Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.eene Persönlichkeit des Herrn Muster hatte diesmal eine Serie von An¬ Auch gegen den Gesetzentwurf hinsichtlich der evangelischen Kirchen im Immerhin auch, wenn man in dem Entwurf nicht die volle Ausführung eene Persönlichkeit des Herrn Muster hatte diesmal eine Serie von An¬ Auch gegen den Gesetzentwurf hinsichtlich der evangelischen Kirchen im Immerhin auch, wenn man in dem Entwurf nicht die volle Ausführung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0390" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125634"/> <p xml:id="ID_1357" prev="#ID_1356"> eene Persönlichkeit des Herrn Muster hatte diesmal eine Serie von An¬<lb/> griffen aus den Reihen ihrer bisherigen Freunde zu erdulden. Altconserva-<lb/> tive und Klerikale vereinigten sich im Abgeordnetenhause, um die Vorlage<lb/> des Ministers, betreffend die hannöversche Schulverwaltung, zu bekämpfen;<lb/> und nachdem trotz der fulminanten Reden von Windthorst. Brück und Strosser<lb/> die zweite Kammer sich einverstanden mit den Regierungsplänen erklärt hatte,<lb/> mußte „unser Minister", wie vor sechs Wochen 'die Kreuzzeitungspartei den<lb/> Leiter des preußischen Unterrichtswesens triumphirend bezeichnet hatte („ma-<lb/> Aistsr noster", heißt es in den üpistolAg vdscurnrum virorum) den Schmerz<lb/> erleben, daß seine Vorlage im Herrenhaus feierlich abgelehnt wurde. Für<lb/> die Tendenzen unserer altconservativen Elemente ist dies Auftreten recht be¬<lb/> zeichnend; daß aber jene Kräfte den Namen der „neupreußischen" Partei ver¬<lb/> dienen, welchen sie in den elenden Tagen von Olmütz sich selber beilegten, '<lb/> haben sie durch ihre dem ruhmreichen altpreußischen Wesen direct entgegen¬<lb/> laufenden unnationalen und antifridericianiscken Reden und Abstimmungen<lb/> deutlich bewiesen. Vergebens zeigte der Minister selbst, daß in seinem Gesetz<lb/> nichts anderes beabsichtigt werde, als das Uebertragen einer Einrichtung, durch<lb/> welche der preußische Staat von den Zeiten Friedrich Wilhelm's I. ab groß<lb/> und anerkannt musterhaft geworden sei, auf das seit länger denn vier Jahren<lb/> mit uns vereinigte Hannover; unsere „Herren" schenkten — die Zukunft wird<lb/> ja zeigen, ob es politisch von ihnen war — den Gründen eines ehemaligen<lb/> hannoverischen Premierministers von traurigsten Andenken mehr Gehör als<lb/> der Stimme des königlich preußischen Oberpräsidenten der annectirten Pro¬<lb/> vinz, und kennzeichneten sich hierdurch instinctiv als solidarisch mit jener<lb/> Welfenpartei, die auch heute noch ihre reactionären Intriguen weiterspinnt.<lb/> Und doch sollte nach dem Gesetzentwurf den Consistorien, die bisher den<lb/> Volksunterricht des ehemaligen niedersächsischen Königreichs leiteten, ihre Zu¬<lb/> ständigkeit in Betreff der Religionslehrstunden verbleiben; die Verwaltung des<lb/> Schulvermögens, die Anstellung, Versetzung und Disciplinirung der Leh¬<lb/> rer, was Alles in Rücksicht auf katholische Anstalten einschränkungslos in<lb/> den Händen der Bischöfe liegt, sollte auf den Staat übergehen, in Ge¬<lb/> mäßheit nicht allein zur preußischen Verfassung, sondern auch zu einem aus¬<lb/> gesprochenen Princip des früheren hannöverschen Staatsgrundgesetzes.</p><lb/> <p xml:id="ID_1358"> Auch gegen den Gesetzentwurf hinsichtlich der evangelischen Kirchen im<lb/> Regierungsbezirk Kassel erhoben sich die Feinde des modernen Staats. Ihr<lb/> Organ war wiederum der nicht eben wohltönende Mund des Abgeordneten<lb/> Strosser, eines älteren preußischen Staatsbeamten, der sich nicht scheut, die<lb/> Tendenzen der Vilmar-Hassenpflug'schen Coterie für die seinigen zu erklären.<lb/> Die beabsichtigte Presbyterial- und Synodalordnung für das Gebiet des ver¬<lb/> flossenen Kurfürstenthums war von einer aus Laien und Geistlichen zusam¬<lb/> mengesetzten Vorsynode berathen und gutgeheißen; jetzt mußte sie, insofern es<lb/> sich um Scheidung der kirchlichen und staatlichen Zuständigkeit handelt, der<lb/> preußischen Gesetzgebung zur Prüfung und Beistimmung vorgelegt werden.<lb/> Und wie wenig wurde von den orthodox-conservativen Elementen unserer Le¬<lb/> gislative verlangt! ging es doch nur darum, der absolutistischen Consistonal-<lb/> herrschaft in den seit Hassenpflug so gründlich verfahrenen hessischen Kirchen¬<lb/> verhältnissen ein Ende zu machen und dem sonst von jenen Kreisen so stark<lb/> betonten korporativen Einfluß, welchen die Gemeinden ausüben sollen, Gel¬<lb/> tung zu verschaffen. Allein auch von Seite der entschiedenen Liberalen wurde<lb/> das projectirte Gesetz als nicht weitgehend genug angegriffen, und so fiel es<lb/> denn schon im Abgeordnetenhause durch eine Coalition der Extreme.</p><lb/> <p xml:id="ID_1359" next="#ID_1360"> Immerhin auch, wenn man in dem Entwurf nicht die volle Ausführung</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0390]
eene Persönlichkeit des Herrn Muster hatte diesmal eine Serie von An¬
griffen aus den Reihen ihrer bisherigen Freunde zu erdulden. Altconserva-
tive und Klerikale vereinigten sich im Abgeordnetenhause, um die Vorlage
des Ministers, betreffend die hannöversche Schulverwaltung, zu bekämpfen;
und nachdem trotz der fulminanten Reden von Windthorst. Brück und Strosser
die zweite Kammer sich einverstanden mit den Regierungsplänen erklärt hatte,
mußte „unser Minister", wie vor sechs Wochen 'die Kreuzzeitungspartei den
Leiter des preußischen Unterrichtswesens triumphirend bezeichnet hatte („ma-
Aistsr noster", heißt es in den üpistolAg vdscurnrum virorum) den Schmerz
erleben, daß seine Vorlage im Herrenhaus feierlich abgelehnt wurde. Für
die Tendenzen unserer altconservativen Elemente ist dies Auftreten recht be¬
zeichnend; daß aber jene Kräfte den Namen der „neupreußischen" Partei ver¬
dienen, welchen sie in den elenden Tagen von Olmütz sich selber beilegten, '
haben sie durch ihre dem ruhmreichen altpreußischen Wesen direct entgegen¬
laufenden unnationalen und antifridericianiscken Reden und Abstimmungen
deutlich bewiesen. Vergebens zeigte der Minister selbst, daß in seinem Gesetz
nichts anderes beabsichtigt werde, als das Uebertragen einer Einrichtung, durch
welche der preußische Staat von den Zeiten Friedrich Wilhelm's I. ab groß
und anerkannt musterhaft geworden sei, auf das seit länger denn vier Jahren
mit uns vereinigte Hannover; unsere „Herren" schenkten — die Zukunft wird
ja zeigen, ob es politisch von ihnen war — den Gründen eines ehemaligen
hannoverischen Premierministers von traurigsten Andenken mehr Gehör als
der Stimme des königlich preußischen Oberpräsidenten der annectirten Pro¬
vinz, und kennzeichneten sich hierdurch instinctiv als solidarisch mit jener
Welfenpartei, die auch heute noch ihre reactionären Intriguen weiterspinnt.
Und doch sollte nach dem Gesetzentwurf den Consistorien, die bisher den
Volksunterricht des ehemaligen niedersächsischen Königreichs leiteten, ihre Zu¬
ständigkeit in Betreff der Religionslehrstunden verbleiben; die Verwaltung des
Schulvermögens, die Anstellung, Versetzung und Disciplinirung der Leh¬
rer, was Alles in Rücksicht auf katholische Anstalten einschränkungslos in
den Händen der Bischöfe liegt, sollte auf den Staat übergehen, in Ge¬
mäßheit nicht allein zur preußischen Verfassung, sondern auch zu einem aus¬
gesprochenen Princip des früheren hannöverschen Staatsgrundgesetzes.
Auch gegen den Gesetzentwurf hinsichtlich der evangelischen Kirchen im
Regierungsbezirk Kassel erhoben sich die Feinde des modernen Staats. Ihr
Organ war wiederum der nicht eben wohltönende Mund des Abgeordneten
Strosser, eines älteren preußischen Staatsbeamten, der sich nicht scheut, die
Tendenzen der Vilmar-Hassenpflug'schen Coterie für die seinigen zu erklären.
Die beabsichtigte Presbyterial- und Synodalordnung für das Gebiet des ver¬
flossenen Kurfürstenthums war von einer aus Laien und Geistlichen zusam¬
mengesetzten Vorsynode berathen und gutgeheißen; jetzt mußte sie, insofern es
sich um Scheidung der kirchlichen und staatlichen Zuständigkeit handelt, der
preußischen Gesetzgebung zur Prüfung und Beistimmung vorgelegt werden.
Und wie wenig wurde von den orthodox-conservativen Elementen unserer Le¬
gislative verlangt! ging es doch nur darum, der absolutistischen Consistonal-
herrschaft in den seit Hassenpflug so gründlich verfahrenen hessischen Kirchen¬
verhältnissen ein Ende zu machen und dem sonst von jenen Kreisen so stark
betonten korporativen Einfluß, welchen die Gemeinden ausüben sollen, Gel¬
tung zu verschaffen. Allein auch von Seite der entschiedenen Liberalen wurde
das projectirte Gesetz als nicht weitgehend genug angegriffen, und so fiel es
denn schon im Abgeordnetenhause durch eine Coalition der Extreme.
Immerhin auch, wenn man in dem Entwurf nicht die volle Ausführung
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