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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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Realkatalog eines Bartholomäi wurde angefertigt und im Wesentlichen wurde
die Bibliothek noch vor Goethe in den Räumen aufgestellt, wo sie sich jetzt
befindet. Was dann von diesem, insbesondere von allen Gliedern des Wei¬
marischen Hauses, denen die Erhaltung dieses Institutes traditionell am Her¬
zen lag, gethan worden ist, bedarf keiner Anführung. Ebenso vermehrte sich
das Medaillencabinet in 15 Jahren auf das vierfache.

Auch im Kunstfache sah es ursprünglich nicht besonders aus. Die Bilder¬
kammer mag an Zahl verhältnißmäßig viel enthalten haben, da bereits 1719
389 Gemälde vorhanden waren, allein über die Vortrefflichkeit der Sammlung
liegen uns keine bestimmten Nachrichten vor. Im Allgemeinen bezeichnet man
den Schloßbrand als Urheber alles Verderbens unserer Kunstschätze. Jeden¬
falls gibt der Kunstbetrieb vor unserer Periode einiges Licht, in der seit 1732
ein Künstler mit 200 Thaler als Aufseher angestellt war und dafür nicht
nur die Bilderkammer in Ordnung halten, sondern auch malen mußte, was
ihm aufgetragen wurde. Portraits malte dieser Künstler (Löver) entschieden
nicht, weil er behauptete, nur als "Hof- und Thiermaler" engagirt zu sein.
Viel, ja alles verdanken wir dem Kunstsinn Amaliens, die wie Goethe vieles,
sowohl Verständniß als Kunstgegenstände, uns aus Italien über die Berge
getragen haben, und wie eifrig man sammelte, das bezeugen in reichem Maße
die noch nicht an das Tageslicht getretenen Correspondenzen, welche sehr in¬
teressante Nachrichten zur Geschichte unseres Museums enthalten.

Der volle Aufschwung der Kunst kam erst mit Goethe, der selbst den
Herzog Carl August, dem das praktische Leben um vieles näher stand, zu be¬
geistern und fortzureißen wußte. Seit 1781 die freie Zeichenschule zu För¬
derung der allgemeinen Geschmacksbildung und Industrie gegründet war, ging
es raschen Schrittes, namentlich seit Goethe's und Amaliens italienischer Reise,
vorwärts. Die reiche Verbindung mit den Künstlern, die theilweise Gewin¬
nung derselben für Weimar, die immer wiederkehrende Unterstützung Fremder
und Einheimischer, letztere vorzüglich eine Frucht der Zeichenschule und ihrer
Ausstellung, belebten das Interesse des größern Publicums so, daß 1789 eine
große illuminirte Landschaft sammt Glas und Rahmen auf Nimmerwieder¬
sehen von der Weimarischen Ausstellung verschwand.

Bei uns und an uns selbst waren die Wirkungen des künstlerischen
Lebens noch nicht in die Tiefe gegangen, wenigstens bezeugen die Lösungen
der von Goethe wiederholt gestellten Preisaufgaben, daß noch kein einheimisches
Talent, sondern nur Auswärtige sie zu lösen verstanden. Wir haben die
Wirkungen erst spät verspürt, aber dabei früh und fest einsehen gelernt, daß
die Künste in Verbindung mit den Wissenschaften, Handwerken und Gewerben
einen hohen Grad der Wirkung im Staate hervorbringen.

Wie überall von unten, so hat sich auch schließlich das Theater zur


Realkatalog eines Bartholomäi wurde angefertigt und im Wesentlichen wurde
die Bibliothek noch vor Goethe in den Räumen aufgestellt, wo sie sich jetzt
befindet. Was dann von diesem, insbesondere von allen Gliedern des Wei¬
marischen Hauses, denen die Erhaltung dieses Institutes traditionell am Her¬
zen lag, gethan worden ist, bedarf keiner Anführung. Ebenso vermehrte sich
das Medaillencabinet in 15 Jahren auf das vierfache.

Auch im Kunstfache sah es ursprünglich nicht besonders aus. Die Bilder¬
kammer mag an Zahl verhältnißmäßig viel enthalten haben, da bereits 1719
389 Gemälde vorhanden waren, allein über die Vortrefflichkeit der Sammlung
liegen uns keine bestimmten Nachrichten vor. Im Allgemeinen bezeichnet man
den Schloßbrand als Urheber alles Verderbens unserer Kunstschätze. Jeden¬
falls gibt der Kunstbetrieb vor unserer Periode einiges Licht, in der seit 1732
ein Künstler mit 200 Thaler als Aufseher angestellt war und dafür nicht
nur die Bilderkammer in Ordnung halten, sondern auch malen mußte, was
ihm aufgetragen wurde. Portraits malte dieser Künstler (Löver) entschieden
nicht, weil er behauptete, nur als „Hof- und Thiermaler" engagirt zu sein.
Viel, ja alles verdanken wir dem Kunstsinn Amaliens, die wie Goethe vieles,
sowohl Verständniß als Kunstgegenstände, uns aus Italien über die Berge
getragen haben, und wie eifrig man sammelte, das bezeugen in reichem Maße
die noch nicht an das Tageslicht getretenen Correspondenzen, welche sehr in¬
teressante Nachrichten zur Geschichte unseres Museums enthalten.

Der volle Aufschwung der Kunst kam erst mit Goethe, der selbst den
Herzog Carl August, dem das praktische Leben um vieles näher stand, zu be¬
geistern und fortzureißen wußte. Seit 1781 die freie Zeichenschule zu För¬
derung der allgemeinen Geschmacksbildung und Industrie gegründet war, ging
es raschen Schrittes, namentlich seit Goethe's und Amaliens italienischer Reise,
vorwärts. Die reiche Verbindung mit den Künstlern, die theilweise Gewin¬
nung derselben für Weimar, die immer wiederkehrende Unterstützung Fremder
und Einheimischer, letztere vorzüglich eine Frucht der Zeichenschule und ihrer
Ausstellung, belebten das Interesse des größern Publicums so, daß 1789 eine
große illuminirte Landschaft sammt Glas und Rahmen auf Nimmerwieder¬
sehen von der Weimarischen Ausstellung verschwand.

Bei uns und an uns selbst waren die Wirkungen des künstlerischen
Lebens noch nicht in die Tiefe gegangen, wenigstens bezeugen die Lösungen
der von Goethe wiederholt gestellten Preisaufgaben, daß noch kein einheimisches
Talent, sondern nur Auswärtige sie zu lösen verstanden. Wir haben die
Wirkungen erst spät verspürt, aber dabei früh und fest einsehen gelernt, daß
die Künste in Verbindung mit den Wissenschaften, Handwerken und Gewerben
einen hohen Grad der Wirkung im Staate hervorbringen.

Wie überall von unten, so hat sich auch schließlich das Theater zur


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[0189] Realkatalog eines Bartholomäi wurde angefertigt und im Wesentlichen wurde die Bibliothek noch vor Goethe in den Räumen aufgestellt, wo sie sich jetzt befindet. Was dann von diesem, insbesondere von allen Gliedern des Wei¬ marischen Hauses, denen die Erhaltung dieses Institutes traditionell am Her¬ zen lag, gethan worden ist, bedarf keiner Anführung. Ebenso vermehrte sich das Medaillencabinet in 15 Jahren auf das vierfache. Auch im Kunstfache sah es ursprünglich nicht besonders aus. Die Bilder¬ kammer mag an Zahl verhältnißmäßig viel enthalten haben, da bereits 1719 389 Gemälde vorhanden waren, allein über die Vortrefflichkeit der Sammlung liegen uns keine bestimmten Nachrichten vor. Im Allgemeinen bezeichnet man den Schloßbrand als Urheber alles Verderbens unserer Kunstschätze. Jeden¬ falls gibt der Kunstbetrieb vor unserer Periode einiges Licht, in der seit 1732 ein Künstler mit 200 Thaler als Aufseher angestellt war und dafür nicht nur die Bilderkammer in Ordnung halten, sondern auch malen mußte, was ihm aufgetragen wurde. Portraits malte dieser Künstler (Löver) entschieden nicht, weil er behauptete, nur als „Hof- und Thiermaler" engagirt zu sein. Viel, ja alles verdanken wir dem Kunstsinn Amaliens, die wie Goethe vieles, sowohl Verständniß als Kunstgegenstände, uns aus Italien über die Berge getragen haben, und wie eifrig man sammelte, das bezeugen in reichem Maße die noch nicht an das Tageslicht getretenen Correspondenzen, welche sehr in¬ teressante Nachrichten zur Geschichte unseres Museums enthalten. Der volle Aufschwung der Kunst kam erst mit Goethe, der selbst den Herzog Carl August, dem das praktische Leben um vieles näher stand, zu be¬ geistern und fortzureißen wußte. Seit 1781 die freie Zeichenschule zu För¬ derung der allgemeinen Geschmacksbildung und Industrie gegründet war, ging es raschen Schrittes, namentlich seit Goethe's und Amaliens italienischer Reise, vorwärts. Die reiche Verbindung mit den Künstlern, die theilweise Gewin¬ nung derselben für Weimar, die immer wiederkehrende Unterstützung Fremder und Einheimischer, letztere vorzüglich eine Frucht der Zeichenschule und ihrer Ausstellung, belebten das Interesse des größern Publicums so, daß 1789 eine große illuminirte Landschaft sammt Glas und Rahmen auf Nimmerwieder¬ sehen von der Weimarischen Ausstellung verschwand. Bei uns und an uns selbst waren die Wirkungen des künstlerischen Lebens noch nicht in die Tiefe gegangen, wenigstens bezeugen die Lösungen der von Goethe wiederholt gestellten Preisaufgaben, daß noch kein einheimisches Talent, sondern nur Auswärtige sie zu lösen verstanden. Wir haben die Wirkungen erst spät verspürt, aber dabei früh und fest einsehen gelernt, daß die Künste in Verbindung mit den Wissenschaften, Handwerken und Gewerben einen hohen Grad der Wirkung im Staate hervorbringen. Wie überall von unten, so hat sich auch schließlich das Theater zur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/189>, abgerufen am 27.12.2024.