Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.entwischen, so werden Ströme Blutes fließen, und der Schrei dieser Unglück¬ Wohl war es traurig, daß der Nation der Preis des Sieges vorent¬
Es kam nicht dazu; Louis-Philipp war nicht der Mann, die alten Tra¬ entwischen, so werden Ströme Blutes fließen, und der Schrei dieser Unglück¬ Wohl war es traurig, daß der Nation der Preis des Sieges vorent¬
Es kam nicht dazu; Louis-Philipp war nicht der Mann, die alten Tra¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125748"/> <p xml:id="ID_1658" prev="#ID_1657"> entwischen, so werden Ströme Blutes fließen, und der Schrei dieser Unglück¬<lb/> lichen wird von uns Rechenschaft dafür fordern!" Aber England, Oestreich<lb/> und Rußland wollten keine dauernde Schwächung Frankreichs, und so er¬<lb/> hielt Deutschland im zweiten Pariser Frieden Nichts zurück, als Landau und<lb/> Saarlouis.</p><lb/> <p xml:id="ID_1659"> Wohl war es traurig, daß der Nation der Preis des Sieges vorent¬<lb/> halten ward; im Siege selber jedoch liegt eine wunderbar belebende Kraft;<lb/> eins hatten die Deutschen wiedergewonnen: das Zutrauen zu sich selbst!<lb/> Als im Herbstmond 1840 derselbe Mann, der jetzt an der Spitze der franzö¬<lb/> sischen Regierung steht, den niemals entschlafenen Nheingelüsten seiner Lands¬<lb/> leute amtlich drohenden Ausdruck gab, da begegnete er einer Stimmung, die<lb/> ihn gewaltig stutzen machte. Da klang es einmüthig hinüber: »Sie sollen<lb/> ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein!" Da rief ihnen der alte Arndt<lb/> zornig entgegen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_25" type="poem"> <l> Wir wollen ein Liedchen euch singen<lb/> Von dem, was die schleichende List euch gewann,<lb/> Von Straßburg, von Metz und Lothringen!<lb/> Zurück sollt ihr zahlen, heraus sollt ihr geben!<lb/> So stehe der Kampf uns auf Tod und auf Leben!<lb/> So klinge die Losung: Zum Rhein! über'n Rhein!<lb/> All-Deutschland in Frankreich hinein!</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1660"> Es kam nicht dazu; Louis-Philipp war nicht der Mann, die alten Tra¬<lb/> ditionen aufzunehmen; aber diese selbst sind, zumal seit jener Aufregung durch<lb/> Thiers, in der französischen Nation auch nicht einen Augenblick zur Ruhe<lb/> gekommen. Der freche Uebermuth, der sich in Alfreds de Musset Entgegnung<lb/> auf das Rheinlied aussprach: ,Mus l'avonL su> votrs Min allemal-na!"<lb/> — das war der Grundton ihrer ganzen Denkungsweise gegen Deutschland,<lb/> und diese war es, der der Krieg entsprang. Nie ist ein Völkerkampf roher<lb/> und grundloser vom Zaune gebrochen worden als dieser letzte Krieg; und doch<lb/> hätten die Franzosen gewarnt sein können. Seit 1815 war Preußen auf<lb/> die doppelte Volkszahl gewachsen; durch die Heeresreorganisation war unsere<lb/> Wehrkraft mehr als verdoppelt; ein Heeresfürst wie König Wilhelm, ein<lb/> Feldzug wie der in Oestreich — das hätte wohl zu denken geben sollen.<lb/> Aber es bewährte sich ein Wort, das I. I. Rousseau einst noch vor der<lb/> französischen Revolution gesprochen: „Die Franzosen, wenn sie irgend wo<lb/> ein freies Volk entdecken, so erheben sie sich auf das Gebot des Tyrannen,<lb/> um dies Volk zu bedrängen!" Unerträglich war es ihnen, daß Deutschland<lb/> wuchs und einig ward. — Zu dem alten Wuthgeschrei: Rache für Waterloo !<lb/> gesellte sich der lächerliche Ruf: Revanche für Sadowa! und so kam es zum<lb/> Kriege.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
entwischen, so werden Ströme Blutes fließen, und der Schrei dieser Unglück¬
lichen wird von uns Rechenschaft dafür fordern!" Aber England, Oestreich
und Rußland wollten keine dauernde Schwächung Frankreichs, und so er¬
hielt Deutschland im zweiten Pariser Frieden Nichts zurück, als Landau und
Saarlouis.
Wohl war es traurig, daß der Nation der Preis des Sieges vorent¬
halten ward; im Siege selber jedoch liegt eine wunderbar belebende Kraft;
eins hatten die Deutschen wiedergewonnen: das Zutrauen zu sich selbst!
Als im Herbstmond 1840 derselbe Mann, der jetzt an der Spitze der franzö¬
sischen Regierung steht, den niemals entschlafenen Nheingelüsten seiner Lands¬
leute amtlich drohenden Ausdruck gab, da begegnete er einer Stimmung, die
ihn gewaltig stutzen machte. Da klang es einmüthig hinüber: »Sie sollen
ihn nicht haben, den freien deutschen Rhein!" Da rief ihnen der alte Arndt
zornig entgegen:
Wir wollen ein Liedchen euch singen
Von dem, was die schleichende List euch gewann,
Von Straßburg, von Metz und Lothringen!
Zurück sollt ihr zahlen, heraus sollt ihr geben!
So stehe der Kampf uns auf Tod und auf Leben!
So klinge die Losung: Zum Rhein! über'n Rhein!
All-Deutschland in Frankreich hinein!
Es kam nicht dazu; Louis-Philipp war nicht der Mann, die alten Tra¬
ditionen aufzunehmen; aber diese selbst sind, zumal seit jener Aufregung durch
Thiers, in der französischen Nation auch nicht einen Augenblick zur Ruhe
gekommen. Der freche Uebermuth, der sich in Alfreds de Musset Entgegnung
auf das Rheinlied aussprach: ,Mus l'avonL su> votrs Min allemal-na!"
— das war der Grundton ihrer ganzen Denkungsweise gegen Deutschland,
und diese war es, der der Krieg entsprang. Nie ist ein Völkerkampf roher
und grundloser vom Zaune gebrochen worden als dieser letzte Krieg; und doch
hätten die Franzosen gewarnt sein können. Seit 1815 war Preußen auf
die doppelte Volkszahl gewachsen; durch die Heeresreorganisation war unsere
Wehrkraft mehr als verdoppelt; ein Heeresfürst wie König Wilhelm, ein
Feldzug wie der in Oestreich — das hätte wohl zu denken geben sollen.
Aber es bewährte sich ein Wort, das I. I. Rousseau einst noch vor der
französischen Revolution gesprochen: „Die Franzosen, wenn sie irgend wo
ein freies Volk entdecken, so erheben sie sich auf das Gebot des Tyrannen,
um dies Volk zu bedrängen!" Unerträglich war es ihnen, daß Deutschland
wuchs und einig ward. — Zu dem alten Wuthgeschrei: Rache für Waterloo !
gesellte sich der lächerliche Ruf: Revanche für Sadowa! und so kam es zum
Kriege.
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