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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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der Prediger Dr. A. A. Bronsveld in seiner Monatsschrift "Stimmen für
Wahrheit und Frieden/' Natürlich kann diese Schrift nicht lügen, und
die verlangte Maßregel dient zum Frieden unter den Bewohnern des Landes.
Was andere Leser als Herr Dr. Bronsveld auch aus dem Artikel "Holland
in Noth" herausgelesen haben mögen, was auch immer der Verfasser mit
deutlichen Worten gesagt hat, das steht nicht darin. In dem Artikel steht
vielmehr nur, "was die Stimme für Wahrheit und Frieden" hineinlegt; denn
sonst würde der wahrheits- und friedliebende Dr. Bronsveld sich doch wahr¬
lich nicht veranlaßt sehen, das seinen Mitbürgern zu sagen. Merkwürdig
nur und unerklärlich, daß der Haarlemer Prediger seinen Mitbürgern fast die¬
selben Vorwürfe macht, die Andere in dem Artikel der Grenzboten zu finden
glauben.

Aber Scherz bei Seite. Denn es ist traurig genug, daß sonst sehr ach¬
tenswerthe Leute -- und der Correspondent der Grenzboten will Herrn Brons¬
veld seine Achtung durchaus nicht versagen und ihm auch im Allgemeinen das
Zeugniß der größten Ehrenhaftigkeit geben -- zuweilen ihren Charakter verleug¬
nen und sich zu unüberlegten, unehrlichen Handlungen hinreißen lassen. Diese
nationale Eitelkeit, dieser Dünkel hat selbst viele der Besten des niederländi¬
schen Volkes ergriffen. Herr Bronsveld will selbst wohl die Fehler seiner
Mitbürger bekennen, aber in einer deutschen Zeitschrift diese Mängel auf¬
decken, das ist Landesverrat!). Im Auslande muß jeder von der selbst aus¬
posaunten Vollkommenheit überzeugt sein, dort muß der Holländer auf einer
Höhe stehen, die ihm erlaubt, auf den Fremden herab zu sehen. Das ist
eben das falsch begriffene Nationalitätsgefühl, worüber Ihr Korrespondent
klagt. Man läßt sich aber nicht auf eine Widerlegung des bewußten Artikels
ein; man gibt ein grundfalsches Referat, kehrt das Unterste zu oberst, und
sucht dann die Persönlichkeit des Verfassers anzugreifen und zu verdächtigen.
Das ist die gebräuchliche Tactik in der holländischen Polemik. *) Ihr Corre-
spondent wird sich deßhalb wohl hüten, seinen Namen bekannt zu machen,
nicht sowohl aus Feigheit, als aus Liebe zur Reinlichkeit, von welcher Tugend
holländische Polemik in der Regel sehr entfernt zu fein pflegt, ol-. Bronsveld
würde sich natürlich nur reinlicher Angriffswaffen bedienen, aber er wäre nicht
mächtig genug, den übrigen Janhagel vom Gebrauch seiner natürlichen An¬
griffswaffe, dem Schmutz der Gasse abzuhalten. Zudem handelt fich's ja nur
um die Sache, nicht um die Person. Jeder Unbefangene braucht nur die
holländischen Correspondenzen in den Grenzboten zu lesen, um zu wissen, daß
dieselben immer die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Niederlande ve-



-) Ganz wie in unserer radikalen und particularist-schen Presse, Herr Correspondent.
D. N.

der Prediger Dr. A. A. Bronsveld in seiner Monatsschrift „Stimmen für
Wahrheit und Frieden/' Natürlich kann diese Schrift nicht lügen, und
die verlangte Maßregel dient zum Frieden unter den Bewohnern des Landes.
Was andere Leser als Herr Dr. Bronsveld auch aus dem Artikel „Holland
in Noth" herausgelesen haben mögen, was auch immer der Verfasser mit
deutlichen Worten gesagt hat, das steht nicht darin. In dem Artikel steht
vielmehr nur, „was die Stimme für Wahrheit und Frieden" hineinlegt; denn
sonst würde der wahrheits- und friedliebende Dr. Bronsveld sich doch wahr¬
lich nicht veranlaßt sehen, das seinen Mitbürgern zu sagen. Merkwürdig
nur und unerklärlich, daß der Haarlemer Prediger seinen Mitbürgern fast die¬
selben Vorwürfe macht, die Andere in dem Artikel der Grenzboten zu finden
glauben.

Aber Scherz bei Seite. Denn es ist traurig genug, daß sonst sehr ach¬
tenswerthe Leute — und der Correspondent der Grenzboten will Herrn Brons¬
veld seine Achtung durchaus nicht versagen und ihm auch im Allgemeinen das
Zeugniß der größten Ehrenhaftigkeit geben — zuweilen ihren Charakter verleug¬
nen und sich zu unüberlegten, unehrlichen Handlungen hinreißen lassen. Diese
nationale Eitelkeit, dieser Dünkel hat selbst viele der Besten des niederländi¬
schen Volkes ergriffen. Herr Bronsveld will selbst wohl die Fehler seiner
Mitbürger bekennen, aber in einer deutschen Zeitschrift diese Mängel auf¬
decken, das ist Landesverrat!). Im Auslande muß jeder von der selbst aus¬
posaunten Vollkommenheit überzeugt sein, dort muß der Holländer auf einer
Höhe stehen, die ihm erlaubt, auf den Fremden herab zu sehen. Das ist
eben das falsch begriffene Nationalitätsgefühl, worüber Ihr Korrespondent
klagt. Man läßt sich aber nicht auf eine Widerlegung des bewußten Artikels
ein; man gibt ein grundfalsches Referat, kehrt das Unterste zu oberst, und
sucht dann die Persönlichkeit des Verfassers anzugreifen und zu verdächtigen.
Das ist die gebräuchliche Tactik in der holländischen Polemik. *) Ihr Corre-
spondent wird sich deßhalb wohl hüten, seinen Namen bekannt zu machen,
nicht sowohl aus Feigheit, als aus Liebe zur Reinlichkeit, von welcher Tugend
holländische Polemik in der Regel sehr entfernt zu fein pflegt, ol-. Bronsveld
würde sich natürlich nur reinlicher Angriffswaffen bedienen, aber er wäre nicht
mächtig genug, den übrigen Janhagel vom Gebrauch seiner natürlichen An¬
griffswaffe, dem Schmutz der Gasse abzuhalten. Zudem handelt fich's ja nur
um die Sache, nicht um die Person. Jeder Unbefangene braucht nur die
holländischen Correspondenzen in den Grenzboten zu lesen, um zu wissen, daß
dieselben immer die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Niederlande ve-



-) Ganz wie in unserer radikalen und particularist-schen Presse, Herr Correspondent.
D. N.
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[0481] der Prediger Dr. A. A. Bronsveld in seiner Monatsschrift „Stimmen für Wahrheit und Frieden/' Natürlich kann diese Schrift nicht lügen, und die verlangte Maßregel dient zum Frieden unter den Bewohnern des Landes. Was andere Leser als Herr Dr. Bronsveld auch aus dem Artikel „Holland in Noth" herausgelesen haben mögen, was auch immer der Verfasser mit deutlichen Worten gesagt hat, das steht nicht darin. In dem Artikel steht vielmehr nur, „was die Stimme für Wahrheit und Frieden" hineinlegt; denn sonst würde der wahrheits- und friedliebende Dr. Bronsveld sich doch wahr¬ lich nicht veranlaßt sehen, das seinen Mitbürgern zu sagen. Merkwürdig nur und unerklärlich, daß der Haarlemer Prediger seinen Mitbürgern fast die¬ selben Vorwürfe macht, die Andere in dem Artikel der Grenzboten zu finden glauben. Aber Scherz bei Seite. Denn es ist traurig genug, daß sonst sehr ach¬ tenswerthe Leute — und der Correspondent der Grenzboten will Herrn Brons¬ veld seine Achtung durchaus nicht versagen und ihm auch im Allgemeinen das Zeugniß der größten Ehrenhaftigkeit geben — zuweilen ihren Charakter verleug¬ nen und sich zu unüberlegten, unehrlichen Handlungen hinreißen lassen. Diese nationale Eitelkeit, dieser Dünkel hat selbst viele der Besten des niederländi¬ schen Volkes ergriffen. Herr Bronsveld will selbst wohl die Fehler seiner Mitbürger bekennen, aber in einer deutschen Zeitschrift diese Mängel auf¬ decken, das ist Landesverrat!). Im Auslande muß jeder von der selbst aus¬ posaunten Vollkommenheit überzeugt sein, dort muß der Holländer auf einer Höhe stehen, die ihm erlaubt, auf den Fremden herab zu sehen. Das ist eben das falsch begriffene Nationalitätsgefühl, worüber Ihr Korrespondent klagt. Man läßt sich aber nicht auf eine Widerlegung des bewußten Artikels ein; man gibt ein grundfalsches Referat, kehrt das Unterste zu oberst, und sucht dann die Persönlichkeit des Verfassers anzugreifen und zu verdächtigen. Das ist die gebräuchliche Tactik in der holländischen Polemik. *) Ihr Corre- spondent wird sich deßhalb wohl hüten, seinen Namen bekannt zu machen, nicht sowohl aus Feigheit, als aus Liebe zur Reinlichkeit, von welcher Tugend holländische Polemik in der Regel sehr entfernt zu fein pflegt, ol-. Bronsveld würde sich natürlich nur reinlicher Angriffswaffen bedienen, aber er wäre nicht mächtig genug, den übrigen Janhagel vom Gebrauch seiner natürlichen An¬ griffswaffe, dem Schmutz der Gasse abzuhalten. Zudem handelt fich's ja nur um die Sache, nicht um die Person. Jeder Unbefangene braucht nur die holländischen Correspondenzen in den Grenzboten zu lesen, um zu wissen, daß dieselben immer die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Niederlande ve- -) Ganz wie in unserer radikalen und particularist-schen Presse, Herr Correspondent. D. N.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/481>, abgerufen am 26.06.2024.