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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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und Einheit Italiens, kommt zu euch, von brüderlichen Gesinnungen beseelt,
um die Sicherheit Italiens und eure Freiheiten zu wahren. Ihr werdet Eu¬
ropa darthun können, daß die Ausübung aller eurer Rechte sich mit dem
Respect vor dem Heil. Vater, der Würde und der geistlichen Autorität des
Papstes vertragen kann. Die Unabhängigkeit des Heil. Stuhls wird inmitten
eurer bürgerlichen Freiheiten unverletzlich bleiben, besser sogar, als jemals
unter dem Schutze der fremden Interventionen. Wir kommen nicht, euch den
Krieg zu bringen, sondern den Frieden und die wahre Ordnung. Ich darf
mich nicht in die Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte einmischen; ihr selbst
werdet euch verwalten. Meine Aufgabe beschränkt sich auf die Aufrechterhal¬
tung der Ordnung und die Vertheidigung der Unverletzlichkeit unseres ge¬
meinsamen Vaterlandes. Der como.andirende General: R. Cadorna."

Als sich die Nachricht von dem Einmarsch in Florenz verbreitete, herrschte
dort unbeschreiblicher Jubel, obwohl man überzeugt sein mußte, daß die Stadt
selbst durch die Verlegung der Hauptstadt nach Rom nur verlieren könne.
Ebenso war im ganzen Lande Freude, die Tricolore wehte von allen Häusern.
Der nationale Gedanke hatte Alles erfaßt, und aus Rom und den Städten
des Kirchenstaates war wie aus den italienischen Städten bereits die Unter¬
zeichnung von Adressen an Victor Emanuel im Gange, welche den Eintritt
seiner Armee verlangten (in Viterbo allein fanden sich 3500 Unterschriften).
Ueberall wurden italienische Flaggen aufgesteckt. Die italienischen Truppen
rückten, von Norden und Süden in das römische Gebiet ein, die päpstlichen
zogen sich überall zurück, da der italienische General, um Blutvergießen zu
verhindern, bald eine bedeutende Uebermacht gegen sie vorrücken ließ. Birio
besetzte Monte-Fiascone ohne Widerstand, Viterbo, die Hauptstadt der Pro¬
vinz, wurde ebenfalls genommen, in Civita-Castellana vertheidigten die Zuaven
die Citadelle nur eine Stunde lang; an der Küste wurden Corneto und Ci-
vita-Vecchia, dessen Einwohner die Adresse an Victor Emanuel abgeschickt
hatten, bald besetzt. In der unmittelbaren Nähe Roms, in Braniano (Flecken
von 2500 Einwohnern) pflanzte Fürst Odescalchi die Tricolore aus. Im
Süden rückte die Brigade Savone in Frosinone ein, besetzte Ceprano, zerstörte
die Eisenbahn bei Cenano und nahm Terracina in Besitz. Am 10. September
wurde auch Velletri von den italienischen Truppen eingenommen. Ueberall
wurden dieselben enthusiastisch empfangen, während die römischen nach Rom
zurückgezogen wurden, wo man zum Widerstande große Vorbereitungen traf.
Ein Theil wurde zum B^rnkadenbau verwendet, die Thore der Hauptstadt
wurden vollständig geschlossen, dem Verkehre nur sieben geöffnet, aber durch
starke Vertheidigungswerke geschützt. Der Papst hatte zwar den bestimmten
Befehl gegeben, jedes Blutvergießen zu vermeiden, aber seine Officiere meinten
gegenwärtig noch alle Vorbereitungen zur Vertheidigung durchführen zu müssen.


und Einheit Italiens, kommt zu euch, von brüderlichen Gesinnungen beseelt,
um die Sicherheit Italiens und eure Freiheiten zu wahren. Ihr werdet Eu¬
ropa darthun können, daß die Ausübung aller eurer Rechte sich mit dem
Respect vor dem Heil. Vater, der Würde und der geistlichen Autorität des
Papstes vertragen kann. Die Unabhängigkeit des Heil. Stuhls wird inmitten
eurer bürgerlichen Freiheiten unverletzlich bleiben, besser sogar, als jemals
unter dem Schutze der fremden Interventionen. Wir kommen nicht, euch den
Krieg zu bringen, sondern den Frieden und die wahre Ordnung. Ich darf
mich nicht in die Regierungs- und Verwaltungsgeschäfte einmischen; ihr selbst
werdet euch verwalten. Meine Aufgabe beschränkt sich auf die Aufrechterhal¬
tung der Ordnung und die Vertheidigung der Unverletzlichkeit unseres ge¬
meinsamen Vaterlandes. Der como.andirende General: R. Cadorna."

Als sich die Nachricht von dem Einmarsch in Florenz verbreitete, herrschte
dort unbeschreiblicher Jubel, obwohl man überzeugt sein mußte, daß die Stadt
selbst durch die Verlegung der Hauptstadt nach Rom nur verlieren könne.
Ebenso war im ganzen Lande Freude, die Tricolore wehte von allen Häusern.
Der nationale Gedanke hatte Alles erfaßt, und aus Rom und den Städten
des Kirchenstaates war wie aus den italienischen Städten bereits die Unter¬
zeichnung von Adressen an Victor Emanuel im Gange, welche den Eintritt
seiner Armee verlangten (in Viterbo allein fanden sich 3500 Unterschriften).
Ueberall wurden italienische Flaggen aufgesteckt. Die italienischen Truppen
rückten, von Norden und Süden in das römische Gebiet ein, die päpstlichen
zogen sich überall zurück, da der italienische General, um Blutvergießen zu
verhindern, bald eine bedeutende Uebermacht gegen sie vorrücken ließ. Birio
besetzte Monte-Fiascone ohne Widerstand, Viterbo, die Hauptstadt der Pro¬
vinz, wurde ebenfalls genommen, in Civita-Castellana vertheidigten die Zuaven
die Citadelle nur eine Stunde lang; an der Küste wurden Corneto und Ci-
vita-Vecchia, dessen Einwohner die Adresse an Victor Emanuel abgeschickt
hatten, bald besetzt. In der unmittelbaren Nähe Roms, in Braniano (Flecken
von 2500 Einwohnern) pflanzte Fürst Odescalchi die Tricolore aus. Im
Süden rückte die Brigade Savone in Frosinone ein, besetzte Ceprano, zerstörte
die Eisenbahn bei Cenano und nahm Terracina in Besitz. Am 10. September
wurde auch Velletri von den italienischen Truppen eingenommen. Ueberall
wurden dieselben enthusiastisch empfangen, während die römischen nach Rom
zurückgezogen wurden, wo man zum Widerstande große Vorbereitungen traf.
Ein Theil wurde zum B^rnkadenbau verwendet, die Thore der Hauptstadt
wurden vollständig geschlossen, dem Verkehre nur sieben geöffnet, aber durch
starke Vertheidigungswerke geschützt. Der Papst hatte zwar den bestimmten
Befehl gegeben, jedes Blutvergießen zu vermeiden, aber seine Officiere meinten
gegenwärtig noch alle Vorbereitungen zur Vertheidigung durchführen zu müssen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/364>, abgerufen am 26.06.2024.