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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Natur zu deuten, und dazu flüstert er kurz und leise "Oberon!" -- Giebt
es liebliche kleine Bilder aus der Welt des Schaffens großer Künstler, das ist
wahrlich ein solches. Dem feinsinnigen. Lauscher haben sich vielleicht die ersten
Umrisse seines wunderbaren Elfenchores im Oberon in diesem Momente
erschlossen; in ihm keimten vielleicht die Klänge zu den Worten dieses Chors
"Jagt die wirre Mücke fort, laßt die Bien' nicht summen dort! Auf der
Lilien Lager liegt Oberon in Traum gewiegt"; denn die wahre Künstlerseele
ist es, die die Beobachtung in das Kunstwerk verwandelt.

(Schluß folgt.)




Aus Kossand.

Die Grenzboten müssen sich einen andern holländischen Korrespondenten
anschaffen und von ihrem bisherigen Haarlemer Bekannten keinen Artikel mehr
drucken, wollen sie nicht ihre Abonnenten in den Niederlanden verlieren, oder
sich der Gefahr aussetzen, an der Grenze in Beschlag genommen zu werden.
Ihr Correspondent wird mit Landesverweisung bedroht, und er wird ganz
sicher per Schub über die preußische Grenze gesetzt werden, wenn er noch ein¬
mal wagt, einen Artikel wie sein "Holland in Noth" zu schreiben. Nur
schlimm, daß man seine Person nicht kennt; man könnte ihn sonst besser zur
Verantwortung ziehen; aber er versteckt sich jetzt, und deßhalb kann man ihn
nicht mit Schmutz beweisen. Damit die Grenzboten aber wissen, welches
Verbrechen ihr Correspondent begangen hat, so sei ihnen gesagt, daß er die
Niederlande mit Allem, was dazu gehört, für todt erklärt, und die Deutschen
zur Annexion des Landes aufgefordert hat. In dem alten Haarlem, das so
viele Traditionen der frühern Größe besitzt, wo noch so viele Denkmäler die¬
ser schönen Vergangenheit sind, z. B. die Glöckchen, die allabendlich läuten
zur Erinnerung an die Erstürmung von Damiette, wo eben diese Glocken
von den Muselmännern, die bekanntlich keine Glocken haben, erbeutet wur¬
den, -- das Denkmal Lorenz Janssohn Coster's, der mythischen, wenigstens
historisch sehr zweifelhaften Person, welche die Buchdruckerkunst um's Jahr
1423 erfunden haben soll, -- in diesem Haarlem wohnt der Bösewicht, der
von jedem richtigen Holländer verabscheut werden muß; der selbst wagte,
Herrn Groen van Prinsterer anzugreifen und sogar schuld ist, daß der Setzer
der Grenzboten diesen Namen nicht richtig gelesen hat. Ein solcher Uebel¬
thäter muß natürlich zum Lande hinausgejagt werden. Das sagt wenigstens


Natur zu deuten, und dazu flüstert er kurz und leise „Oberon!" — Giebt
es liebliche kleine Bilder aus der Welt des Schaffens großer Künstler, das ist
wahrlich ein solches. Dem feinsinnigen. Lauscher haben sich vielleicht die ersten
Umrisse seines wunderbaren Elfenchores im Oberon in diesem Momente
erschlossen; in ihm keimten vielleicht die Klänge zu den Worten dieses Chors
„Jagt die wirre Mücke fort, laßt die Bien' nicht summen dort! Auf der
Lilien Lager liegt Oberon in Traum gewiegt"; denn die wahre Künstlerseele
ist es, die die Beobachtung in das Kunstwerk verwandelt.

(Schluß folgt.)




Aus Kossand.

Die Grenzboten müssen sich einen andern holländischen Korrespondenten
anschaffen und von ihrem bisherigen Haarlemer Bekannten keinen Artikel mehr
drucken, wollen sie nicht ihre Abonnenten in den Niederlanden verlieren, oder
sich der Gefahr aussetzen, an der Grenze in Beschlag genommen zu werden.
Ihr Correspondent wird mit Landesverweisung bedroht, und er wird ganz
sicher per Schub über die preußische Grenze gesetzt werden, wenn er noch ein¬
mal wagt, einen Artikel wie sein „Holland in Noth" zu schreiben. Nur
schlimm, daß man seine Person nicht kennt; man könnte ihn sonst besser zur
Verantwortung ziehen; aber er versteckt sich jetzt, und deßhalb kann man ihn
nicht mit Schmutz beweisen. Damit die Grenzboten aber wissen, welches
Verbrechen ihr Correspondent begangen hat, so sei ihnen gesagt, daß er die
Niederlande mit Allem, was dazu gehört, für todt erklärt, und die Deutschen
zur Annexion des Landes aufgefordert hat. In dem alten Haarlem, das so
viele Traditionen der frühern Größe besitzt, wo noch so viele Denkmäler die¬
ser schönen Vergangenheit sind, z. B. die Glöckchen, die allabendlich läuten
zur Erinnerung an die Erstürmung von Damiette, wo eben diese Glocken
von den Muselmännern, die bekanntlich keine Glocken haben, erbeutet wur¬
den, — das Denkmal Lorenz Janssohn Coster's, der mythischen, wenigstens
historisch sehr zweifelhaften Person, welche die Buchdruckerkunst um's Jahr
1423 erfunden haben soll, — in diesem Haarlem wohnt der Bösewicht, der
von jedem richtigen Holländer verabscheut werden muß; der selbst wagte,
Herrn Groen van Prinsterer anzugreifen und sogar schuld ist, daß der Setzer
der Grenzboten diesen Namen nicht richtig gelesen hat. Ein solcher Uebel¬
thäter muß natürlich zum Lande hinausgejagt werden. Das sagt wenigstens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/480>, abgerufen am 26.06.2024.