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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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des Erbfeindes geworfen wurde, und unsre Heersäulen die feindlichen Grenzen
überschritten, bis zu dieser Stunde, die dem Kriege dauernd ein Ziel setzt.
Der Gedanke, daß sein Wille geschehe, daß sein Auge über aller Noth und
Drangsal dieses Krieges vernünftig und barmherzig walte, hat unser ganzes
Volk erfüllt, als die ersten ruhmvollen Siege gemeldet wurden, als die Blüthe
unsrer Jugend zu Tausenden und Abertausenden hinsank, als der Feind be¬
zwungen zu unsern Füßen lag. So auch nun, da er uns wieder den Oel-
zweig herabreicht, und den Völkern Frieden sendet.

Nicht mit dem Stolz und Uebermuth, mit dem unsre Feinde wohl Frie¬
den geschlossen hätten im Herzen unsres Landes, tragen wir die blutgedüngte
schwererworbne Ernte dieses Krieges unter Dach. Nicht nach Quadratmeilen
und Seelenzahl messen wir den Erwerb, den der Friede unserm Lande hinzu¬
bringt, nicht mit habsüchtiger Freude an dem blinkenden Gold der feindlichen
Kriegsbuße den Gewinn für unsre Staatskassen. Wir haben in Beidem nur
begehrt und genommen, was uns von Rechtswegen gebührte: an Land und
Leuten nur soviel als zur Sicherung der Grenzen unsres Reiches nothwendig
war oder durch Sprache und Abstammung zu uns gehörte; an Geld nur
den kleinsten Theil dessen, was der Krieg dem Wohlstand unsres Volkes ge¬
kostet hat. Selbst die stärkste Festung des südöstlichen Frankreich, Belfort,
die Berge und Thäler, wo die Helden des General Werber dreifache Ueber¬
macht brachen, lassen wir Frankreich, und unsre an der Lisaine gefallenen
Spartaner werden in fremder Erde ruhen. Mäßigung und Bescheidenheit
also wird uns der bitterste Feind nicht absprechen können (er müßte denn so
guten Grund zu ohnmächtigem Aerger haben, wie das stolze Albion), selbst
nicht die große Mehrheit der erwählten Vertreter unsrer Feinde. Und welche Auf¬
gaben, welche Fülle neuer Pflichten erwachsen uns aus dem Erwerb dieses
Friedens. Nichts einfacher und bequemer, als die Behandlung, die der bru¬
tale Eroberer dem in seine Gewalt gegebenen eroberten Land und Volk an-
gedeihen läßt. Wenn irgend wer, so wissen wir Deutschen davon zu reden,
was sich durch politischen Raubbau auch in einem so mittelmäßig begüterten
Volke wie dem unsrigen aufbringen läßt. Noch heute leiden wir an den
Folgen jener Erpressungen, welche das Herrschersystem des ersten Napoleon
und seines saubern Bruders Jerome in Deutschland ausmachten. Und Elsaß
und Lothringen sind unendlich viel wohlhabender als wir zu Anfang dieses
Jahrhunderts waren, ja mit Elsaß kann sich wohl nur das reichgesegnete
Baden an Naturkraft, Sachsen an industrieller Blüthe vergleichen. Zudem
haben ja diese Länder unsern Feinden die tüchtigsten Krieger gestellt; ihre
Bevölkerung hat häusig zu fanatischem Volkskrieg, zu Mord und Hinterlist
gegen unsre Truppen sich erhoben. Aber nichts liegt uns ferner, als für die
schamlose Knechtung Deutschlands durch die Franzosen unter ihrem^siegreichen


des Erbfeindes geworfen wurde, und unsre Heersäulen die feindlichen Grenzen
überschritten, bis zu dieser Stunde, die dem Kriege dauernd ein Ziel setzt.
Der Gedanke, daß sein Wille geschehe, daß sein Auge über aller Noth und
Drangsal dieses Krieges vernünftig und barmherzig walte, hat unser ganzes
Volk erfüllt, als die ersten ruhmvollen Siege gemeldet wurden, als die Blüthe
unsrer Jugend zu Tausenden und Abertausenden hinsank, als der Feind be¬
zwungen zu unsern Füßen lag. So auch nun, da er uns wieder den Oel-
zweig herabreicht, und den Völkern Frieden sendet.

Nicht mit dem Stolz und Uebermuth, mit dem unsre Feinde wohl Frie¬
den geschlossen hätten im Herzen unsres Landes, tragen wir die blutgedüngte
schwererworbne Ernte dieses Krieges unter Dach. Nicht nach Quadratmeilen
und Seelenzahl messen wir den Erwerb, den der Friede unserm Lande hinzu¬
bringt, nicht mit habsüchtiger Freude an dem blinkenden Gold der feindlichen
Kriegsbuße den Gewinn für unsre Staatskassen. Wir haben in Beidem nur
begehrt und genommen, was uns von Rechtswegen gebührte: an Land und
Leuten nur soviel als zur Sicherung der Grenzen unsres Reiches nothwendig
war oder durch Sprache und Abstammung zu uns gehörte; an Geld nur
den kleinsten Theil dessen, was der Krieg dem Wohlstand unsres Volkes ge¬
kostet hat. Selbst die stärkste Festung des südöstlichen Frankreich, Belfort,
die Berge und Thäler, wo die Helden des General Werber dreifache Ueber¬
macht brachen, lassen wir Frankreich, und unsre an der Lisaine gefallenen
Spartaner werden in fremder Erde ruhen. Mäßigung und Bescheidenheit
also wird uns der bitterste Feind nicht absprechen können (er müßte denn so
guten Grund zu ohnmächtigem Aerger haben, wie das stolze Albion), selbst
nicht die große Mehrheit der erwählten Vertreter unsrer Feinde. Und welche Auf¬
gaben, welche Fülle neuer Pflichten erwachsen uns aus dem Erwerb dieses
Friedens. Nichts einfacher und bequemer, als die Behandlung, die der bru¬
tale Eroberer dem in seine Gewalt gegebenen eroberten Land und Volk an-
gedeihen läßt. Wenn irgend wer, so wissen wir Deutschen davon zu reden,
was sich durch politischen Raubbau auch in einem so mittelmäßig begüterten
Volke wie dem unsrigen aufbringen läßt. Noch heute leiden wir an den
Folgen jener Erpressungen, welche das Herrschersystem des ersten Napoleon
und seines saubern Bruders Jerome in Deutschland ausmachten. Und Elsaß
und Lothringen sind unendlich viel wohlhabender als wir zu Anfang dieses
Jahrhunderts waren, ja mit Elsaß kann sich wohl nur das reichgesegnete
Baden an Naturkraft, Sachsen an industrieller Blüthe vergleichen. Zudem
haben ja diese Länder unsern Feinden die tüchtigsten Krieger gestellt; ihre
Bevölkerung hat häusig zu fanatischem Volkskrieg, zu Mord und Hinterlist
gegen unsre Truppen sich erhoben. Aber nichts liegt uns ferner, als für die
schamlose Knechtung Deutschlands durch die Franzosen unter ihrem^siegreichen


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[0375] des Erbfeindes geworfen wurde, und unsre Heersäulen die feindlichen Grenzen überschritten, bis zu dieser Stunde, die dem Kriege dauernd ein Ziel setzt. Der Gedanke, daß sein Wille geschehe, daß sein Auge über aller Noth und Drangsal dieses Krieges vernünftig und barmherzig walte, hat unser ganzes Volk erfüllt, als die ersten ruhmvollen Siege gemeldet wurden, als die Blüthe unsrer Jugend zu Tausenden und Abertausenden hinsank, als der Feind be¬ zwungen zu unsern Füßen lag. So auch nun, da er uns wieder den Oel- zweig herabreicht, und den Völkern Frieden sendet. Nicht mit dem Stolz und Uebermuth, mit dem unsre Feinde wohl Frie¬ den geschlossen hätten im Herzen unsres Landes, tragen wir die blutgedüngte schwererworbne Ernte dieses Krieges unter Dach. Nicht nach Quadratmeilen und Seelenzahl messen wir den Erwerb, den der Friede unserm Lande hinzu¬ bringt, nicht mit habsüchtiger Freude an dem blinkenden Gold der feindlichen Kriegsbuße den Gewinn für unsre Staatskassen. Wir haben in Beidem nur begehrt und genommen, was uns von Rechtswegen gebührte: an Land und Leuten nur soviel als zur Sicherung der Grenzen unsres Reiches nothwendig war oder durch Sprache und Abstammung zu uns gehörte; an Geld nur den kleinsten Theil dessen, was der Krieg dem Wohlstand unsres Volkes ge¬ kostet hat. Selbst die stärkste Festung des südöstlichen Frankreich, Belfort, die Berge und Thäler, wo die Helden des General Werber dreifache Ueber¬ macht brachen, lassen wir Frankreich, und unsre an der Lisaine gefallenen Spartaner werden in fremder Erde ruhen. Mäßigung und Bescheidenheit also wird uns der bitterste Feind nicht absprechen können (er müßte denn so guten Grund zu ohnmächtigem Aerger haben, wie das stolze Albion), selbst nicht die große Mehrheit der erwählten Vertreter unsrer Feinde. Und welche Auf¬ gaben, welche Fülle neuer Pflichten erwachsen uns aus dem Erwerb dieses Friedens. Nichts einfacher und bequemer, als die Behandlung, die der bru¬ tale Eroberer dem in seine Gewalt gegebenen eroberten Land und Volk an- gedeihen läßt. Wenn irgend wer, so wissen wir Deutschen davon zu reden, was sich durch politischen Raubbau auch in einem so mittelmäßig begüterten Volke wie dem unsrigen aufbringen läßt. Noch heute leiden wir an den Folgen jener Erpressungen, welche das Herrschersystem des ersten Napoleon und seines saubern Bruders Jerome in Deutschland ausmachten. Und Elsaß und Lothringen sind unendlich viel wohlhabender als wir zu Anfang dieses Jahrhunderts waren, ja mit Elsaß kann sich wohl nur das reichgesegnete Baden an Naturkraft, Sachsen an industrieller Blüthe vergleichen. Zudem haben ja diese Länder unsern Feinden die tüchtigsten Krieger gestellt; ihre Bevölkerung hat häusig zu fanatischem Volkskrieg, zu Mord und Hinterlist gegen unsre Truppen sich erhoben. Aber nichts liegt uns ferner, als für die schamlose Knechtung Deutschlands durch die Franzosen unter ihrem^siegreichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/375>, abgerufen am 26.06.2024.