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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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und die sehr reizende Arie der Letzteren müssen nothwendig wegfallen, damit
das Quartett unverzüglich folgen kann; so auch der Chor der Seeräuber;
dagegen füllen wir die Zeit, welche wir durch diese Kürzung gewinnen, durch
ein Duett zwischen Huon und Rezia am besten aus, da das Fehlen eines
solchen Stückes sehr bedauert werden würde und die Scene auf der öden
Küste den passendsten Schauplatz dafür bietet. Zwar empört sich mein musi¬
kalisches Gefühl dagegen, daß der Moment, wo das liebende Paar sich findet"
(2. Scene des 2. Acts) "ohne Töne vorübergehen soll; allein -- die Oper
erscheint mir schon zu lang. Nun wünsche ich noch eine komische Arie für
Scherasmin, wenn er das Horn entdeckt, in welche Fatime ihre Klagen mischt
und welche so durch einen Contrast die Scene schließt. -- Mein werther Herr,
was würden wir nicht hervorbringen, wenn wir in Einer Stadt lebten! --
Noch bitte ich zu beobachten, daß der Componist auf den Ausdruck des Ge¬
fühls mehr giebt, als auf bildliche Redeweise; den ersten mag er entwickeln in
allen seinen Abstufungen, aber Verse wie: ,wie der Tropfen in der Tulpe
thaugetränktem Liebesschooß' oder in Huon's Gesang: ,wie Hoffnungen schnell
erblassen, falsche Freunde uns verlassen, wenn die Sonne des Glücks uns ver¬
läßt, dürfen nur einmal gesagt werden. Sie sehen, daß ich mit Ihnen rede
wie mit einem alten Bekannten, und ich hoffe wenigstens, daß Sie meine
Worte-so aufnehmen werden." -- Am L. Dec, schreibt W. ferner: "Ich kann
Ihnen nun Bericht über unsren Oberon abstatten. Zwei Acte sind beendigt.
Der erste ist vollständig geblieben, wie Sie ihn geschrieben haben, und auch
im 2. Act habe ich Ihren Wunsch erfüllt und .Arabiens einsam Kind' noch com-
ponirt. .Arabien, mein Heimathland' hätte ich gern dafür herausgelassen;
aber dieser Gesang soll uns nicht entzweien. Ich werde ihn zuerst vornehmen,
wenn ich in England bin. Das Duett zwischen Rezia und Huon, welches
Sie die Güte gehabt haben, mir zu schicken, habe ich nicht in Musik gesetzt,
weil, so schön es ist, es doch in dieser Situation nicht wirksam sein kann.
Die übrigen kleinen Veränderungen, welche ich mir erlaubt, hoffe ich, werden
von Ihnen gebilligt werden." -- Planche's vollständige Dichtung wurde mit
beigegebenen Bildniß W's, in einem besonderen Bändchen in London bei
Hunt und Clarke 1826 gedruckt. Th. Hell in Dresden vollzog die deutsche
Uebersetzung, sedoch erst nach der Composition W.'s auf den englischen
Worten. Letzterer versah Th. Hell's Arbeit schließlich mit mehrfachen Aende¬
rungen; es zeigt dieselben das Manuscript des Clavier-Auszuges, welches W.
ur Text-Unterlage an den Uebersetzer gesendet und dann zur Durchsicht wieder
zurück erhalten hatte. Diese Hellsehe Uebersetzung ist von einem Anonymus
wiederum in's Englische zurück übertragen (s. unten: Aufführungen; London). --
Eine italienische Uebersetzung der componirter Stücke erschien mit dem
Clavier-Auszuge der Oper zu Paris bei Brandus und Dufour, eine andere


und die sehr reizende Arie der Letzteren müssen nothwendig wegfallen, damit
das Quartett unverzüglich folgen kann; so auch der Chor der Seeräuber;
dagegen füllen wir die Zeit, welche wir durch diese Kürzung gewinnen, durch
ein Duett zwischen Huon und Rezia am besten aus, da das Fehlen eines
solchen Stückes sehr bedauert werden würde und die Scene auf der öden
Küste den passendsten Schauplatz dafür bietet. Zwar empört sich mein musi¬
kalisches Gefühl dagegen, daß der Moment, wo das liebende Paar sich findet"
(2. Scene des 2. Acts) „ohne Töne vorübergehen soll; allein — die Oper
erscheint mir schon zu lang. Nun wünsche ich noch eine komische Arie für
Scherasmin, wenn er das Horn entdeckt, in welche Fatime ihre Klagen mischt
und welche so durch einen Contrast die Scene schließt. — Mein werther Herr,
was würden wir nicht hervorbringen, wenn wir in Einer Stadt lebten! —
Noch bitte ich zu beobachten, daß der Componist auf den Ausdruck des Ge¬
fühls mehr giebt, als auf bildliche Redeweise; den ersten mag er entwickeln in
allen seinen Abstufungen, aber Verse wie: ,wie der Tropfen in der Tulpe
thaugetränktem Liebesschooß' oder in Huon's Gesang: ,wie Hoffnungen schnell
erblassen, falsche Freunde uns verlassen, wenn die Sonne des Glücks uns ver¬
läßt, dürfen nur einmal gesagt werden. Sie sehen, daß ich mit Ihnen rede
wie mit einem alten Bekannten, und ich hoffe wenigstens, daß Sie meine
Worte-so aufnehmen werden." — Am L. Dec, schreibt W. ferner: „Ich kann
Ihnen nun Bericht über unsren Oberon abstatten. Zwei Acte sind beendigt.
Der erste ist vollständig geblieben, wie Sie ihn geschrieben haben, und auch
im 2. Act habe ich Ihren Wunsch erfüllt und .Arabiens einsam Kind' noch com-
ponirt. .Arabien, mein Heimathland' hätte ich gern dafür herausgelassen;
aber dieser Gesang soll uns nicht entzweien. Ich werde ihn zuerst vornehmen,
wenn ich in England bin. Das Duett zwischen Rezia und Huon, welches
Sie die Güte gehabt haben, mir zu schicken, habe ich nicht in Musik gesetzt,
weil, so schön es ist, es doch in dieser Situation nicht wirksam sein kann.
Die übrigen kleinen Veränderungen, welche ich mir erlaubt, hoffe ich, werden
von Ihnen gebilligt werden." — Planche's vollständige Dichtung wurde mit
beigegebenen Bildniß W's, in einem besonderen Bändchen in London bei
Hunt und Clarke 1826 gedruckt. Th. Hell in Dresden vollzog die deutsche
Uebersetzung, sedoch erst nach der Composition W.'s auf den englischen
Worten. Letzterer versah Th. Hell's Arbeit schließlich mit mehrfachen Aende¬
rungen; es zeigt dieselben das Manuscript des Clavier-Auszuges, welches W.
ur Text-Unterlage an den Uebersetzer gesendet und dann zur Durchsicht wieder
zurück erhalten hatte. Diese Hellsehe Uebersetzung ist von einem Anonymus
wiederum in's Englische zurück übertragen (s. unten: Aufführungen; London). —
Eine italienische Uebersetzung der componirter Stücke erschien mit dem
Clavier-Auszuge der Oper zu Paris bei Brandus und Dufour, eine andere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/472>, abgerufen am 22.07.2024.