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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Das Aggressive wird besonders an den furchtbaren Myrmidonen
Aedilis hervorgehoben. Mit Patroklos ziehen sie aus, wie sich Wespen, von
Knaben geneckt, über den Weg ergießen. Ihre Führer sind in hastiger Be¬
wegung, kampflechzend wie Wölfe, die gefräßig und trotzig einen großen
gehörnten Hirsch im Gebirge geschmaust haben. Mit vollem Bauch, noch
blutig an der Backe, ziehen sie heerdenweise, um mit den schmalen Zungen
das dunkle Quellwasser zu schlürfen, unerzitternden Muth in der Brust.
Myrmidonen und Lykier greifen einander an wie Geier auf einem Felsen,
mit lautem Geschrei.

Die allgemeine Schlacht stellt sich am häufigsten dar als eine
Feuersbrunst, vom Sturm angefacht. Der Kranz des Krieges ist ent¬
brannt, heißt es dann. Sie kämpften wie das flammende Feuer. Nicht das
Brüllen des Meers ist so gewaltig, nicht das Krachen des Waldbrandes,
nicht das Rauschen des Sturms in den Eichen wie der Schlachtlärm.
Wie in Bergströmen fließt das Blut, wie die Schaumköpfe der sturm¬
gepeitschten Wellen, so fallen die Griechenhäupter unter Hektors Hand; wie
dichtes Schneegestöber, in das Zeus bei ruhiger Luft Alles weit und breit
einhüllt, fliegen die Steine zwischen Troern und Achäern bei Vertheidigung
des Thors; wie ein Staubwirbel im Winde dreht sich der Kampf bei den
Schiffen; wie Euros und Rolof (Ost- und Südwind) kämpfen sie gegen
einander. Als aber Patroklos die Troer über den Graben zurückwirft und
nach der Stadt zu verfolgt in wildem Getümmel, die Wagen der Troer über-
einanderstürzen, die Lenker jählings unter die Räder geschleudert werden, die
geängstigten Pferde laut im Laufe schreien: da ist es wie wenn das ganze
Land an einem herbstlichen Tage von Zeus mit einem dröhnenden Ungewitter
und Platzregen heimgesucht wird zur Strafe für krumme Richtersprüche. Alle
Flüsse treten aus, die Bäche stürzen sich viel Bäume entwurzelnd von den
Bergen hinab und verwüsten die Werke der Menschen. Oft in heißem Ringen
verfinstert sich die Luft, daß man nicht Sonne noch Mond mehr unversehrt
glauben möchte. Ist endlich der Feind vertrieben und für den Augenblick
wenigstens das Schlimmste abgewendet, so athmet man aus, wie wenn Zeus
den Nebel vom Berggipfel scheucht und Kuppen und Schluchten sichtbar wer¬
den. Auch der Sänger erholt sich, wenn auch sparsam, an idyllischen
Bildern, wenigstens da, wo die Entscheidung sich hinzieht und der Kampf
ins Stehen kommt. Da tritt der Zuschauer eine Weile zurück und betrachtet
die Scene mit ruhigerem Gemüthe aus der Entfernung. Lange wird um die
Leiche des Sarpedon gestritten. Vom Anprall der ehernen Waffen und der
Schilder erhebt sich ein Getöse wie aus der Ferne von Holzhauern in
Schluchten des Waldes. Wie Fliegen im Viehstall um gefüllte Milchtröge
surren, wenn eben gemolken ist, so das Handgemenge um jene Leiche. Die


Das Aggressive wird besonders an den furchtbaren Myrmidonen
Aedilis hervorgehoben. Mit Patroklos ziehen sie aus, wie sich Wespen, von
Knaben geneckt, über den Weg ergießen. Ihre Führer sind in hastiger Be¬
wegung, kampflechzend wie Wölfe, die gefräßig und trotzig einen großen
gehörnten Hirsch im Gebirge geschmaust haben. Mit vollem Bauch, noch
blutig an der Backe, ziehen sie heerdenweise, um mit den schmalen Zungen
das dunkle Quellwasser zu schlürfen, unerzitternden Muth in der Brust.
Myrmidonen und Lykier greifen einander an wie Geier auf einem Felsen,
mit lautem Geschrei.

Die allgemeine Schlacht stellt sich am häufigsten dar als eine
Feuersbrunst, vom Sturm angefacht. Der Kranz des Krieges ist ent¬
brannt, heißt es dann. Sie kämpften wie das flammende Feuer. Nicht das
Brüllen des Meers ist so gewaltig, nicht das Krachen des Waldbrandes,
nicht das Rauschen des Sturms in den Eichen wie der Schlachtlärm.
Wie in Bergströmen fließt das Blut, wie die Schaumköpfe der sturm¬
gepeitschten Wellen, so fallen die Griechenhäupter unter Hektors Hand; wie
dichtes Schneegestöber, in das Zeus bei ruhiger Luft Alles weit und breit
einhüllt, fliegen die Steine zwischen Troern und Achäern bei Vertheidigung
des Thors; wie ein Staubwirbel im Winde dreht sich der Kampf bei den
Schiffen; wie Euros und Rolof (Ost- und Südwind) kämpfen sie gegen
einander. Als aber Patroklos die Troer über den Graben zurückwirft und
nach der Stadt zu verfolgt in wildem Getümmel, die Wagen der Troer über-
einanderstürzen, die Lenker jählings unter die Räder geschleudert werden, die
geängstigten Pferde laut im Laufe schreien: da ist es wie wenn das ganze
Land an einem herbstlichen Tage von Zeus mit einem dröhnenden Ungewitter
und Platzregen heimgesucht wird zur Strafe für krumme Richtersprüche. Alle
Flüsse treten aus, die Bäche stürzen sich viel Bäume entwurzelnd von den
Bergen hinab und verwüsten die Werke der Menschen. Oft in heißem Ringen
verfinstert sich die Luft, daß man nicht Sonne noch Mond mehr unversehrt
glauben möchte. Ist endlich der Feind vertrieben und für den Augenblick
wenigstens das Schlimmste abgewendet, so athmet man aus, wie wenn Zeus
den Nebel vom Berggipfel scheucht und Kuppen und Schluchten sichtbar wer¬
den. Auch der Sänger erholt sich, wenn auch sparsam, an idyllischen
Bildern, wenigstens da, wo die Entscheidung sich hinzieht und der Kampf
ins Stehen kommt. Da tritt der Zuschauer eine Weile zurück und betrachtet
die Scene mit ruhigerem Gemüthe aus der Entfernung. Lange wird um die
Leiche des Sarpedon gestritten. Vom Anprall der ehernen Waffen und der
Schilder erhebt sich ein Getöse wie aus der Ferne von Holzhauern in
Schluchten des Waldes. Wie Fliegen im Viehstall um gefüllte Milchtröge
surren, wenn eben gemolken ist, so das Handgemenge um jene Leiche. Die


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[0379] Das Aggressive wird besonders an den furchtbaren Myrmidonen Aedilis hervorgehoben. Mit Patroklos ziehen sie aus, wie sich Wespen, von Knaben geneckt, über den Weg ergießen. Ihre Führer sind in hastiger Be¬ wegung, kampflechzend wie Wölfe, die gefräßig und trotzig einen großen gehörnten Hirsch im Gebirge geschmaust haben. Mit vollem Bauch, noch blutig an der Backe, ziehen sie heerdenweise, um mit den schmalen Zungen das dunkle Quellwasser zu schlürfen, unerzitternden Muth in der Brust. Myrmidonen und Lykier greifen einander an wie Geier auf einem Felsen, mit lautem Geschrei. Die allgemeine Schlacht stellt sich am häufigsten dar als eine Feuersbrunst, vom Sturm angefacht. Der Kranz des Krieges ist ent¬ brannt, heißt es dann. Sie kämpften wie das flammende Feuer. Nicht das Brüllen des Meers ist so gewaltig, nicht das Krachen des Waldbrandes, nicht das Rauschen des Sturms in den Eichen wie der Schlachtlärm. Wie in Bergströmen fließt das Blut, wie die Schaumköpfe der sturm¬ gepeitschten Wellen, so fallen die Griechenhäupter unter Hektors Hand; wie dichtes Schneegestöber, in das Zeus bei ruhiger Luft Alles weit und breit einhüllt, fliegen die Steine zwischen Troern und Achäern bei Vertheidigung des Thors; wie ein Staubwirbel im Winde dreht sich der Kampf bei den Schiffen; wie Euros und Rolof (Ost- und Südwind) kämpfen sie gegen einander. Als aber Patroklos die Troer über den Graben zurückwirft und nach der Stadt zu verfolgt in wildem Getümmel, die Wagen der Troer über- einanderstürzen, die Lenker jählings unter die Räder geschleudert werden, die geängstigten Pferde laut im Laufe schreien: da ist es wie wenn das ganze Land an einem herbstlichen Tage von Zeus mit einem dröhnenden Ungewitter und Platzregen heimgesucht wird zur Strafe für krumme Richtersprüche. Alle Flüsse treten aus, die Bäche stürzen sich viel Bäume entwurzelnd von den Bergen hinab und verwüsten die Werke der Menschen. Oft in heißem Ringen verfinstert sich die Luft, daß man nicht Sonne noch Mond mehr unversehrt glauben möchte. Ist endlich der Feind vertrieben und für den Augenblick wenigstens das Schlimmste abgewendet, so athmet man aus, wie wenn Zeus den Nebel vom Berggipfel scheucht und Kuppen und Schluchten sichtbar wer¬ den. Auch der Sänger erholt sich, wenn auch sparsam, an idyllischen Bildern, wenigstens da, wo die Entscheidung sich hinzieht und der Kampf ins Stehen kommt. Da tritt der Zuschauer eine Weile zurück und betrachtet die Scene mit ruhigerem Gemüthe aus der Entfernung. Lange wird um die Leiche des Sarpedon gestritten. Vom Anprall der ehernen Waffen und der Schilder erhebt sich ein Getöse wie aus der Ferne von Holzhauern in Schluchten des Waldes. Wie Fliegen im Viehstall um gefüllte Milchtröge surren, wenn eben gemolken ist, so das Handgemenge um jene Leiche. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/379>, abgerufen am 26.06.2024.