Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.tung des Rheins, sondern in Oberitalien und in der Schweiz, und Fürst
tung des Rheins, sondern in Oberitalien und in der Schweiz, und Fürst
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0502" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125746"/> <p xml:id="ID_1656" prev="#ID_1655"> tung des Rheins, sondern in Oberitalien und in der Schweiz, und Fürst<lb/> Schwarzenberg beschloß daher, mit der Hauptarmee gegen das Plateau von<lb/> Langres, die Wasserscheide zwischen Saume und Seine, zu operiren. Hier<lb/> hoffte er die französische Feldarmee nicht zu finden, aber durch strategischen<lb/> Druck, durch die Erreichung eines anscheinend hochwichtigen geographischen<lb/> Punktes dennoch Napoleon zum Frieden geneigt zu machen. — Einen<lb/> Napoleon besiegen zu wollen, ohne ihn zu schlagen, das war ein Gedanke,<lb/> den das Blüchersche Hauptquartier gar nicht zu fassen vermochte. Wieder<lb/> wandte sich Gneisenau an den König und beschwor ihn, dem Feinde nicht<lb/> Ruhe und Rast zu lassen. „Wohl," sagte er, „wenn wir fortfahren unsere<lb/> Siegesbahn zu verfolgen, so liegt hierin eine Härte gegen den Soldaten, der<lb/> so viel getragen, gekämpft und entbehrt hat. Die Hoffnung jedoch, durch<lb/> einen vielleicht noch zwei Monate verlängerten Feldzug uns zwei Kriegs¬<lb/> jahre, Ströme von Blut und zweifelhafte Schlachten zu ersparen, lassen mich<lb/> über den Vorwurf der Härte hinwegsehn." Und nun legte er seinen Plan<lb/> vor, wonach fast alle disponiblen Streitkräfte, über 200.000 Mann, sogleich<lb/> den Rhein überschreiten und zunächst rasch auf Metz und Nancy operiren<lb/> sollten, während am Nieder- und Oberrhein nur schwächere Corps die Flan¬<lb/> ken deckten. „Haben wir zu der Zeit, in welcher, die Rüstungen der deutschen<lb/> Fürsten vollständig sein werden, Frankreich den Frieden noch nicht dictirt,<lb/> so gewähren uns alsdann große Truppenmassen die Mittel, Paris zu bedro¬<lb/> hen und durch Abschneiden aller Zufuhren zu erobern." — Es ist der Geist<lb/> von 1870, der uns aus diesem Entwurf entgegenweht. Doch nicht wie jetzt<lb/> herrschte und handelte ein einziger königlicher Wille! Vielmehr wie einst des<lb/> großen Kurfürsten thatfreudige Energie an der verdächtigen Haltung Monte-<lb/> cuccolis und Bournonvilles gescheitert, so brach auch jetzt wieder der östrei¬<lb/> chische Oberfeldherr dem kühnen Plan die Spitze ab. Damit nur überhaupt<lb/> etwas zu Stande kam, mußte ein Compromiß gefunden werden. Dieser<lb/> bestand darin, daß die Hauptarmee unter dem Fürsten Schwarzenberg.<lb/> 190,000 Mann stark, wirklich die Operation nach dem Plateau von Langres<lb/> zur Ausführung brachte, und Blücher froh sein mußte, daß wenigstens ihm<lb/> mit der schlesischen Armee (nur 76,000 Mann) der kühne Zug vom Mittel-<lb/> rheine her gestattet ward. — Wie Blücher diesen Zug ausgeführt, wie es<lb/> ihm gelang, nicht nur Napoleon zu besiegen, sondern auch Oestreich zum<lb/> Siege zu zwingen — das wird für alle Aelt bewunderungswürdig bleiben.</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_24" type="poem"> <l> In Harren und Krieg<lb/> In Sturz und Sieg<lb/> Bewußt und groß!<lb/> So riß er uns<lb/> Vom Feinde los.<lb/></l> </lg> </quote><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0502]
tung des Rheins, sondern in Oberitalien und in der Schweiz, und Fürst
Schwarzenberg beschloß daher, mit der Hauptarmee gegen das Plateau von
Langres, die Wasserscheide zwischen Saume und Seine, zu operiren. Hier
hoffte er die französische Feldarmee nicht zu finden, aber durch strategischen
Druck, durch die Erreichung eines anscheinend hochwichtigen geographischen
Punktes dennoch Napoleon zum Frieden geneigt zu machen. — Einen
Napoleon besiegen zu wollen, ohne ihn zu schlagen, das war ein Gedanke,
den das Blüchersche Hauptquartier gar nicht zu fassen vermochte. Wieder
wandte sich Gneisenau an den König und beschwor ihn, dem Feinde nicht
Ruhe und Rast zu lassen. „Wohl," sagte er, „wenn wir fortfahren unsere
Siegesbahn zu verfolgen, so liegt hierin eine Härte gegen den Soldaten, der
so viel getragen, gekämpft und entbehrt hat. Die Hoffnung jedoch, durch
einen vielleicht noch zwei Monate verlängerten Feldzug uns zwei Kriegs¬
jahre, Ströme von Blut und zweifelhafte Schlachten zu ersparen, lassen mich
über den Vorwurf der Härte hinwegsehn." Und nun legte er seinen Plan
vor, wonach fast alle disponiblen Streitkräfte, über 200.000 Mann, sogleich
den Rhein überschreiten und zunächst rasch auf Metz und Nancy operiren
sollten, während am Nieder- und Oberrhein nur schwächere Corps die Flan¬
ken deckten. „Haben wir zu der Zeit, in welcher, die Rüstungen der deutschen
Fürsten vollständig sein werden, Frankreich den Frieden noch nicht dictirt,
so gewähren uns alsdann große Truppenmassen die Mittel, Paris zu bedro¬
hen und durch Abschneiden aller Zufuhren zu erobern." — Es ist der Geist
von 1870, der uns aus diesem Entwurf entgegenweht. Doch nicht wie jetzt
herrschte und handelte ein einziger königlicher Wille! Vielmehr wie einst des
großen Kurfürsten thatfreudige Energie an der verdächtigen Haltung Monte-
cuccolis und Bournonvilles gescheitert, so brach auch jetzt wieder der östrei¬
chische Oberfeldherr dem kühnen Plan die Spitze ab. Damit nur überhaupt
etwas zu Stande kam, mußte ein Compromiß gefunden werden. Dieser
bestand darin, daß die Hauptarmee unter dem Fürsten Schwarzenberg.
190,000 Mann stark, wirklich die Operation nach dem Plateau von Langres
zur Ausführung brachte, und Blücher froh sein mußte, daß wenigstens ihm
mit der schlesischen Armee (nur 76,000 Mann) der kühne Zug vom Mittel-
rheine her gestattet ward. — Wie Blücher diesen Zug ausgeführt, wie es
ihm gelang, nicht nur Napoleon zu besiegen, sondern auch Oestreich zum
Siege zu zwingen — das wird für alle Aelt bewunderungswürdig bleiben.
In Harren und Krieg
In Sturz und Sieg
Bewußt und groß!
So riß er uns
Vom Feinde los.
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