Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.sich im Allgemeinen die Bevölkerung gleichgültig gegen all das, was die große Ebenso unvortheilhaft zeigt sich das politische Interesse in der Bevölkerung. Und doch war wieder in der Bevölkerung Leben und Interesse; nament¬ Unter den öffentlichen Instituten für Wissenschaft und Kunst wurden ') Wenn das Theater besetzt war, belief sich die Zahl der Besucher zwischen 380--430. 1798 wurde das Theater für einige Hundert mehr eingerichtet. "*) Nur für Dienstmädchen und Livrcebedicnte waren sie nicht zugänglich, und englische
Tänze dursten nur die fürstlichen Personen tanzen, weil häufig Unordnung durch die Ausfüh¬ rung derselben entstand. Seit 1782. sich im Allgemeinen die Bevölkerung gleichgültig gegen all das, was die große Ebenso unvortheilhaft zeigt sich das politische Interesse in der Bevölkerung. Und doch war wieder in der Bevölkerung Leben und Interesse; nament¬ Unter den öffentlichen Instituten für Wissenschaft und Kunst wurden ') Wenn das Theater besetzt war, belief sich die Zahl der Besucher zwischen 380—430. 1798 wurde das Theater für einige Hundert mehr eingerichtet. "*) Nur für Dienstmädchen und Livrcebedicnte waren sie nicht zugänglich, und englische
Tänze dursten nur die fürstlichen Personen tanzen, weil häufig Unordnung durch die Ausfüh¬ rung derselben entstand. Seit 1782. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125970"/> <p xml:id="ID_585" prev="#ID_584"> sich im Allgemeinen die Bevölkerung gleichgültig gegen all das, was die große<lb/> Zeit in den gebildeten Kreisen Weimars schuf; nirgends in den Blättern von<lb/> Weimar wird eine wissenschaftliche Theilnahme bezeigt, man traut kaum dem<lb/> Auge, daß nicht ein Artikel über eine jener großartigen Leistungen unserer<lb/> Dichter sich findet. Erst das Jndustriecomptoir belebte den Sinn durch seine<lb/> wirklich großartigen literarischen Erzeugnisse für die verschiedenen Richtungen;<lb/> denn das einzig nennenswerthe Unternehmen Jagemanns, welcher in der<lb/> xettg, al ^VeiwÄr 1787 ein politisch-literarisches Blatt in italienischer Sprache<lb/> schuf, war doch nur wieder für engere Kreise berechnet.</p><lb/> <p xml:id="ID_586"> Ebenso unvortheilhaft zeigt sich das politische Interesse in der Bevölkerung.<lb/> In der Zeitung Weimars findet sich nicht ein Artikel, der die Interessen des^<lb/> Landes oder der Gemeinde zur Sprache gebracht hätte. Je weiter her die<lb/> Nachrichten, je dunkler, desto wichtiger und interessanter scheinen sie gewesen<lb/> zu sein. Man spricht, heißt es z. B., sehr stark von einem im Werk seienden<lb/> Tractat und versichert, daß demselben der König von Sardinien beitreten<lb/> wird. Oder: Der Prinz von Soubise wird sicherlich nicht nach Deutschland<lb/> kommen, weil er all seine Maulesel verkauft hat. Und mit Anspielung auf<lb/> die Gründung des Fürstenbundes heißt es: Es soll ein gewisses großes Ge¬<lb/> schäft auf dem Tapet sein u. f. w.</p><lb/> <p xml:id="ID_587"> Und doch war wieder in der Bevölkerung Leben und Interesse; nament¬<lb/> lich wirkte seit 1779 das öffentliche Theater, das man, um einen Goethe'schen<lb/> Ausdruck zu brauchen, mit Assiduität benutzte,*) die zu fortwährender<lb/> Erweiterung der Räume beitrug. Auch wirkten die öffentlichen Redouten,**)<lb/> deren es im Winter einmal 15 gab. Was man wollte, die bessere Durch¬<lb/> dringung der Stände, wurde damit am besten erzielt, und es war ein günsti¬<lb/> ges Zeichen, daß die zum ersten Male 1799 auf Betrieb Carl August's ge¬<lb/> haltenen öffentlichen Vorlesungen des Dr. Scherer ein großes Publicum<lb/> anzogen, obwohl sie recht eigentlich ihrer chemisch-technologischen Natur nach<lb/> für den Handwerkerstand berechnet waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_588" next="#ID_589"> Unter den öffentlichen Instituten für Wissenschaft und Kunst wurden<lb/> Bibliothek, Gewehr-, Bilderkammer, Musik und Naturalienkammer am mei¬<lb/> sten gepflegt. Viel wurde im Anfang unserer Periode natürlich nicht geleistet,<lb/> da der Etat für alle diese Institute 400 Thaler betrug und man mit Schrecken<lb/> 1758 gewahr wurde, daß die Bibliothek seit geraumer Zeit keinen Zuwachs er¬<lb/> halten habe. Von da ab ist aber unendlich viel gethan worden, der stattliche</p><lb/> <note xml:id="FID_98" place="foot"> ') Wenn das Theater besetzt war, belief sich die Zahl der Besucher zwischen 380—430.<lb/> 1798 wurde das Theater für einige Hundert mehr eingerichtet.</note><lb/> <note xml:id="FID_99" place="foot"> "*) Nur für Dienstmädchen und Livrcebedicnte waren sie nicht zugänglich, und englische<lb/> Tänze dursten nur die fürstlichen Personen tanzen, weil häufig Unordnung durch die Ausfüh¬<lb/> rung derselben entstand. Seit 1782.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0188]
sich im Allgemeinen die Bevölkerung gleichgültig gegen all das, was die große
Zeit in den gebildeten Kreisen Weimars schuf; nirgends in den Blättern von
Weimar wird eine wissenschaftliche Theilnahme bezeigt, man traut kaum dem
Auge, daß nicht ein Artikel über eine jener großartigen Leistungen unserer
Dichter sich findet. Erst das Jndustriecomptoir belebte den Sinn durch seine
wirklich großartigen literarischen Erzeugnisse für die verschiedenen Richtungen;
denn das einzig nennenswerthe Unternehmen Jagemanns, welcher in der
xettg, al ^VeiwÄr 1787 ein politisch-literarisches Blatt in italienischer Sprache
schuf, war doch nur wieder für engere Kreise berechnet.
Ebenso unvortheilhaft zeigt sich das politische Interesse in der Bevölkerung.
In der Zeitung Weimars findet sich nicht ein Artikel, der die Interessen des^
Landes oder der Gemeinde zur Sprache gebracht hätte. Je weiter her die
Nachrichten, je dunkler, desto wichtiger und interessanter scheinen sie gewesen
zu sein. Man spricht, heißt es z. B., sehr stark von einem im Werk seienden
Tractat und versichert, daß demselben der König von Sardinien beitreten
wird. Oder: Der Prinz von Soubise wird sicherlich nicht nach Deutschland
kommen, weil er all seine Maulesel verkauft hat. Und mit Anspielung auf
die Gründung des Fürstenbundes heißt es: Es soll ein gewisses großes Ge¬
schäft auf dem Tapet sein u. f. w.
Und doch war wieder in der Bevölkerung Leben und Interesse; nament¬
lich wirkte seit 1779 das öffentliche Theater, das man, um einen Goethe'schen
Ausdruck zu brauchen, mit Assiduität benutzte,*) die zu fortwährender
Erweiterung der Räume beitrug. Auch wirkten die öffentlichen Redouten,**)
deren es im Winter einmal 15 gab. Was man wollte, die bessere Durch¬
dringung der Stände, wurde damit am besten erzielt, und es war ein günsti¬
ges Zeichen, daß die zum ersten Male 1799 auf Betrieb Carl August's ge¬
haltenen öffentlichen Vorlesungen des Dr. Scherer ein großes Publicum
anzogen, obwohl sie recht eigentlich ihrer chemisch-technologischen Natur nach
für den Handwerkerstand berechnet waren.
Unter den öffentlichen Instituten für Wissenschaft und Kunst wurden
Bibliothek, Gewehr-, Bilderkammer, Musik und Naturalienkammer am mei¬
sten gepflegt. Viel wurde im Anfang unserer Periode natürlich nicht geleistet,
da der Etat für alle diese Institute 400 Thaler betrug und man mit Schrecken
1758 gewahr wurde, daß die Bibliothek seit geraumer Zeit keinen Zuwachs er¬
halten habe. Von da ab ist aber unendlich viel gethan worden, der stattliche
') Wenn das Theater besetzt war, belief sich die Zahl der Besucher zwischen 380—430.
1798 wurde das Theater für einige Hundert mehr eingerichtet.
"*) Nur für Dienstmädchen und Livrcebedicnte waren sie nicht zugänglich, und englische
Tänze dursten nur die fürstlichen Personen tanzen, weil häufig Unordnung durch die Ausfüh¬
rung derselben entstand. Seit 1782.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |