen der Interessenten und Adjacenten der geträumten Luk¬
manier-, Splügen- und Simplonbahn grausam an die Luft. Wer erhob dieses
Geschrei bei Euch? Einige ganz werthlose demagogische Journale, denen
damals ihre hervorragendste Eigenschaft, ihr Preußen- und Deutschenhaß mit
ihrem geringen Verstände zügellos durchging; und ferner alle diejenigen Eurer
Blätter, welche in freundlichen und segensreichen Verhältnissen zum Hause
Rothschild und den?aiseurs der "vereinigten Schweizerbahnen" (Union Sasso)
standen -- natürlich ohne sich dieser Abhängigkeit bewußt zu sein, denn so
etwas anzunehmen, wäre eine schändliche Verleumdung. Wie sonderbar ist es
doch, lieber Freund, daß wir zwei Monate später ganz dieselben Blätter von
Anfang des Krieges an entschieden auf Frankreichs Seite, gegen Deutschland
erblicken, gerade wie die werthlose Demagogenpresse. Sie schimpfen und lügen
für Frankreich wie gedruckt. Nicht wahr, ein merkwürdiger Zufall, ein ganz
zufälliges Zusammentreffen von Sympathien für den Splügen, die Union suisss
-- und Deutschenhaß, Franzosenliebe. -- Ich bemerke aber ausdrücklich, daß
diese gotthardfeindlichen Stimmen der Schweizer Presse nach Abschluß des
Vertrags in der entschiedenen Minorität waren, nach Qualität und Quantität.
Die große Mehrheit der Schweizer Presse war darüber vollkommen einig, daß
man dem Nordd. Bund, dessen leitendem Staatsmann vor Allem unvergäng¬
lichen Dank schulde. Ohne die Energie, mit welcher Bismarck das Zu¬
standekommen des Werkes von dem Augenblick an betrieben hatte, wo das
Gotthardproject in Berlin beschlossene Sache war, hätte die Schweiz nie eine
eigene Alpenbahn erhalten. Ohne die Entschlossenheit der deutschen Erklär¬
ung: "entweder die Gotthardbahn oder keine", wären die centrifugalen
Interessen der einzelnen Cantone, die sich seit Jahren in tiefgefressenem, tief¬
verbitterndem Hader um drei verschiedene Projecte feindlich schaarten, nimmer¬
mehr zur Einigung für den Gotthard gezwungen worden. Diesen wohlthätigen
Zwang zur Einheit und zur Versöhnung wußten die weisesten Eurer Blätter
uns und unserm Kanzler damals zu danken. Und dieser Dank war berech¬
tigt. Wohl durfte auch der stolzeste Schweizer in diesen Stunden mit freu¬
diger Erhebung achtzig Jahre zurückdenken und sich sagen, wie viel weiter sein
Land und die in diesem Vertrage verbündeten Nationen seither gekommen
seien. Damals, als die republikanischen Heere Frankreichs sich über die
Schweizer Grenzen ergossen und die heiligsten Güter des Schweizervolkes be¬
drohten, trat nicht einmal für diese, für die Freiheit und Selbständigkeit des


eilf, der Finanznoth, der neapolitanischen Schwindelbanken, der Verhaftung
Mazzini's? Nichts, oder fast nichts. Was war er der Schweiz? Wenn
man einem Theile Eurer damaligen Tagespresse Glauben schenken wollte, so
war der Bertrag schwerer Landesverrats), weil er Eure heiligsten Interessen
an den „Militarismus und Cäsarismus" Preußens auslieferte, er setzte außer¬
dem die Hoffnungen der Interessenten und Adjacenten der geträumten Luk¬
manier-, Splügen- und Simplonbahn grausam an die Luft. Wer erhob dieses
Geschrei bei Euch? Einige ganz werthlose demagogische Journale, denen
damals ihre hervorragendste Eigenschaft, ihr Preußen- und Deutschenhaß mit
ihrem geringen Verstände zügellos durchging; und ferner alle diejenigen Eurer
Blätter, welche in freundlichen und segensreichen Verhältnissen zum Hause
Rothschild und den?aiseurs der „vereinigten Schweizerbahnen" (Union Sasso)
standen — natürlich ohne sich dieser Abhängigkeit bewußt zu sein, denn so
etwas anzunehmen, wäre eine schändliche Verleumdung. Wie sonderbar ist es
doch, lieber Freund, daß wir zwei Monate später ganz dieselben Blätter von
Anfang des Krieges an entschieden auf Frankreichs Seite, gegen Deutschland
erblicken, gerade wie die werthlose Demagogenpresse. Sie schimpfen und lügen
für Frankreich wie gedruckt. Nicht wahr, ein merkwürdiger Zufall, ein ganz
zufälliges Zusammentreffen von Sympathien für den Splügen, die Union suisss
— und Deutschenhaß, Franzosenliebe. — Ich bemerke aber ausdrücklich, daß
diese gotthardfeindlichen Stimmen der Schweizer Presse nach Abschluß des
Vertrags in der entschiedenen Minorität waren, nach Qualität und Quantität.
Die große Mehrheit der Schweizer Presse war darüber vollkommen einig, daß
man dem Nordd. Bund, dessen leitendem Staatsmann vor Allem unvergäng¬
lichen Dank schulde. Ohne die Energie, mit welcher Bismarck das Zu¬
standekommen des Werkes von dem Augenblick an betrieben hatte, wo das
Gotthardproject in Berlin beschlossene Sache war, hätte die Schweiz nie eine
eigene Alpenbahn erhalten. Ohne die Entschlossenheit der deutschen Erklär¬
ung: „entweder die Gotthardbahn oder keine", wären die centrifugalen
Interessen der einzelnen Cantone, die sich seit Jahren in tiefgefressenem, tief¬
verbitterndem Hader um drei verschiedene Projecte feindlich schaarten, nimmer¬
mehr zur Einigung für den Gotthard gezwungen worden. Diesen wohlthätigen
Zwang zur Einheit und zur Versöhnung wußten die weisesten Eurer Blätter
uns und unserm Kanzler damals zu danken. Und dieser Dank war berech¬
tigt. Wohl durfte auch der stolzeste Schweizer in diesen Stunden mit freu¬
diger Erhebung achtzig Jahre zurückdenken und sich sagen, wie viel weiter sein
Land und die in diesem Vertrage verbündeten Nationen seither gekommen
seien. Damals, als die republikanischen Heere Frankreichs sich über die
Schweizer Grenzen ergossen und die heiligsten Güter des Schweizervolkes be¬
drohten, trat nicht einmal für diese, für die Freiheit und Selbständigkeit des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/23>, abgerufen am 28.09.2024.