Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.urtheilung der That Luthers folgen könnten, drei. Der erste ist angezettelt Der Angriff der Augustiner in Straßburg ging gegen Wimpheling, Ein getaufter Jude, Johann Pfefferkorn in Köln, hatte sich zur Lebens¬ urtheilung der That Luthers folgen könnten, drei. Der erste ist angezettelt Der Angriff der Augustiner in Straßburg ging gegen Wimpheling, Ein getaufter Jude, Johann Pfefferkorn in Köln, hatte sich zur Lebens¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125996"/> <p xml:id="ID_676" prev="#ID_675"> urtheilung der That Luthers folgen könnten, drei. Der erste ist angezettelt<lb/> von den Augustinern und wird hauptsächlich in Straßburg gekämpft. Der<lb/> zweite, von den Dominikanern in Köln ausgehend, erhält die weiteste Aus¬<lb/> dehnung über ganz Deutschland und über dessen Grenzen hinaus. Beide sind Vor-<lb/> läufer der Reformation und zeigen leidenschaftliche Rache bei den Gegnern,<lb/> klares Bewußtsein über das Ziel bei den Humanisten; dort folgt Hohn und<lb/> Spott über die schmachvolle Niederlage, hier allgemeine Anerkennung des<lb/> glänzenden Sieges.</p><lb/> <p xml:id="ID_677"> Der Angriff der Augustiner in Straßburg ging gegen Wimpheling,<lb/> weil er 1505 bei der Ausführung des Gedankens, daß zur wahren Frömmig¬<lb/> keit kein Mönchsgelübde, überhaupt keine Aeußerlichkeit erforderlich sei, hin¬<lb/> geworfen hatte, der heilige Augustinus habe auch keine Kutte getragen.<lb/> Das war offenbar feindselig gegen die christliche Kirche, war ketzerisch und die<lb/> Augustiner gingen mit ihrer Klage durch alle Instanzen bis an den Papst<lb/> Julius II. Nicht bloß Wimpheling vertheidigte sich in mehreren Schriften,<lb/> auch berühmte Gelehrte in Heidelberg, Freiburg, Tübingen traten für ihn in die<lb/> Schranken, zumal als unter den schamlosen Angreifern der berüchtigte Fran¬<lb/> ziskaner Thomas Murner, ein geborener Straßburger, seinen wildesten Haß<lb/> in Spottschriften niederlegte und damit die unrühmliche Thätigkeit begann,<lb/> die er später gegen Luther und die Schweizer fortsetzte. Endlich legte sich<lb/> Bischof und Domcapitel in's Mittel und wirkten aus. daß der Papst den<lb/> Mönchen Stillschweigen auferlegte. Geschlichtet war der Streit damit nicht,<lb/> aber er trat in den Hintergrund angesichts des leidenschaftlichen Kampfes<lb/> mit den Dominikanern in Köln über die Schriften der Juden, in welchem sich<lb/> um Johann Reuchlin von Pforzheim die Humanisten sah«arten, weil es wirk¬<lb/> lich ein Kampf des Lichtes und der Finsterniß war und es galt die Geistes¬<lb/> tyrannei zu bekämpfen. Es wird genügen, die Veranlassung des Streites in<lb/> wenigen Worten zu erwähnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_678" next="#ID_679"> Ein getaufter Jude, Johann Pfefferkorn in Köln, hatte sich zur Lebens¬<lb/> aufgabe gemacht seine früheren Glaubensgenossen zum Christenthum zu be¬<lb/> kehren. Unter den lächerlichen Mitteln, die er dazu vorschlug, war auch das:<lb/> ihnen ihre Bücher zu nehmen, denn diese seien der Hauptgrund ihrer Ver¬<lb/> stocktheit. Ein kaiserliches Decret ermächtigte ihn 1509 zur Unterdrückung<lb/> der christenfeindlichen Schriften. An dem Sitze der zahlreichsten und wohl¬<lb/> habendsten Judengemeinde, an dem Stapelplatze des deutschen Bücherverkehrs,<lb/> in Frankfurt, begann er seine Confiscationen ziemlich willkürlich, so daß der<lb/> Bischof von Mainz Einspruch dagegen erhob. Nun erst dachte man daran,<lb/> von angesehenen Gelehrten Gutachten über die Angelegenheit einzufordern; unter<lb/> ihnen war Reuchlin, der 1506 die erste hebräische Grammatik verfaßt und<lb/> damit das Werkzeug zur Auslegung der Schrift bereitet hatte, gewiß der be-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0214]
urtheilung der That Luthers folgen könnten, drei. Der erste ist angezettelt
von den Augustinern und wird hauptsächlich in Straßburg gekämpft. Der
zweite, von den Dominikanern in Köln ausgehend, erhält die weiteste Aus¬
dehnung über ganz Deutschland und über dessen Grenzen hinaus. Beide sind Vor-
läufer der Reformation und zeigen leidenschaftliche Rache bei den Gegnern,
klares Bewußtsein über das Ziel bei den Humanisten; dort folgt Hohn und
Spott über die schmachvolle Niederlage, hier allgemeine Anerkennung des
glänzenden Sieges.
Der Angriff der Augustiner in Straßburg ging gegen Wimpheling,
weil er 1505 bei der Ausführung des Gedankens, daß zur wahren Frömmig¬
keit kein Mönchsgelübde, überhaupt keine Aeußerlichkeit erforderlich sei, hin¬
geworfen hatte, der heilige Augustinus habe auch keine Kutte getragen.
Das war offenbar feindselig gegen die christliche Kirche, war ketzerisch und die
Augustiner gingen mit ihrer Klage durch alle Instanzen bis an den Papst
Julius II. Nicht bloß Wimpheling vertheidigte sich in mehreren Schriften,
auch berühmte Gelehrte in Heidelberg, Freiburg, Tübingen traten für ihn in die
Schranken, zumal als unter den schamlosen Angreifern der berüchtigte Fran¬
ziskaner Thomas Murner, ein geborener Straßburger, seinen wildesten Haß
in Spottschriften niederlegte und damit die unrühmliche Thätigkeit begann,
die er später gegen Luther und die Schweizer fortsetzte. Endlich legte sich
Bischof und Domcapitel in's Mittel und wirkten aus. daß der Papst den
Mönchen Stillschweigen auferlegte. Geschlichtet war der Streit damit nicht,
aber er trat in den Hintergrund angesichts des leidenschaftlichen Kampfes
mit den Dominikanern in Köln über die Schriften der Juden, in welchem sich
um Johann Reuchlin von Pforzheim die Humanisten sah«arten, weil es wirk¬
lich ein Kampf des Lichtes und der Finsterniß war und es galt die Geistes¬
tyrannei zu bekämpfen. Es wird genügen, die Veranlassung des Streites in
wenigen Worten zu erwähnen.
Ein getaufter Jude, Johann Pfefferkorn in Köln, hatte sich zur Lebens¬
aufgabe gemacht seine früheren Glaubensgenossen zum Christenthum zu be¬
kehren. Unter den lächerlichen Mitteln, die er dazu vorschlug, war auch das:
ihnen ihre Bücher zu nehmen, denn diese seien der Hauptgrund ihrer Ver¬
stocktheit. Ein kaiserliches Decret ermächtigte ihn 1509 zur Unterdrückung
der christenfeindlichen Schriften. An dem Sitze der zahlreichsten und wohl¬
habendsten Judengemeinde, an dem Stapelplatze des deutschen Bücherverkehrs,
in Frankfurt, begann er seine Confiscationen ziemlich willkürlich, so daß der
Bischof von Mainz Einspruch dagegen erhob. Nun erst dachte man daran,
von angesehenen Gelehrten Gutachten über die Angelegenheit einzufordern; unter
ihnen war Reuchlin, der 1506 die erste hebräische Grammatik verfaßt und
damit das Werkzeug zur Auslegung der Schrift bereitet hatte, gewiß der be-
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