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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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stellt hatte, daß kein Schlüssel zur Dechiffrirung derselben taugte und erst die
Ankunft des gleichzeitig mit der Depesche abgesandten Couriers abgewartet
werden mußte, um etwas Näheres zu erfahren. Nach wenigen Tagen kehrte
Graf Ponza nach Florenz zurück und brachte wohl eine Antwort mit, die
aber sehr kurz und schneidend also lautete:

"Majestät! Vom Grafen Ponza ti San Martino wurde mir ein Brief
überreicht, welchen Ew. Majestät an mich richten wollte, allein er ist eines
kindlich ergebenen Sohnes, der sich des Bekenntnisses des katholischen Glau¬
bens und königlicher Gerechtigkeit rühmt, nicht würdig. Ich lasse mich auf
die Einzelnheiten dieses Briefes nicht ein, um nicht den Schmerz zu erneuern,
den mir die erste Lesung verursacht hat. Ich preise Gott, daß er zugelassen
hat, daß Ew. Majestät die letzten Tage meines Lebens mit Bitterkeit erfüllen.
Im Uebrigen kann ich gewisse Forderungen nicht zugeben, noch mich den in
diesem Briefe enthaltenen Grundsätzen anbequemen. Ich rufe Gott abermals
an und überlasse seinen Händen meine Sache, die ganz die seine ist. Ich
bitte ihn, Ew. Majestät viele Gnaden zu gewähren, Sie vor Gefahren zu
bewahren und Ihnen seine Barmherzigkeit, deren Sie nöthig haben, zu¬
zuwenden."


Papst Pius IX. in. x.

Vom Vatikan, 11. September 1870.

Später erklärte der Papst, wie man sich in Florenz erzählte, er glaube
nicht, daß die italienische Negierung gegen die päpstliche agitirt habe, um
derselben den Rest des Kirchenstaates zu entreißen. Uebrigens habe er in
Frieden zu sterben gehofft, ehe der letzte Fuß Landes in die Hände der ita¬
lienischen Regierung gefallen wäre. Den Zusicherungen bezüglich der Frei¬
heit seiner geistlichen Functionen lege er nicht mehr Gewicht bei, als den
andern ihm gegebenen Zusicherungen und Garantien.

Nachdem die Truppen während des mehrmaligen Widerrufs ihrer Marsch¬
ordre bis hart an die Grenzen gerückt waren, überschritten sie auf den dritten
Befehl am 12. September dieselben an mehreren Punkten. Während an diesem
Tage der Minister der Justiz und des Cultus an die bischöflichen Ordina¬
riate des Königreichs ein Rundschreiben an die ron. Behörden schickte, in wel¬
chem er davon Mittheilung machte, daß die Truppen einrückten, ihnen die
Zusicherung der ungeschmälerten Freiheit und des Schutzes für die geistliche
Amtsübung gab, aber dringend warnte, irgend welche Versuche von Verlei¬
tung zum Ungehorsam und von Aufreizung zu machen, weil die Regierung
gegen die Schuldigen mit aller Strenge vorgehen.werde -- erließ zu gleicher
Zeit General Cadorna folgende Proclamation: "Italiener der römischen Pro¬
vinzen! Der König von Italien hat mich mit einer hohen Mission betraut;
euch ist vorbehalten, an der Ausführung derselben am wirksamsten mitzuar¬
beiten. Die italienische Armee, das Symbol und der Beweis der Eintracht


stellt hatte, daß kein Schlüssel zur Dechiffrirung derselben taugte und erst die
Ankunft des gleichzeitig mit der Depesche abgesandten Couriers abgewartet
werden mußte, um etwas Näheres zu erfahren. Nach wenigen Tagen kehrte
Graf Ponza nach Florenz zurück und brachte wohl eine Antwort mit, die
aber sehr kurz und schneidend also lautete:

„Majestät! Vom Grafen Ponza ti San Martino wurde mir ein Brief
überreicht, welchen Ew. Majestät an mich richten wollte, allein er ist eines
kindlich ergebenen Sohnes, der sich des Bekenntnisses des katholischen Glau¬
bens und königlicher Gerechtigkeit rühmt, nicht würdig. Ich lasse mich auf
die Einzelnheiten dieses Briefes nicht ein, um nicht den Schmerz zu erneuern,
den mir die erste Lesung verursacht hat. Ich preise Gott, daß er zugelassen
hat, daß Ew. Majestät die letzten Tage meines Lebens mit Bitterkeit erfüllen.
Im Uebrigen kann ich gewisse Forderungen nicht zugeben, noch mich den in
diesem Briefe enthaltenen Grundsätzen anbequemen. Ich rufe Gott abermals
an und überlasse seinen Händen meine Sache, die ganz die seine ist. Ich
bitte ihn, Ew. Majestät viele Gnaden zu gewähren, Sie vor Gefahren zu
bewahren und Ihnen seine Barmherzigkeit, deren Sie nöthig haben, zu¬
zuwenden."


Papst Pius IX. in. x.

Vom Vatikan, 11. September 1870.

Später erklärte der Papst, wie man sich in Florenz erzählte, er glaube
nicht, daß die italienische Negierung gegen die päpstliche agitirt habe, um
derselben den Rest des Kirchenstaates zu entreißen. Uebrigens habe er in
Frieden zu sterben gehofft, ehe der letzte Fuß Landes in die Hände der ita¬
lienischen Regierung gefallen wäre. Den Zusicherungen bezüglich der Frei¬
heit seiner geistlichen Functionen lege er nicht mehr Gewicht bei, als den
andern ihm gegebenen Zusicherungen und Garantien.

Nachdem die Truppen während des mehrmaligen Widerrufs ihrer Marsch¬
ordre bis hart an die Grenzen gerückt waren, überschritten sie auf den dritten
Befehl am 12. September dieselben an mehreren Punkten. Während an diesem
Tage der Minister der Justiz und des Cultus an die bischöflichen Ordina¬
riate des Königreichs ein Rundschreiben an die ron. Behörden schickte, in wel¬
chem er davon Mittheilung machte, daß die Truppen einrückten, ihnen die
Zusicherung der ungeschmälerten Freiheit und des Schutzes für die geistliche
Amtsübung gab, aber dringend warnte, irgend welche Versuche von Verlei¬
tung zum Ungehorsam und von Aufreizung zu machen, weil die Regierung
gegen die Schuldigen mit aller Strenge vorgehen.werde — erließ zu gleicher
Zeit General Cadorna folgende Proclamation: „Italiener der römischen Pro¬
vinzen! Der König von Italien hat mich mit einer hohen Mission betraut;
euch ist vorbehalten, an der Ausführung derselben am wirksamsten mitzuar¬
beiten. Die italienische Armee, das Symbol und der Beweis der Eintracht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/363>, abgerufen am 26.06.2024.