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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Beste, was dieser Krieg uns sichert, im Friedensverträge selbst nicht steht: Die
Einheit der deutschen Nation, daß sie nur gewonnen wurde durch die
Arbeit von Jahrzehnten, durch das Blut Tausender, daß sie fest gegründet
bleibt gegen die vereinte Mißgunst und Scheelsucht der auswärtigen Mächte
nur durch den einmüthigen vaterländischen Sinn aller deutschen Staatsbürger,
durch selbstlose tapfere Hingebung an den deutschen Staat, der von so kräf¬
tigen Händen geleitet wird.

In diesem Sinne mögen die Wahlen zum ersten Deutschen Reichstag,
die unser Volk vollzieht, wenn diese Blätter ihm vor Augen treten,
Männer auf die Sitze des Parlamentes erheben, welche dem Vaterlande
durch Werke des Friedens, durch die Förderung und den Ausbau des natio¬
nalen Staates denselben Ruhm und dieselbe Achtung bei allen Völkern er¬
werben, wie dieser Friede mit dem stolzesten Feinde Deutschlands.




Ale Poesie des Krieges sei den Kriechen.
(Schluß des ersten Theils).

Blicken wir von den Einzelnen auf die Massen, so wird schon ihre
Zusammensetzung und Bewegung unter dem Bilde von Naturerscheinungen
aufgestellt.

Griechen und Troer stehen sich vor dem Kampf einander gegenüber wie
zwei Wolken, die Kronion bei Windstille, so lange Boreas und die übrigen
Winde noch schlafen, regungslos auf den Bergesgipfel gestellt hat. Ein an-
dresmal sind beide Heere zur Ruhe verwiesen, damit ein Zweikampf zwischen
Hektor und einem der Achäer entscheide. Auch Athene und Apollo haben sich
unterdessen in Gestalt von Geiern auf einer hohen Buche niedergelassen und
genießen des Anblicks. Die Schlachtreihen aber^sitzen dichtgedrängt, von
Schildern und Helmen und Speeren starrend, in der Ebne: sie wogen,
wie wenn sich ein Schauer des eben aufsteigenden Zephyros (des Nordwest¬
windes) über das Meer ergießt, das unter ihm sich schwarz färbt. Als sich
aber ein drittesmal die eng geschlossenen Phalangen der beiden Ajas in die
Schlacht bewegen, erscheinen sie wie eine Wolke, die ein Ziegenhirt von
seiner Höhle aus über das Meer unter dem Wehen des Zephyros kommen
sieht, von weitem schwarz wie Pech, denn sie führt ein heftiges Unwetter mit
sich: er schaudert und treibt seine Heerde in die Grotte. Und das unablässige
Heranstürmen immer neuer Schlachtreihen ist wie die Brandung am Meeres¬
ufer. Von der hohen See her kommt sie mit dem Helm von Schaum, dann


Beste, was dieser Krieg uns sichert, im Friedensverträge selbst nicht steht: Die
Einheit der deutschen Nation, daß sie nur gewonnen wurde durch die
Arbeit von Jahrzehnten, durch das Blut Tausender, daß sie fest gegründet
bleibt gegen die vereinte Mißgunst und Scheelsucht der auswärtigen Mächte
nur durch den einmüthigen vaterländischen Sinn aller deutschen Staatsbürger,
durch selbstlose tapfere Hingebung an den deutschen Staat, der von so kräf¬
tigen Händen geleitet wird.

In diesem Sinne mögen die Wahlen zum ersten Deutschen Reichstag,
die unser Volk vollzieht, wenn diese Blätter ihm vor Augen treten,
Männer auf die Sitze des Parlamentes erheben, welche dem Vaterlande
durch Werke des Friedens, durch die Förderung und den Ausbau des natio¬
nalen Staates denselben Ruhm und dieselbe Achtung bei allen Völkern er¬
werben, wie dieser Friede mit dem stolzesten Feinde Deutschlands.




Ale Poesie des Krieges sei den Kriechen.
(Schluß des ersten Theils).

Blicken wir von den Einzelnen auf die Massen, so wird schon ihre
Zusammensetzung und Bewegung unter dem Bilde von Naturerscheinungen
aufgestellt.

Griechen und Troer stehen sich vor dem Kampf einander gegenüber wie
zwei Wolken, die Kronion bei Windstille, so lange Boreas und die übrigen
Winde noch schlafen, regungslos auf den Bergesgipfel gestellt hat. Ein an-
dresmal sind beide Heere zur Ruhe verwiesen, damit ein Zweikampf zwischen
Hektor und einem der Achäer entscheide. Auch Athene und Apollo haben sich
unterdessen in Gestalt von Geiern auf einer hohen Buche niedergelassen und
genießen des Anblicks. Die Schlachtreihen aber^sitzen dichtgedrängt, von
Schildern und Helmen und Speeren starrend, in der Ebne: sie wogen,
wie wenn sich ein Schauer des eben aufsteigenden Zephyros (des Nordwest¬
windes) über das Meer ergießt, das unter ihm sich schwarz färbt. Als sich
aber ein drittesmal die eng geschlossenen Phalangen der beiden Ajas in die
Schlacht bewegen, erscheinen sie wie eine Wolke, die ein Ziegenhirt von
seiner Höhle aus über das Meer unter dem Wehen des Zephyros kommen
sieht, von weitem schwarz wie Pech, denn sie führt ein heftiges Unwetter mit
sich: er schaudert und treibt seine Heerde in die Grotte. Und das unablässige
Heranstürmen immer neuer Schlachtreihen ist wie die Brandung am Meeres¬
ufer. Von der hohen See her kommt sie mit dem Helm von Schaum, dann


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[0377] Beste, was dieser Krieg uns sichert, im Friedensverträge selbst nicht steht: Die Einheit der deutschen Nation, daß sie nur gewonnen wurde durch die Arbeit von Jahrzehnten, durch das Blut Tausender, daß sie fest gegründet bleibt gegen die vereinte Mißgunst und Scheelsucht der auswärtigen Mächte nur durch den einmüthigen vaterländischen Sinn aller deutschen Staatsbürger, durch selbstlose tapfere Hingebung an den deutschen Staat, der von so kräf¬ tigen Händen geleitet wird. In diesem Sinne mögen die Wahlen zum ersten Deutschen Reichstag, die unser Volk vollzieht, wenn diese Blätter ihm vor Augen treten, Männer auf die Sitze des Parlamentes erheben, welche dem Vaterlande durch Werke des Friedens, durch die Förderung und den Ausbau des natio¬ nalen Staates denselben Ruhm und dieselbe Achtung bei allen Völkern er¬ werben, wie dieser Friede mit dem stolzesten Feinde Deutschlands. Ale Poesie des Krieges sei den Kriechen. (Schluß des ersten Theils). Blicken wir von den Einzelnen auf die Massen, so wird schon ihre Zusammensetzung und Bewegung unter dem Bilde von Naturerscheinungen aufgestellt. Griechen und Troer stehen sich vor dem Kampf einander gegenüber wie zwei Wolken, die Kronion bei Windstille, so lange Boreas und die übrigen Winde noch schlafen, regungslos auf den Bergesgipfel gestellt hat. Ein an- dresmal sind beide Heere zur Ruhe verwiesen, damit ein Zweikampf zwischen Hektor und einem der Achäer entscheide. Auch Athene und Apollo haben sich unterdessen in Gestalt von Geiern auf einer hohen Buche niedergelassen und genießen des Anblicks. Die Schlachtreihen aber^sitzen dichtgedrängt, von Schildern und Helmen und Speeren starrend, in der Ebne: sie wogen, wie wenn sich ein Schauer des eben aufsteigenden Zephyros (des Nordwest¬ windes) über das Meer ergießt, das unter ihm sich schwarz färbt. Als sich aber ein drittesmal die eng geschlossenen Phalangen der beiden Ajas in die Schlacht bewegen, erscheinen sie wie eine Wolke, die ein Ziegenhirt von seiner Höhle aus über das Meer unter dem Wehen des Zephyros kommen sieht, von weitem schwarz wie Pech, denn sie führt ein heftiges Unwetter mit sich: er schaudert und treibt seine Heerde in die Grotte. Und das unablässige Heranstürmen immer neuer Schlachtreihen ist wie die Brandung am Meeres¬ ufer. Von der hohen See her kommt sie mit dem Helm von Schaum, dann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/377>, abgerufen am 26.06.2024.