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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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auch dann volle Immunität, wenn sie außerhalb der Stadt Leo's wohnen,
6) Immunität aller Cardinäle und ungeschmälerter Fortbezug aller ihrer Ein¬
künfte, 7) Fortbezug aller Gehalte seitens sämmtlicher Civil- und Militär¬
beamten, 8) Garantie der päpstlichen Staatsschuld, v) absolut freie Ausübung
der Functionen der Pfarrer und Bischöfe im ganzen Königreich und 10) Aus¬
nahmegesetze für Rom bezüglich der Militärconscnption, der Gemeindeverwal¬
tung und der Fideicommisse.

Ueber die vielgenannte leoninische Stadt mögen hier einige Bemerkungen
folgen: Nachdem die Sarazenen die Basilika geplündert hatten, die keine Schutz¬
wehr hatte, da früher angefangene Mauern wieder abgetragen worden waren,
ließ Papst Leo IV. in den Jahren 848 bis 832 das vatikanische Gebiet oder
den Porticus des Se. Peter so umschließen, daß die Mauer vom Hadricmeum
den Se. Peter umkreiste, dann herab bis zum Flusse reichte, unterhalb des
heutigen Thors Se. Spirito. Die Mauern waren fast 40 Fuß hoch und
mit 44 Thürmen versehen. Weitere Ausbaue der Stadttheile haben die
Mauern theilweise vertilgt und durchbrochen. Leo nannte den von diesen
Mauern eingeschlossenen Theil die Lüvit^ Lvonina, wie auch über deren Thoren
bezeichnet stand. Die Einweihung der Mauern wurde mit großen Festlich¬
keiten begangen; der Papst vertheilte große Geschenke.

Der Graf Ponza hatte durch das folgende Schreiben des Ministerpräsi¬
denten besondere Jnstructionen erhalten:

Der Conseils-Präsident an den Grafen Ponza ti San Martins. Flo¬
renz, 8. September 1870. Herr Graf! In dem feierlichen Augenblick, wo
die Negierung des Königs berufen erscheint, sowohl durch die Interessen Ita¬
liens, sowie die des Heiligen Stuhles die erforderlichen Maßregeln zur Sicherung
des nationalen Gebietes zu ergreifen, werden Sie beauftragt, mit einem Briefe
des Königs sich nach Rom zu dem Papst-Souverän zu begeben. Der König
als Beschützer und Garant der italienischen Bestimmung und als Katholik --
im hohen Grade dabei interessirt. das Schicksal des Heiligen Stuhles und
Italiens nicht Gefahren auszusetzen, welchen der Muth des Heiligen Vaters
nur zu sehr geneigt wäre sich entgegenzustemmen -- fühlt der Katholicität
und Europa gegenüber sich gedrungen, die Verpflichtung zu übernehmen, um
die Ordnung auf der Halbinsel und die Sicherheit des Heiligen Stuhles
Unter seiner Verantwortlichkeit aufrecht zu erhalten. Die Regierung des Kö¬
nigs würde ihrer Aufgabe zuwiderhandeln, wenn sie, um einen Entschluß zu
fassen, erst warten würde, bis die Agitation ernste Ereignisse und Blut¬
vergießen herbeigeführt hätte. Wir beschränken uns darauf, unsere Truppen
auf römisches Gebiet rücken zu lassen, wenn die Umstände dies uns als noth¬
wendig erscheinen lassen, wobei wir die Besorgung der eigenen Administration
der Bevölkerung^anheimstellen. Die Regierung des Königs wird mit ihrer


auch dann volle Immunität, wenn sie außerhalb der Stadt Leo's wohnen,
6) Immunität aller Cardinäle und ungeschmälerter Fortbezug aller ihrer Ein¬
künfte, 7) Fortbezug aller Gehalte seitens sämmtlicher Civil- und Militär¬
beamten, 8) Garantie der päpstlichen Staatsschuld, v) absolut freie Ausübung
der Functionen der Pfarrer und Bischöfe im ganzen Königreich und 10) Aus¬
nahmegesetze für Rom bezüglich der Militärconscnption, der Gemeindeverwal¬
tung und der Fideicommisse.

Ueber die vielgenannte leoninische Stadt mögen hier einige Bemerkungen
folgen: Nachdem die Sarazenen die Basilika geplündert hatten, die keine Schutz¬
wehr hatte, da früher angefangene Mauern wieder abgetragen worden waren,
ließ Papst Leo IV. in den Jahren 848 bis 832 das vatikanische Gebiet oder
den Porticus des Se. Peter so umschließen, daß die Mauer vom Hadricmeum
den Se. Peter umkreiste, dann herab bis zum Flusse reichte, unterhalb des
heutigen Thors Se. Spirito. Die Mauern waren fast 40 Fuß hoch und
mit 44 Thürmen versehen. Weitere Ausbaue der Stadttheile haben die
Mauern theilweise vertilgt und durchbrochen. Leo nannte den von diesen
Mauern eingeschlossenen Theil die Lüvit^ Lvonina, wie auch über deren Thoren
bezeichnet stand. Die Einweihung der Mauern wurde mit großen Festlich¬
keiten begangen; der Papst vertheilte große Geschenke.

Der Graf Ponza hatte durch das folgende Schreiben des Ministerpräsi¬
denten besondere Jnstructionen erhalten:

Der Conseils-Präsident an den Grafen Ponza ti San Martins. Flo¬
renz, 8. September 1870. Herr Graf! In dem feierlichen Augenblick, wo
die Negierung des Königs berufen erscheint, sowohl durch die Interessen Ita¬
liens, sowie die des Heiligen Stuhles die erforderlichen Maßregeln zur Sicherung
des nationalen Gebietes zu ergreifen, werden Sie beauftragt, mit einem Briefe
des Königs sich nach Rom zu dem Papst-Souverän zu begeben. Der König
als Beschützer und Garant der italienischen Bestimmung und als Katholik —
im hohen Grade dabei interessirt. das Schicksal des Heiligen Stuhles und
Italiens nicht Gefahren auszusetzen, welchen der Muth des Heiligen Vaters
nur zu sehr geneigt wäre sich entgegenzustemmen — fühlt der Katholicität
und Europa gegenüber sich gedrungen, die Verpflichtung zu übernehmen, um
die Ordnung auf der Halbinsel und die Sicherheit des Heiligen Stuhles
Unter seiner Verantwortlichkeit aufrecht zu erhalten. Die Regierung des Kö¬
nigs würde ihrer Aufgabe zuwiderhandeln, wenn sie, um einen Entschluß zu
fassen, erst warten würde, bis die Agitation ernste Ereignisse und Blut¬
vergießen herbeigeführt hätte. Wir beschränken uns darauf, unsere Truppen
auf römisches Gebiet rücken zu lassen, wenn die Umstände dies uns als noth¬
wendig erscheinen lassen, wobei wir die Besorgung der eigenen Administration
der Bevölkerung^anheimstellen. Die Regierung des Königs wird mit ihrer


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[0361] auch dann volle Immunität, wenn sie außerhalb der Stadt Leo's wohnen, 6) Immunität aller Cardinäle und ungeschmälerter Fortbezug aller ihrer Ein¬ künfte, 7) Fortbezug aller Gehalte seitens sämmtlicher Civil- und Militär¬ beamten, 8) Garantie der päpstlichen Staatsschuld, v) absolut freie Ausübung der Functionen der Pfarrer und Bischöfe im ganzen Königreich und 10) Aus¬ nahmegesetze für Rom bezüglich der Militärconscnption, der Gemeindeverwal¬ tung und der Fideicommisse. Ueber die vielgenannte leoninische Stadt mögen hier einige Bemerkungen folgen: Nachdem die Sarazenen die Basilika geplündert hatten, die keine Schutz¬ wehr hatte, da früher angefangene Mauern wieder abgetragen worden waren, ließ Papst Leo IV. in den Jahren 848 bis 832 das vatikanische Gebiet oder den Porticus des Se. Peter so umschließen, daß die Mauer vom Hadricmeum den Se. Peter umkreiste, dann herab bis zum Flusse reichte, unterhalb des heutigen Thors Se. Spirito. Die Mauern waren fast 40 Fuß hoch und mit 44 Thürmen versehen. Weitere Ausbaue der Stadttheile haben die Mauern theilweise vertilgt und durchbrochen. Leo nannte den von diesen Mauern eingeschlossenen Theil die Lüvit^ Lvonina, wie auch über deren Thoren bezeichnet stand. Die Einweihung der Mauern wurde mit großen Festlich¬ keiten begangen; der Papst vertheilte große Geschenke. Der Graf Ponza hatte durch das folgende Schreiben des Ministerpräsi¬ denten besondere Jnstructionen erhalten: Der Conseils-Präsident an den Grafen Ponza ti San Martins. Flo¬ renz, 8. September 1870. Herr Graf! In dem feierlichen Augenblick, wo die Negierung des Königs berufen erscheint, sowohl durch die Interessen Ita¬ liens, sowie die des Heiligen Stuhles die erforderlichen Maßregeln zur Sicherung des nationalen Gebietes zu ergreifen, werden Sie beauftragt, mit einem Briefe des Königs sich nach Rom zu dem Papst-Souverän zu begeben. Der König als Beschützer und Garant der italienischen Bestimmung und als Katholik — im hohen Grade dabei interessirt. das Schicksal des Heiligen Stuhles und Italiens nicht Gefahren auszusetzen, welchen der Muth des Heiligen Vaters nur zu sehr geneigt wäre sich entgegenzustemmen — fühlt der Katholicität und Europa gegenüber sich gedrungen, die Verpflichtung zu übernehmen, um die Ordnung auf der Halbinsel und die Sicherheit des Heiligen Stuhles Unter seiner Verantwortlichkeit aufrecht zu erhalten. Die Regierung des Kö¬ nigs würde ihrer Aufgabe zuwiderhandeln, wenn sie, um einen Entschluß zu fassen, erst warten würde, bis die Agitation ernste Ereignisse und Blut¬ vergießen herbeigeführt hätte. Wir beschränken uns darauf, unsere Truppen auf römisches Gebiet rücken zu lassen, wenn die Umstände dies uns als noth¬ wendig erscheinen lassen, wobei wir die Besorgung der eigenen Administration der Bevölkerung^anheimstellen. Die Regierung des Königs wird mit ihrer

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/361>, abgerufen am 26.06.2024.