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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band.

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das Auflegen des Rouge und zuletzt kamen noch die Mönches an die Reihe,
die in verschiedener Anzahl und Größe aufgelegt wurden.

Sobald die Herzogin erschien, traten unter Trompeten und Pauken die
Zutrittsdamen, dann die Uebrigen näher und wurden zum Rockkuß zugelassen,
der erst am Hofe der Herzogin Louise abgeschafft wurde. Darauf tanzte die
Herzogin mit einem distinguirten Fremden oder Cavalier ganz allein Me¬
nuett, dann erst durften die Uebrigen folgen. Bei der dritten Tour setzten
die Herren ihre gallonirten Federhute bis zum Abschiedscomplimente auf.
In der Regel waren englische Tänze, namentlich der schottische Tri, üblich,
später erst kamen die sogenannten Allemagnes, Baurhalls und raschen Walzer
auf. Die Hofbälle endeten am späten Morgen, nachdem man an getrennten
Tafeln, den Hof- und Marschallstafeln, gespeist hatte.

Auch die Hofschlittenfahrten hatten ihre Eigenthümlichkeiten. Die Schlitten
stellten buntfarbige Muscheln, Schwäne, Meerzungen und Seefische dar. Sie
waren meist zweispännig und nur für eine prächtig geschmückte Dame be¬
rechnet, die ein Cavalier fuhr, welcher von dem hintern Sitz des Schlittens
die reich behangenen Pferde leitete. Zwischen jedem Schlitten ritten je nach
dem Rang der folgenden Dame 2--4 Reiter, vor dem vornehmsten überdies
noch sogenannte Stangenreiter, um etwaige Schäden sofort auszubessern. Auch
Haiducken und Laufer fehlten nicht, die mit Peitschenknall die Luft in Be¬
wegung setzten.

An Sonn- und Festtagen erschien die Herzogin in der Esplanade, wo
sich auch die Hofkreise auf Befehl einfanden. Voraus ging der Herzogin der
Oberhofmarschall, ihr folgte ein Page, der die Schleppe trug, dann kam die
übrige Hofdienerschaft sammt Pagen, Läufern und Haiducken, auch ein Zwerg
war unter ihnen sichtbar. Ganz Weimar eilte dahin, es mochte die Fürstin,
die sich der Menge nicht sehr oft in großer Nähe zeigte, gern sehen. Amalia
war sehr beliebt; aber doch war im Volk eher ein scheues Rückweichen, als
ein sich Aufdrängen bemerkbar. Sehr oft weilte sie am Bassin, dessen Gold¬
fischchen sie fütterte. Sie nahm auch bisweilen den Thee in der Grotte,
welche auf dem Grunde des Stichling'schen Hauses stand, in der ein prächtig
nachgeahmter Eremit auf steinerner Bank saß und unverwandten Blickes im
Buch aller Bücher las.

Ritt die Herzogin, so folgte ihr ein größerer Zug. Auf dem großen,
starken weißen Pferd nahm sich ihre zierliche Figur besonders gut aus, zu¬
mal sie auf einem deutschen Sattel ritt, denn englische waren noch nicht im
Gebrauch. Sehr gern nahm man die Gelegenheit wahr, den kleinen Fuß
der Herzogin zu bewundern, der in Gold nachgeahmt, von den Herren an
der Uhrkette getragen wurde, während die Damen im Wetteifer die Schuhe
der Herzogin kauften, welche täglich ein Paar neue anzulegen pflegte. Aber


das Auflegen des Rouge und zuletzt kamen noch die Mönches an die Reihe,
die in verschiedener Anzahl und Größe aufgelegt wurden.

Sobald die Herzogin erschien, traten unter Trompeten und Pauken die
Zutrittsdamen, dann die Uebrigen näher und wurden zum Rockkuß zugelassen,
der erst am Hofe der Herzogin Louise abgeschafft wurde. Darauf tanzte die
Herzogin mit einem distinguirten Fremden oder Cavalier ganz allein Me¬
nuett, dann erst durften die Uebrigen folgen. Bei der dritten Tour setzten
die Herren ihre gallonirten Federhute bis zum Abschiedscomplimente auf.
In der Regel waren englische Tänze, namentlich der schottische Tri, üblich,
später erst kamen die sogenannten Allemagnes, Baurhalls und raschen Walzer
auf. Die Hofbälle endeten am späten Morgen, nachdem man an getrennten
Tafeln, den Hof- und Marschallstafeln, gespeist hatte.

Auch die Hofschlittenfahrten hatten ihre Eigenthümlichkeiten. Die Schlitten
stellten buntfarbige Muscheln, Schwäne, Meerzungen und Seefische dar. Sie
waren meist zweispännig und nur für eine prächtig geschmückte Dame be¬
rechnet, die ein Cavalier fuhr, welcher von dem hintern Sitz des Schlittens
die reich behangenen Pferde leitete. Zwischen jedem Schlitten ritten je nach
dem Rang der folgenden Dame 2—4 Reiter, vor dem vornehmsten überdies
noch sogenannte Stangenreiter, um etwaige Schäden sofort auszubessern. Auch
Haiducken und Laufer fehlten nicht, die mit Peitschenknall die Luft in Be¬
wegung setzten.

An Sonn- und Festtagen erschien die Herzogin in der Esplanade, wo
sich auch die Hofkreise auf Befehl einfanden. Voraus ging der Herzogin der
Oberhofmarschall, ihr folgte ein Page, der die Schleppe trug, dann kam die
übrige Hofdienerschaft sammt Pagen, Läufern und Haiducken, auch ein Zwerg
war unter ihnen sichtbar. Ganz Weimar eilte dahin, es mochte die Fürstin,
die sich der Menge nicht sehr oft in großer Nähe zeigte, gern sehen. Amalia
war sehr beliebt; aber doch war im Volk eher ein scheues Rückweichen, als
ein sich Aufdrängen bemerkbar. Sehr oft weilte sie am Bassin, dessen Gold¬
fischchen sie fütterte. Sie nahm auch bisweilen den Thee in der Grotte,
welche auf dem Grunde des Stichling'schen Hauses stand, in der ein prächtig
nachgeahmter Eremit auf steinerner Bank saß und unverwandten Blickes im
Buch aller Bücher las.

Ritt die Herzogin, so folgte ihr ein größerer Zug. Auf dem großen,
starken weißen Pferd nahm sich ihre zierliche Figur besonders gut aus, zu¬
mal sie auf einem deutschen Sattel ritt, denn englische waren noch nicht im
Gebrauch. Sehr gern nahm man die Gelegenheit wahr, den kleinen Fuß
der Herzogin zu bewundern, der in Gold nachgeahmt, von den Herren an
der Uhrkette getragen wurde, während die Damen im Wetteifer die Schuhe
der Herzogin kauften, welche täglich ein Paar neue anzulegen pflegte. Aber


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[0135] das Auflegen des Rouge und zuletzt kamen noch die Mönches an die Reihe, die in verschiedener Anzahl und Größe aufgelegt wurden. Sobald die Herzogin erschien, traten unter Trompeten und Pauken die Zutrittsdamen, dann die Uebrigen näher und wurden zum Rockkuß zugelassen, der erst am Hofe der Herzogin Louise abgeschafft wurde. Darauf tanzte die Herzogin mit einem distinguirten Fremden oder Cavalier ganz allein Me¬ nuett, dann erst durften die Uebrigen folgen. Bei der dritten Tour setzten die Herren ihre gallonirten Federhute bis zum Abschiedscomplimente auf. In der Regel waren englische Tänze, namentlich der schottische Tri, üblich, später erst kamen die sogenannten Allemagnes, Baurhalls und raschen Walzer auf. Die Hofbälle endeten am späten Morgen, nachdem man an getrennten Tafeln, den Hof- und Marschallstafeln, gespeist hatte. Auch die Hofschlittenfahrten hatten ihre Eigenthümlichkeiten. Die Schlitten stellten buntfarbige Muscheln, Schwäne, Meerzungen und Seefische dar. Sie waren meist zweispännig und nur für eine prächtig geschmückte Dame be¬ rechnet, die ein Cavalier fuhr, welcher von dem hintern Sitz des Schlittens die reich behangenen Pferde leitete. Zwischen jedem Schlitten ritten je nach dem Rang der folgenden Dame 2—4 Reiter, vor dem vornehmsten überdies noch sogenannte Stangenreiter, um etwaige Schäden sofort auszubessern. Auch Haiducken und Laufer fehlten nicht, die mit Peitschenknall die Luft in Be¬ wegung setzten. An Sonn- und Festtagen erschien die Herzogin in der Esplanade, wo sich auch die Hofkreise auf Befehl einfanden. Voraus ging der Herzogin der Oberhofmarschall, ihr folgte ein Page, der die Schleppe trug, dann kam die übrige Hofdienerschaft sammt Pagen, Läufern und Haiducken, auch ein Zwerg war unter ihnen sichtbar. Ganz Weimar eilte dahin, es mochte die Fürstin, die sich der Menge nicht sehr oft in großer Nähe zeigte, gern sehen. Amalia war sehr beliebt; aber doch war im Volk eher ein scheues Rückweichen, als ein sich Aufdrängen bemerkbar. Sehr oft weilte sie am Bassin, dessen Gold¬ fischchen sie fütterte. Sie nahm auch bisweilen den Thee in der Grotte, welche auf dem Grunde des Stichling'schen Hauses stand, in der ein prächtig nachgeahmter Eremit auf steinerner Bank saß und unverwandten Blickes im Buch aller Bücher las. Ritt die Herzogin, so folgte ihr ein größerer Zug. Auf dem großen, starken weißen Pferd nahm sich ihre zierliche Figur besonders gut aus, zu¬ mal sie auf einem deutschen Sattel ritt, denn englische waren noch nicht im Gebrauch. Sehr gern nahm man die Gelegenheit wahr, den kleinen Fuß der Herzogin zu bewundern, der in Gold nachgeahmt, von den Herren an der Uhrkette getragen wurde, während die Damen im Wetteifer die Schuhe der Herzogin kauften, welche täglich ein Paar neue anzulegen pflegte. Aber

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125781/135>, abgerufen am 29.09.2024.