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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Macht sich absolut auf eine erhaltende und beschützende Action der unverjähr-
baren Rechte der Römer und jene Interessen beschränken, welche die katholi¬
sche Welt an der vollständigen Unabhängigkeit des souveränen Papstes hat.
Jede politische Frage außer Acht lassend, welche durch die freien und fried¬
lichen Kundgebungen des römischen Volkes angeregt werden könnte, ist die
Regierung des Königs fest entschlossen, die nöthigen Garantien für die gei¬
stige Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls zu sichern und sie auch zum Gegen¬
stande künftiger Verhandlungen zwischen Italien und den betheiligten Mächten
zu machen. Sie werden dem Heiligen Vater begreiflich zu machen suchen, wie
feierlich der jetzige Augenblick für die Zukunft der Kirche und des Papstthums
ist. Das Oberhaupt des Katholicismus wird in der italienischen Bevölke¬
rung eine tiefe Ergebenheit finden und an den Ufern der Tiber einen von
jeder menschlichen Herrschaft geehrten und unabhängigen Sitz bewahren.

Se. Majestät wendet sich an den Pontifer mit der Zärtlichkeit eines
Sohnes, mit dem Glauben eines Katholiken, mit den Gefühlen eines Königs,
eines Jtalieners. Se. Heiligkeit wird im jetzigen Augenblick, wo die ehrwür¬
digsten Institutionen und der Frieden der Völker bedroht sind, die Hand nicht
zurückweisen, die ihm im Namen der Religion und Italiens loyal gereicht
wird. Genehmigen Sie u. s. w. Gez. G. Lanza.

In zwei Circularen des Ministers des Auswärtigen an die italienischen
Vertreter bei den fremden Regierungen wurde die Kündigung des September-
Vertrages angezeigt und es wurden die Schwierigkeiten auseinandergesetzt, die
für Italien aus der Verzögerung der römischen Frage entsprungen sind. Die
Circulare tragen das Datum vom 29. August und vom 7. September und
sind nur eine ausführlichere Paraphrase des an den Grafen Ponza gerichteten
Schreibens Lanza's. Visconti-Venosta versichert, daß Italien sich der vollen
Verantwortlichkeit bewußt sei, die es gegenüber der ganzen katholischen Welt
zu tragen haben werde, und eingedenk desselben mit den fremden Mächten
sich ins Einvernehmen setzen werde, um gemeinschaftlich die geistliche Unab¬
hängigkeit des Papstes sicher zu stellen.

Graf Ponza hatte mit dem Cardinal Antonelli conferirt und sich seiner
Aufträge zu entledigen bemüht; aber Pius IX. wollte anfänglich ihn weder
empfangen, noch in irgend eine Unterhandlung treten. Man hatte zwar
keinen besonderen Erfolg von der Mission erwartet, doch sollten vor dem
letzten Schritte alle internationalen Rücksichten gewahrt werden. Als die
Audienz gewährt worden, hatte der Graf eine lange chiffrirte Depesche nach
Florenz abgehen lassen, welche das Resultat seiner Audienz meldete. Man
erzählt, daß in Florenz Niemand im Stande war, die Depesche auch nur an¬
nähernd zu dechiffriren, da das päpstliche Telegraphenamt (ob im Auftrage,
weiß man natürlich nicht) die Ziffern und Zeichen der Depesche derart ver-


Macht sich absolut auf eine erhaltende und beschützende Action der unverjähr-
baren Rechte der Römer und jene Interessen beschränken, welche die katholi¬
sche Welt an der vollständigen Unabhängigkeit des souveränen Papstes hat.
Jede politische Frage außer Acht lassend, welche durch die freien und fried¬
lichen Kundgebungen des römischen Volkes angeregt werden könnte, ist die
Regierung des Königs fest entschlossen, die nöthigen Garantien für die gei¬
stige Unabhängigkeit des Heiligen Stuhls zu sichern und sie auch zum Gegen¬
stande künftiger Verhandlungen zwischen Italien und den betheiligten Mächten
zu machen. Sie werden dem Heiligen Vater begreiflich zu machen suchen, wie
feierlich der jetzige Augenblick für die Zukunft der Kirche und des Papstthums
ist. Das Oberhaupt des Katholicismus wird in der italienischen Bevölke¬
rung eine tiefe Ergebenheit finden und an den Ufern der Tiber einen von
jeder menschlichen Herrschaft geehrten und unabhängigen Sitz bewahren.

Se. Majestät wendet sich an den Pontifer mit der Zärtlichkeit eines
Sohnes, mit dem Glauben eines Katholiken, mit den Gefühlen eines Königs,
eines Jtalieners. Se. Heiligkeit wird im jetzigen Augenblick, wo die ehrwür¬
digsten Institutionen und der Frieden der Völker bedroht sind, die Hand nicht
zurückweisen, die ihm im Namen der Religion und Italiens loyal gereicht
wird. Genehmigen Sie u. s. w. Gez. G. Lanza.

In zwei Circularen des Ministers des Auswärtigen an die italienischen
Vertreter bei den fremden Regierungen wurde die Kündigung des September-
Vertrages angezeigt und es wurden die Schwierigkeiten auseinandergesetzt, die
für Italien aus der Verzögerung der römischen Frage entsprungen sind. Die
Circulare tragen das Datum vom 29. August und vom 7. September und
sind nur eine ausführlichere Paraphrase des an den Grafen Ponza gerichteten
Schreibens Lanza's. Visconti-Venosta versichert, daß Italien sich der vollen
Verantwortlichkeit bewußt sei, die es gegenüber der ganzen katholischen Welt
zu tragen haben werde, und eingedenk desselben mit den fremden Mächten
sich ins Einvernehmen setzen werde, um gemeinschaftlich die geistliche Unab¬
hängigkeit des Papstes sicher zu stellen.

Graf Ponza hatte mit dem Cardinal Antonelli conferirt und sich seiner
Aufträge zu entledigen bemüht; aber Pius IX. wollte anfänglich ihn weder
empfangen, noch in irgend eine Unterhandlung treten. Man hatte zwar
keinen besonderen Erfolg von der Mission erwartet, doch sollten vor dem
letzten Schritte alle internationalen Rücksichten gewahrt werden. Als die
Audienz gewährt worden, hatte der Graf eine lange chiffrirte Depesche nach
Florenz abgehen lassen, welche das Resultat seiner Audienz meldete. Man
erzählt, daß in Florenz Niemand im Stande war, die Depesche auch nur an¬
nähernd zu dechiffriren, da das päpstliche Telegraphenamt (ob im Auftrage,
weiß man natürlich nicht) die Ziffern und Zeichen der Depesche derart ver-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/362>, abgerufen am 26.06.2024.