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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Slaven"; und außer Stande, sich selbst zu vertheidigen, bedürfe es des Schutzes
der letzteren gegen das Ausland, ohne selbst ein Gleiches zu leisten?

^Die Moral von der Geschichte, ich meine von der deutschen Geschichte
während der letzten Jahrhunderte ist einfach die:

Preußen war bisher der einzige Hort Deutschlands. Nur sein Schwert
wußte uns gegen die Fremdherrschaft zu schützen, welche letztere stets provo¬
cirt wurde durch die Zwietracht, die Ohnmacht und die Zersplitterung der
deutschen Kleinstaaterei.

Was die Zukunft anlangt, so gibt es kein anderes Mittel, die Unab¬
hängigkeit und Unversehrtheit Deutschlands und den Frieden Europas sicher
zu stellen, als die folgerichtig durchgeführte Einheit Deutschlands unter preu¬
ßischer Führung. Jedes Land, das sich dem widersetzt, reißt eine Schiene in
unserem Harnisch auf und macht eine Lücke in unserer Rüstung, durch welche
der feindliche Speer eindringt.

Nur eine Vereinigung Aller zu gleichen Rechten und Lasten kann die
letzteren mindern. Was wir Alle gleichmäßig tragen, trägt sich leicht. Eine
ungleich vertheilte Last wird doppelt schwer empfunden. Wer sich weigert,
dem Vaterlande gegenüber eine Pflicht zu erfüllen, der fordert den Feind
heraus, von unserer Zwietracht Gebrauch zu machen und ihm das Zehnfache
der Last aufzuerlegen, welche er sich weigert, für das gemeinsame Interesse
Deutschlands zu tragen.

Wer den Particularismus predigt, predigt den Rheinbund und die
Fremdherrschaft, auch dann, wenn er sich dieses Zusammenhangs nicht be¬
wußt ist.

Das Jahr 1870 hat uns Alle groß und stark gesehn in nationaler Ge¬
meinschaft. Diese Größe schafft Neider und Feinde. Wer sich von der Ge¬
meinschaft lossagt, der gibt sich den Feinden zur Beute. Denn man kann
nicht ungestraft groß sein, wenn man in dem nächsten Augenblicke wieder un¬
endlich klein ist. In Bayern und Württemberg scheinen immer noch Partei¬
männer zu eristiren, welche, Epigonen der Rheinbundszeit, diese Wahr¬
heit noch nicht begriffen haben. Sie werden durch Schaden klug werden;
und sicherlich ist die Bevölkerung dieser Länder, das deutsche Volk im Süden,
energisch genug, sich nicht in diesen Schaden mitzuverwickeln, sondern sich los¬
zusagen von der veralteten Politik von Leuten, welche ihre Zeit nicht begriffen
haben.

Ich habe vielleicht zu lange verweilt bei den Zeiten der Fremdherrschaft,
während deren der Carnevalkönig Hieronymus von Westphalen, "immer
luschtigk" Hof hielt in Kassel auf jenem benachbarten Schlosse, welches
damals "Napoleonshöhe", früher Weißenstein^ hieß, und jetzt den Namen
"Wilhelmshöhe" führt. Z"


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Slaven"; und außer Stande, sich selbst zu vertheidigen, bedürfe es des Schutzes
der letzteren gegen das Ausland, ohne selbst ein Gleiches zu leisten?

^Die Moral von der Geschichte, ich meine von der deutschen Geschichte
während der letzten Jahrhunderte ist einfach die:

Preußen war bisher der einzige Hort Deutschlands. Nur sein Schwert
wußte uns gegen die Fremdherrschaft zu schützen, welche letztere stets provo¬
cirt wurde durch die Zwietracht, die Ohnmacht und die Zersplitterung der
deutschen Kleinstaaterei.

Was die Zukunft anlangt, so gibt es kein anderes Mittel, die Unab¬
hängigkeit und Unversehrtheit Deutschlands und den Frieden Europas sicher
zu stellen, als die folgerichtig durchgeführte Einheit Deutschlands unter preu¬
ßischer Führung. Jedes Land, das sich dem widersetzt, reißt eine Schiene in
unserem Harnisch auf und macht eine Lücke in unserer Rüstung, durch welche
der feindliche Speer eindringt.

Nur eine Vereinigung Aller zu gleichen Rechten und Lasten kann die
letzteren mindern. Was wir Alle gleichmäßig tragen, trägt sich leicht. Eine
ungleich vertheilte Last wird doppelt schwer empfunden. Wer sich weigert,
dem Vaterlande gegenüber eine Pflicht zu erfüllen, der fordert den Feind
heraus, von unserer Zwietracht Gebrauch zu machen und ihm das Zehnfache
der Last aufzuerlegen, welche er sich weigert, für das gemeinsame Interesse
Deutschlands zu tragen.

Wer den Particularismus predigt, predigt den Rheinbund und die
Fremdherrschaft, auch dann, wenn er sich dieses Zusammenhangs nicht be¬
wußt ist.

Das Jahr 1870 hat uns Alle groß und stark gesehn in nationaler Ge¬
meinschaft. Diese Größe schafft Neider und Feinde. Wer sich von der Ge¬
meinschaft lossagt, der gibt sich den Feinden zur Beute. Denn man kann
nicht ungestraft groß sein, wenn man in dem nächsten Augenblicke wieder un¬
endlich klein ist. In Bayern und Württemberg scheinen immer noch Partei¬
männer zu eristiren, welche, Epigonen der Rheinbundszeit, diese Wahr¬
heit noch nicht begriffen haben. Sie werden durch Schaden klug werden;
und sicherlich ist die Bevölkerung dieser Länder, das deutsche Volk im Süden,
energisch genug, sich nicht in diesen Schaden mitzuverwickeln, sondern sich los¬
zusagen von der veralteten Politik von Leuten, welche ihre Zeit nicht begriffen
haben.

Ich habe vielleicht zu lange verweilt bei den Zeiten der Fremdherrschaft,
während deren der Carnevalkönig Hieronymus von Westphalen, „immer
luschtigk" Hof hielt in Kassel auf jenem benachbarten Schlosse, welches
damals „Napoleonshöhe", früher Weißenstein^ hieß, und jetzt den Namen
„Wilhelmshöhe" führt. Z"


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[0099] Slaven"; und außer Stande, sich selbst zu vertheidigen, bedürfe es des Schutzes der letzteren gegen das Ausland, ohne selbst ein Gleiches zu leisten? ^Die Moral von der Geschichte, ich meine von der deutschen Geschichte während der letzten Jahrhunderte ist einfach die: Preußen war bisher der einzige Hort Deutschlands. Nur sein Schwert wußte uns gegen die Fremdherrschaft zu schützen, welche letztere stets provo¬ cirt wurde durch die Zwietracht, die Ohnmacht und die Zersplitterung der deutschen Kleinstaaterei. Was die Zukunft anlangt, so gibt es kein anderes Mittel, die Unab¬ hängigkeit und Unversehrtheit Deutschlands und den Frieden Europas sicher zu stellen, als die folgerichtig durchgeführte Einheit Deutschlands unter preu¬ ßischer Führung. Jedes Land, das sich dem widersetzt, reißt eine Schiene in unserem Harnisch auf und macht eine Lücke in unserer Rüstung, durch welche der feindliche Speer eindringt. Nur eine Vereinigung Aller zu gleichen Rechten und Lasten kann die letzteren mindern. Was wir Alle gleichmäßig tragen, trägt sich leicht. Eine ungleich vertheilte Last wird doppelt schwer empfunden. Wer sich weigert, dem Vaterlande gegenüber eine Pflicht zu erfüllen, der fordert den Feind heraus, von unserer Zwietracht Gebrauch zu machen und ihm das Zehnfache der Last aufzuerlegen, welche er sich weigert, für das gemeinsame Interesse Deutschlands zu tragen. Wer den Particularismus predigt, predigt den Rheinbund und die Fremdherrschaft, auch dann, wenn er sich dieses Zusammenhangs nicht be¬ wußt ist. Das Jahr 1870 hat uns Alle groß und stark gesehn in nationaler Ge¬ meinschaft. Diese Größe schafft Neider und Feinde. Wer sich von der Ge¬ meinschaft lossagt, der gibt sich den Feinden zur Beute. Denn man kann nicht ungestraft groß sein, wenn man in dem nächsten Augenblicke wieder un¬ endlich klein ist. In Bayern und Württemberg scheinen immer noch Partei¬ männer zu eristiren, welche, Epigonen der Rheinbundszeit, diese Wahr¬ heit noch nicht begriffen haben. Sie werden durch Schaden klug werden; und sicherlich ist die Bevölkerung dieser Länder, das deutsche Volk im Süden, energisch genug, sich nicht in diesen Schaden mitzuverwickeln, sondern sich los¬ zusagen von der veralteten Politik von Leuten, welche ihre Zeit nicht begriffen haben. Ich habe vielleicht zu lange verweilt bei den Zeiten der Fremdherrschaft, während deren der Carnevalkönig Hieronymus von Westphalen, „immer luschtigk" Hof hielt in Kassel auf jenem benachbarten Schlosse, welches damals „Napoleonshöhe", früher Weißenstein^ hieß, und jetzt den Namen „Wilhelmshöhe" führt. Z" 12

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/99>, abgerufen am 28.09.2024.