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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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die Hessische Ludwigsbahn, die Rheinische Eisenbahn und die Belgischen Bahnen
betheiligt sind. Insbesondere verursachte die Frage wegen Gestellung der
Ertrazüge -- bei verfehlten Anschlüssen :c. -- vielfache Erörterungen und
Umstände, ohne daß eine feste Regel vereinbart wurde. In Frankreich ist
dieser Punkt derartig geordnet, daß zur Beförderung der Ueberlandpost die
erforderlichen Ertrazüge unbedingt gestellt werden.

Die norddeutsche PostVerwaltung nahm den obschwebenden Fragen gegen¬
über einen durchaus würdigen nationalen Standpunkt ein. Im Gegensatze
zu den hervorgetretenen Sonderbestrebungen wollte sie namentlich Baden und
Württemberg von den Vortheilen der großen internationalen Verbindung
nicht ausgeschlossen sehen; sie entschied sich deshalb im Princip für die Route
Heidelberg-Stuttgart-Ulm, betrieb nachdrücklich die Herstellung directer Schnell¬
zuge auf der ganzen Linie Ostende-Brindist und übernahm vor Allem Eng¬
land gegenüber die Vertretung sämmtlicher betheiligten deutschen Staaten,
sowie Oestreichs. Italien war ebenfalls nicht müssig geblieben; in richtiger
Erkenntniß der Wichtigkeit des Transits für Indien hatte es die Eisenbahn¬
verbindung Verona-(Ala)-Brindisi erheblich vervollkommnet und namentlich
durch Verbesserung der Hafenanlagen in Brindist wichtige Verkehrserleichte¬
rungen geschaffen. Die Ausbaggerung des Hafens wurde soweit gefördert,
das; die Schiffe unmittelbar an dem neuerbauten schönen Quai anlegen
konnten; außerdem hatte man einen directen Schienenweg zwischen dem Bahn¬
hofe "und dem Hafen hergestellt. Die Anlagen sollen über 7 Millionen Francs
gekostet haben. Das Sarnath-, Zoll- und Paßwesen wurde aller lästigen For¬
malitäten entkleidet und den Bedürfnissen eines großartigen Verkehrs ange¬
paßt; ja die Fürsorge der Italienischen Regierung erstreckte sich sogar auf die
Einrichtung confortabler großer Hotels für die Reisenden.

Inzwischen hatte die Britische Negierung in der Absicht, sich von der
Marseiller Linie durch Heranziehung eines Concurriren zu emancipiren, ge¬
legentlich der Verhandlungen wegen Revision der Vertragsbestimmungen für
den Postverkehr zwischen Deutschland und Großbritannien Versuche gemacht,
sich das Recht des Transits für die Ostindische und Australische Post durch
Deutschland vertragsmäßig zu sichern. England verlangte insbesondere die
Höhe der Transportvergütung in dem Vertrage festgestellt zu sehen. Aus
diesem Anlasse nahm die norddeutsche PostVerwaltung die Verhandlungen mit
Süddeutschland und Oestreich wegen des Indischen Posttransits von Neuem
auf und es gelang, auf der Basis der von dem General-Postamts in Berlin
gemachten Vorschläge eine feste Vereinbarung für die Bezahlung der Trans¬
portleistungen zu erzielen, auch einen höchst einfachen moclus prococienäi für
das Rechnungswesen festzustellen, -- Grundlagen, welche ermöglichten, daß
in der Postconventivn zwischen dem Norddeutschen Bunde und Großbritannien


die Hessische Ludwigsbahn, die Rheinische Eisenbahn und die Belgischen Bahnen
betheiligt sind. Insbesondere verursachte die Frage wegen Gestellung der
Ertrazüge — bei verfehlten Anschlüssen :c. — vielfache Erörterungen und
Umstände, ohne daß eine feste Regel vereinbart wurde. In Frankreich ist
dieser Punkt derartig geordnet, daß zur Beförderung der Ueberlandpost die
erforderlichen Ertrazüge unbedingt gestellt werden.

Die norddeutsche PostVerwaltung nahm den obschwebenden Fragen gegen¬
über einen durchaus würdigen nationalen Standpunkt ein. Im Gegensatze
zu den hervorgetretenen Sonderbestrebungen wollte sie namentlich Baden und
Württemberg von den Vortheilen der großen internationalen Verbindung
nicht ausgeschlossen sehen; sie entschied sich deshalb im Princip für die Route
Heidelberg-Stuttgart-Ulm, betrieb nachdrücklich die Herstellung directer Schnell¬
zuge auf der ganzen Linie Ostende-Brindist und übernahm vor Allem Eng¬
land gegenüber die Vertretung sämmtlicher betheiligten deutschen Staaten,
sowie Oestreichs. Italien war ebenfalls nicht müssig geblieben; in richtiger
Erkenntniß der Wichtigkeit des Transits für Indien hatte es die Eisenbahn¬
verbindung Verona-(Ala)-Brindisi erheblich vervollkommnet und namentlich
durch Verbesserung der Hafenanlagen in Brindist wichtige Verkehrserleichte¬
rungen geschaffen. Die Ausbaggerung des Hafens wurde soweit gefördert,
das; die Schiffe unmittelbar an dem neuerbauten schönen Quai anlegen
konnten; außerdem hatte man einen directen Schienenweg zwischen dem Bahn¬
hofe "und dem Hafen hergestellt. Die Anlagen sollen über 7 Millionen Francs
gekostet haben. Das Sarnath-, Zoll- und Paßwesen wurde aller lästigen For¬
malitäten entkleidet und den Bedürfnissen eines großartigen Verkehrs ange¬
paßt; ja die Fürsorge der Italienischen Regierung erstreckte sich sogar auf die
Einrichtung confortabler großer Hotels für die Reisenden.

Inzwischen hatte die Britische Negierung in der Absicht, sich von der
Marseiller Linie durch Heranziehung eines Concurriren zu emancipiren, ge¬
legentlich der Verhandlungen wegen Revision der Vertragsbestimmungen für
den Postverkehr zwischen Deutschland und Großbritannien Versuche gemacht,
sich das Recht des Transits für die Ostindische und Australische Post durch
Deutschland vertragsmäßig zu sichern. England verlangte insbesondere die
Höhe der Transportvergütung in dem Vertrage festgestellt zu sehen. Aus
diesem Anlasse nahm die norddeutsche PostVerwaltung die Verhandlungen mit
Süddeutschland und Oestreich wegen des Indischen Posttransits von Neuem
auf und es gelang, auf der Basis der von dem General-Postamts in Berlin
gemachten Vorschläge eine feste Vereinbarung für die Bezahlung der Trans¬
portleistungen zu erzielen, auch einen höchst einfachen moclus prococienäi für
das Rechnungswesen festzustellen, — Grundlagen, welche ermöglichten, daß
in der Postconventivn zwischen dem Norddeutschen Bunde und Großbritannien


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[0427] die Hessische Ludwigsbahn, die Rheinische Eisenbahn und die Belgischen Bahnen betheiligt sind. Insbesondere verursachte die Frage wegen Gestellung der Ertrazüge — bei verfehlten Anschlüssen :c. — vielfache Erörterungen und Umstände, ohne daß eine feste Regel vereinbart wurde. In Frankreich ist dieser Punkt derartig geordnet, daß zur Beförderung der Ueberlandpost die erforderlichen Ertrazüge unbedingt gestellt werden. Die norddeutsche PostVerwaltung nahm den obschwebenden Fragen gegen¬ über einen durchaus würdigen nationalen Standpunkt ein. Im Gegensatze zu den hervorgetretenen Sonderbestrebungen wollte sie namentlich Baden und Württemberg von den Vortheilen der großen internationalen Verbindung nicht ausgeschlossen sehen; sie entschied sich deshalb im Princip für die Route Heidelberg-Stuttgart-Ulm, betrieb nachdrücklich die Herstellung directer Schnell¬ zuge auf der ganzen Linie Ostende-Brindist und übernahm vor Allem Eng¬ land gegenüber die Vertretung sämmtlicher betheiligten deutschen Staaten, sowie Oestreichs. Italien war ebenfalls nicht müssig geblieben; in richtiger Erkenntniß der Wichtigkeit des Transits für Indien hatte es die Eisenbahn¬ verbindung Verona-(Ala)-Brindisi erheblich vervollkommnet und namentlich durch Verbesserung der Hafenanlagen in Brindist wichtige Verkehrserleichte¬ rungen geschaffen. Die Ausbaggerung des Hafens wurde soweit gefördert, das; die Schiffe unmittelbar an dem neuerbauten schönen Quai anlegen konnten; außerdem hatte man einen directen Schienenweg zwischen dem Bahn¬ hofe "und dem Hafen hergestellt. Die Anlagen sollen über 7 Millionen Francs gekostet haben. Das Sarnath-, Zoll- und Paßwesen wurde aller lästigen For¬ malitäten entkleidet und den Bedürfnissen eines großartigen Verkehrs ange¬ paßt; ja die Fürsorge der Italienischen Regierung erstreckte sich sogar auf die Einrichtung confortabler großer Hotels für die Reisenden. Inzwischen hatte die Britische Negierung in der Absicht, sich von der Marseiller Linie durch Heranziehung eines Concurriren zu emancipiren, ge¬ legentlich der Verhandlungen wegen Revision der Vertragsbestimmungen für den Postverkehr zwischen Deutschland und Großbritannien Versuche gemacht, sich das Recht des Transits für die Ostindische und Australische Post durch Deutschland vertragsmäßig zu sichern. England verlangte insbesondere die Höhe der Transportvergütung in dem Vertrage festgestellt zu sehen. Aus diesem Anlasse nahm die norddeutsche PostVerwaltung die Verhandlungen mit Süddeutschland und Oestreich wegen des Indischen Posttransits von Neuem auf und es gelang, auf der Basis der von dem General-Postamts in Berlin gemachten Vorschläge eine feste Vereinbarung für die Bezahlung der Trans¬ portleistungen zu erzielen, auch einen höchst einfachen moclus prococienäi für das Rechnungswesen festzustellen, — Grundlagen, welche ermöglichten, daß in der Postconventivn zwischen dem Norddeutschen Bunde und Großbritannien

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/427>, abgerufen am 23.07.2024.