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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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aber am Strande sich brechend, erdröhnt sie laut, gipfelt sich im Bogen um
die Klippen und speit die Spreu der Salzfluth davon. Durch die Mauer
der Griechen stürmen die Troer wie eine Welle, die im Sturm über Bord
geht, jene wiederum an einer anderen Stelle halten Stand wie ein Fels
im Meere.

Der Marsch des gestimmten Griechenheeres mit seinen blitzenden
Waffen steht aus, wie wenn ein Feuermeer sich über das Land ergösse, und
der Boden erbebt wie vor dem Zorn des donnerfrohen Zeus, wenn er die
Erde geißelt bei den Arimern, wo das Lager des feuerspeienden Riesen Ty-
phoeus ist. Auch die Troer marschiren wie ein Sturmwind, der unter
Donner von Zeus in die Ebne kommt, sich unter Getöse mit dem Meere
mischt und schäumende Wellen treibt. Unter den Füßen erhebt sich
Staub, wie wenn der Rolof (Südwind) Nebel über die Berge gießt, daß
der Hirt nur aus Steinwurfsweite sehen kann. Gar herrlich aber ist das
Bild der Bivouaksfeuer der Troer in der Nacht: 1000 Heerde, jeder zu
SO Flammen, leuchten wie der klare Sternenhimmel, wenn die Luft still
ist, dem Hirten eine Freude.

Löst sich die festgefügte Masse in lockere Schwärme auf, beherrscht nicht
der Eindruck einer unwiderstehlichen Macht, sondern vielmehr der zahllosen
wimmelnden Menge das Gemüth, so kommen Insecten und Bogel-
schaaren an die Reihe. Wie ein Bienenschwarm, der sich aus hohlem
Felsen immer frisch nachströmend ergießt -- traubenweise fliegen sie über die
Frühlingsblumen hier und da --, so zogen die Griechen von den Schiffen und
Zelten am Ufer zur Heerversammlung. Und wie Schwärme von Gänsen,
Kranichen, Schwänen lustig einher flatternd mit vollem Geschrei sich auf der
An niederlassen, so strömen die Griechen von Schiffen und Zelten in die
Ebne des Skamander. Da stehen sie auf blumiger An zu vielen Tausenden
wie Blätter und Blüthen im Frühling. Um aber den Gegensatz zwischen
den prahlerischer Barbaren und den geistgefaßten Griechen zu bezeichnen, be¬
richtet der Sänger, daß jene mit tollem Geschrei.angreifen, wie Kraniche
am Himmel krächzen, die dem Winter entflohen über die Fluthen des Okea-
nos fliegen, den Pygmäen Tod und Kampf bringend. Die augenrollenden
Achäer dagegen schreiten einher in Stille, Muth athmend, im Herzen begierig
einander treulich beizustehen. Freilich später von Aeneas und Hektor in die
Flucht gejagt, schreien auch sie wie eine Wolke von Spatzen oder Krähen,
wenn sie einen Habicht sehen. Achill dagegen treibt die Troer in den Fluß
wie Heuschrecken, die vor dem Feuer unter das Wasser tauchen; und wie
vor dem gewaltigen Delphin die übrigen Fische angstvoll in die Winkel des
Hafens flüchten, so ducken sich die Troer vor ihm unter den Abhängen
des Ufers.


aber am Strande sich brechend, erdröhnt sie laut, gipfelt sich im Bogen um
die Klippen und speit die Spreu der Salzfluth davon. Durch die Mauer
der Griechen stürmen die Troer wie eine Welle, die im Sturm über Bord
geht, jene wiederum an einer anderen Stelle halten Stand wie ein Fels
im Meere.

Der Marsch des gestimmten Griechenheeres mit seinen blitzenden
Waffen steht aus, wie wenn ein Feuermeer sich über das Land ergösse, und
der Boden erbebt wie vor dem Zorn des donnerfrohen Zeus, wenn er die
Erde geißelt bei den Arimern, wo das Lager des feuerspeienden Riesen Ty-
phoeus ist. Auch die Troer marschiren wie ein Sturmwind, der unter
Donner von Zeus in die Ebne kommt, sich unter Getöse mit dem Meere
mischt und schäumende Wellen treibt. Unter den Füßen erhebt sich
Staub, wie wenn der Rolof (Südwind) Nebel über die Berge gießt, daß
der Hirt nur aus Steinwurfsweite sehen kann. Gar herrlich aber ist das
Bild der Bivouaksfeuer der Troer in der Nacht: 1000 Heerde, jeder zu
SO Flammen, leuchten wie der klare Sternenhimmel, wenn die Luft still
ist, dem Hirten eine Freude.

Löst sich die festgefügte Masse in lockere Schwärme auf, beherrscht nicht
der Eindruck einer unwiderstehlichen Macht, sondern vielmehr der zahllosen
wimmelnden Menge das Gemüth, so kommen Insecten und Bogel-
schaaren an die Reihe. Wie ein Bienenschwarm, der sich aus hohlem
Felsen immer frisch nachströmend ergießt — traubenweise fliegen sie über die
Frühlingsblumen hier und da —, so zogen die Griechen von den Schiffen und
Zelten am Ufer zur Heerversammlung. Und wie Schwärme von Gänsen,
Kranichen, Schwänen lustig einher flatternd mit vollem Geschrei sich auf der
An niederlassen, so strömen die Griechen von Schiffen und Zelten in die
Ebne des Skamander. Da stehen sie auf blumiger An zu vielen Tausenden
wie Blätter und Blüthen im Frühling. Um aber den Gegensatz zwischen
den prahlerischer Barbaren und den geistgefaßten Griechen zu bezeichnen, be¬
richtet der Sänger, daß jene mit tollem Geschrei.angreifen, wie Kraniche
am Himmel krächzen, die dem Winter entflohen über die Fluthen des Okea-
nos fliegen, den Pygmäen Tod und Kampf bringend. Die augenrollenden
Achäer dagegen schreiten einher in Stille, Muth athmend, im Herzen begierig
einander treulich beizustehen. Freilich später von Aeneas und Hektor in die
Flucht gejagt, schreien auch sie wie eine Wolke von Spatzen oder Krähen,
wenn sie einen Habicht sehen. Achill dagegen treibt die Troer in den Fluß
wie Heuschrecken, die vor dem Feuer unter das Wasser tauchen; und wie
vor dem gewaltigen Delphin die übrigen Fische angstvoll in die Winkel des
Hafens flüchten, so ducken sich die Troer vor ihm unter den Abhängen
des Ufers.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/378>, abgerufen am 26.06.2024.