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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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fürwortet haben. Thun dieselben nicht immer die Verschiedenheit des Cha¬
rakters zwischen Deutschen und Holländern dar, und geben sie dadurch nicht
das Recht der eignen Nationalität zu erkennen? Die Vorwürfe, die den
Holländern darin gemacht wurden, sind durchaus nicht neu oder böswillig;
man hat sie zu hundert Malen in der niederländischen Presse selbst gelesen.
Will man denselben aber eine andere Absicht unterschieben, als die einer ge¬
nauen Berichterstattung für Deutsche über hiesige Zustände, dann legt man
eben nicht aus, sondern legt was unter.

Nebenzweck des Artikels "Holland in Noth" war, den Holländern unter
Hinweisung auf die eigenen Zustände zu zeigen, daß eine Verfeindung mit
Deutschland unvernünftig ist, und die doch wirklich nicht übelwollende Mei¬
nung auszusprechen, daß endlich an der Zeit sei, Hand an die Verbesserung
ihrer eigenen Angelegenheiten zu legen. Will man das nicht hören, nun
gut -- es ist nicht bloß das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht
hören wollen. Mehr aber noch ist zu bedauern, daß man aus dieser falschen
Auffassung, wie sie bei Herrn Bronsveld besteht, Veranlassung nimmt zu
neuer feindseliger Stimmung. Aber Ihr Correspondent hat noch einen Lei¬
densgefährten. Dr. Reville, der zu Anfang des Kriegs im Pariser Temps
von französischen Sympathieen in Holland sprach, wurde durch Prof. Opzoomer
ebenfalls mit Landesverweisung bedroht. Natürlich war es nicht so ernstlich
gemeint. Aber wir möchten doch die Holländer fragen, wo denn ihre hoch¬
gerühmte Freiheit bleibt bei diesem System der Einschüchterung. Abweisung
noch weiterer Verdächtigungen seines Artikels bezweckt Ihr Correspondent
nicht; er will seinen Mitbürgern nur wiederholt versichern, daß er eine An¬
nexion der Niederlande ebenso wenig wünscht, als jeder Holländer, und daß
es Unrecht ist, Jeden, der über ihre Zustände schreibt, sofort der Annexions¬
lust zu verdächtigen.*)





*) Inzwischen ist uns auch ein Separatabzug der "^VetsnsvnÄMsIMö Llagon" zuge¬
sandt worden, um uns von den "valsche voorstellingen van den onbekenden lasteraar", d. h.
unsres Correspondenten zu überzeugen. Die vier Seiten dieser angeblichen Widerlegung beste¬
hen zu einem starken Viertel aus Citaten unsres Artikels "Holland in Noth" und aus einem
deutschfeindlichen Schweizer Blatt. Der Rest ist eine Sammlung ""parlamentarischer Aus¬
drücke und Drohungen gegen unsern Korrespondenten, die aufzunehmen ein deutsches Blatt sich
nicht einmal dann verstehen würde, wenn es vorher die Flagge "wissenschaftlicher Blätter" ge¬
strichen hätte. Wenn an unsre Adresse direkt die Frage gerichtet wird, wie dieselbe Redaction,
welche Jonckbloet's Literaturgeschichte rühmend erwähnte, "nu zonder eenig Protest dese enor-
miteit kom plaathen?" so fehlt der Gegenüberstellung dieser beiden Artikel unsres Blattes eben
so sehr jedes tsrtium ooinpirrÄtionis, wie den "^etsusoQaxxelMöll ZZIiräsu" mit dem, was
b D. R. ei uns Wissenschaft heißt.

fürwortet haben. Thun dieselben nicht immer die Verschiedenheit des Cha¬
rakters zwischen Deutschen und Holländern dar, und geben sie dadurch nicht
das Recht der eignen Nationalität zu erkennen? Die Vorwürfe, die den
Holländern darin gemacht wurden, sind durchaus nicht neu oder böswillig;
man hat sie zu hundert Malen in der niederländischen Presse selbst gelesen.
Will man denselben aber eine andere Absicht unterschieben, als die einer ge¬
nauen Berichterstattung für Deutsche über hiesige Zustände, dann legt man
eben nicht aus, sondern legt was unter.

Nebenzweck des Artikels „Holland in Noth" war, den Holländern unter
Hinweisung auf die eigenen Zustände zu zeigen, daß eine Verfeindung mit
Deutschland unvernünftig ist, und die doch wirklich nicht übelwollende Mei¬
nung auszusprechen, daß endlich an der Zeit sei, Hand an die Verbesserung
ihrer eigenen Angelegenheiten zu legen. Will man das nicht hören, nun
gut — es ist nicht bloß das Unglück der Könige, daß sie die Wahrheit nicht
hören wollen. Mehr aber noch ist zu bedauern, daß man aus dieser falschen
Auffassung, wie sie bei Herrn Bronsveld besteht, Veranlassung nimmt zu
neuer feindseliger Stimmung. Aber Ihr Correspondent hat noch einen Lei¬
densgefährten. Dr. Reville, der zu Anfang des Kriegs im Pariser Temps
von französischen Sympathieen in Holland sprach, wurde durch Prof. Opzoomer
ebenfalls mit Landesverweisung bedroht. Natürlich war es nicht so ernstlich
gemeint. Aber wir möchten doch die Holländer fragen, wo denn ihre hoch¬
gerühmte Freiheit bleibt bei diesem System der Einschüchterung. Abweisung
noch weiterer Verdächtigungen seines Artikels bezweckt Ihr Correspondent
nicht; er will seinen Mitbürgern nur wiederholt versichern, daß er eine An¬
nexion der Niederlande ebenso wenig wünscht, als jeder Holländer, und daß
es Unrecht ist, Jeden, der über ihre Zustände schreibt, sofort der Annexions¬
lust zu verdächtigen.*)





*) Inzwischen ist uns auch ein Separatabzug der „^VetsnsvnÄMsIMö Llagon" zuge¬
sandt worden, um uns von den „valsche voorstellingen van den onbekenden lasteraar", d. h.
unsres Correspondenten zu überzeugen. Die vier Seiten dieser angeblichen Widerlegung beste¬
hen zu einem starken Viertel aus Citaten unsres Artikels „Holland in Noth" und aus einem
deutschfeindlichen Schweizer Blatt. Der Rest ist eine Sammlung »»parlamentarischer Aus¬
drücke und Drohungen gegen unsern Korrespondenten, die aufzunehmen ein deutsches Blatt sich
nicht einmal dann verstehen würde, wenn es vorher die Flagge „wissenschaftlicher Blätter" ge¬
strichen hätte. Wenn an unsre Adresse direkt die Frage gerichtet wird, wie dieselbe Redaction,
welche Jonckbloet's Literaturgeschichte rühmend erwähnte, „nu zonder eenig Protest dese enor-
miteit kom plaathen?" so fehlt der Gegenüberstellung dieser beiden Artikel unsres Blattes eben
so sehr jedes tsrtium ooinpirrÄtionis, wie den „^etsusoQaxxelMöll ZZIiräsu" mit dem, was
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/482>, abgerufen am 26.06.2024.