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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Fensterchaisen und einem oder zwei der sehr bequemen sogenannten Familien-
Omnibusse, welche in Friedenszeiten die Reisenden von den französischen Bahn¬
höfen nach den Hotels befördern. Hinter unserem Wagen ritt ein Dragoner,
der sich unsere Regalia - Cigarren gut schmecken und sich nicht anfechten
ließ, daß sein Pferd und er selbst bei dem fast unausgesetzten Galoppreiten
auf der mit Schlamm bedeckten Chaussee bis zur Höhe des Sattelknopfes mit
einer compacten Masse desselben Schlammes bedeckt waren. In dieser Nähe
des Hauptquartiers nahm der Verkehr, das Leben und Treiben und Hin-
und Herfahren fortwährend zu. Proviantcolonnen wechselten mit den Mu-
nitions- und Geschützzügen ab und kreuzten sich mit Sanitätsabtheilungen, zur
Seite, vorn und hinten stets die Bedeckungsmaunschaften, so daß, als wir in
der Mitte fuhren, sich fortwährend drei Wagenzüge neben einander bewegten.
Dazwischen kamen wir mehrmals an der preußischen Feldpost vorüber und
uns wieder ließen die Courierwagen des Hauptquartiers hinter sich, von denen
einer oder zwei, leichte Kaleschen, mit der Bezeichnung ihrer Bestimmung auf
der Hinterseite des Verdecks, im Galoppe an uns vorüber flogen, so daß wir
nur ein paar Officiere darin bemerken konnten.

In Billeneuve le Roi wechselten wir die Pferde und erhielten nun zwei
Züge Dragoner statt des einen zur Bedeckung. Es wurde nach und nach
dunkel. Ueber der Gegend von Paris lag ein ziemlich starker gelblicher Schein
am Himmel, so hell, daß wir Anfangs glaubten, es sei eine Feuersbrunst.
Wahrscheinlich war die Ursache die Beleuchtung zum Theile mit elektrischem
Lichte. Von Zeit zu Zeit hörte man den dumpfen Schall eines entfernten
Kanonenschusses, und da es bereits finster war, so ließ sich jedesmal auch ein
schwacher Blitz vorher am Himmelsgewölbe bemerken. Zuletzt fing es an,
zu regnen, als wir Abends 7 Uhr durch die Straßen von Versailles
fuhren, unsre Postillione abermals ihre Posthörner erschallen ließen, und sich
hie und da eine Thür öffnete, da die Leute ziemlich verwundert sein mochten,
einen langen Zug von Wagen mit blasenden Postillionen bei dunkler Nacht
und im vollen Regen daher kommen zu sehen.

Der Zug hielt vor dem Feldoberpostamte in der Avenue de Paris; wir
stiegen aus und erhielten unsre Quartierbillets, da sonst nirgends Unterkunft
zu finden war. Das meinige lautete Ur. 20 Boulevard du Roi, Mr. B.
Proprietaire. Zunächst brachten uns die Wagen aber noch nach dem Re¬
staurant de l'Hotel des Reservoirs in der Straße gleichen Namens, welche
an der linken Seite des hoch gelegenen Versailler Schlosses im rechten
Winkel darauf stößt, sich ziemlich abschüssig in die Ebene hinabzieht
und weiterhin ihre Fortsetzung in dem bereits genannten Boulevard du Roi
findet. Das Hotel selbst war bis in die kleinsten Räume von den anwesen¬
den deutschen Fürsten und ihrem Gefolge besetzt; der große Speisesaal des


Fensterchaisen und einem oder zwei der sehr bequemen sogenannten Familien-
Omnibusse, welche in Friedenszeiten die Reisenden von den französischen Bahn¬
höfen nach den Hotels befördern. Hinter unserem Wagen ritt ein Dragoner,
der sich unsere Regalia - Cigarren gut schmecken und sich nicht anfechten
ließ, daß sein Pferd und er selbst bei dem fast unausgesetzten Galoppreiten
auf der mit Schlamm bedeckten Chaussee bis zur Höhe des Sattelknopfes mit
einer compacten Masse desselben Schlammes bedeckt waren. In dieser Nähe
des Hauptquartiers nahm der Verkehr, das Leben und Treiben und Hin-
und Herfahren fortwährend zu. Proviantcolonnen wechselten mit den Mu-
nitions- und Geschützzügen ab und kreuzten sich mit Sanitätsabtheilungen, zur
Seite, vorn und hinten stets die Bedeckungsmaunschaften, so daß, als wir in
der Mitte fuhren, sich fortwährend drei Wagenzüge neben einander bewegten.
Dazwischen kamen wir mehrmals an der preußischen Feldpost vorüber und
uns wieder ließen die Courierwagen des Hauptquartiers hinter sich, von denen
einer oder zwei, leichte Kaleschen, mit der Bezeichnung ihrer Bestimmung auf
der Hinterseite des Verdecks, im Galoppe an uns vorüber flogen, so daß wir
nur ein paar Officiere darin bemerken konnten.

In Billeneuve le Roi wechselten wir die Pferde und erhielten nun zwei
Züge Dragoner statt des einen zur Bedeckung. Es wurde nach und nach
dunkel. Ueber der Gegend von Paris lag ein ziemlich starker gelblicher Schein
am Himmel, so hell, daß wir Anfangs glaubten, es sei eine Feuersbrunst.
Wahrscheinlich war die Ursache die Beleuchtung zum Theile mit elektrischem
Lichte. Von Zeit zu Zeit hörte man den dumpfen Schall eines entfernten
Kanonenschusses, und da es bereits finster war, so ließ sich jedesmal auch ein
schwacher Blitz vorher am Himmelsgewölbe bemerken. Zuletzt fing es an,
zu regnen, als wir Abends 7 Uhr durch die Straßen von Versailles
fuhren, unsre Postillione abermals ihre Posthörner erschallen ließen, und sich
hie und da eine Thür öffnete, da die Leute ziemlich verwundert sein mochten,
einen langen Zug von Wagen mit blasenden Postillionen bei dunkler Nacht
und im vollen Regen daher kommen zu sehen.

Der Zug hielt vor dem Feldoberpostamte in der Avenue de Paris; wir
stiegen aus und erhielten unsre Quartierbillets, da sonst nirgends Unterkunft
zu finden war. Das meinige lautete Ur. 20 Boulevard du Roi, Mr. B.
Proprietaire. Zunächst brachten uns die Wagen aber noch nach dem Re¬
staurant de l'Hotel des Reservoirs in der Straße gleichen Namens, welche
an der linken Seite des hoch gelegenen Versailler Schlosses im rechten
Winkel darauf stößt, sich ziemlich abschüssig in die Ebene hinabzieht
und weiterhin ihre Fortsetzung in dem bereits genannten Boulevard du Roi
findet. Das Hotel selbst war bis in die kleinsten Räume von den anwesen¬
den deutschen Fürsten und ihrem Gefolge besetzt; der große Speisesaal des


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[0354] Fensterchaisen und einem oder zwei der sehr bequemen sogenannten Familien- Omnibusse, welche in Friedenszeiten die Reisenden von den französischen Bahn¬ höfen nach den Hotels befördern. Hinter unserem Wagen ritt ein Dragoner, der sich unsere Regalia - Cigarren gut schmecken und sich nicht anfechten ließ, daß sein Pferd und er selbst bei dem fast unausgesetzten Galoppreiten auf der mit Schlamm bedeckten Chaussee bis zur Höhe des Sattelknopfes mit einer compacten Masse desselben Schlammes bedeckt waren. In dieser Nähe des Hauptquartiers nahm der Verkehr, das Leben und Treiben und Hin- und Herfahren fortwährend zu. Proviantcolonnen wechselten mit den Mu- nitions- und Geschützzügen ab und kreuzten sich mit Sanitätsabtheilungen, zur Seite, vorn und hinten stets die Bedeckungsmaunschaften, so daß, als wir in der Mitte fuhren, sich fortwährend drei Wagenzüge neben einander bewegten. Dazwischen kamen wir mehrmals an der preußischen Feldpost vorüber und uns wieder ließen die Courierwagen des Hauptquartiers hinter sich, von denen einer oder zwei, leichte Kaleschen, mit der Bezeichnung ihrer Bestimmung auf der Hinterseite des Verdecks, im Galoppe an uns vorüber flogen, so daß wir nur ein paar Officiere darin bemerken konnten. In Billeneuve le Roi wechselten wir die Pferde und erhielten nun zwei Züge Dragoner statt des einen zur Bedeckung. Es wurde nach und nach dunkel. Ueber der Gegend von Paris lag ein ziemlich starker gelblicher Schein am Himmel, so hell, daß wir Anfangs glaubten, es sei eine Feuersbrunst. Wahrscheinlich war die Ursache die Beleuchtung zum Theile mit elektrischem Lichte. Von Zeit zu Zeit hörte man den dumpfen Schall eines entfernten Kanonenschusses, und da es bereits finster war, so ließ sich jedesmal auch ein schwacher Blitz vorher am Himmelsgewölbe bemerken. Zuletzt fing es an, zu regnen, als wir Abends 7 Uhr durch die Straßen von Versailles fuhren, unsre Postillione abermals ihre Posthörner erschallen ließen, und sich hie und da eine Thür öffnete, da die Leute ziemlich verwundert sein mochten, einen langen Zug von Wagen mit blasenden Postillionen bei dunkler Nacht und im vollen Regen daher kommen zu sehen. Der Zug hielt vor dem Feldoberpostamte in der Avenue de Paris; wir stiegen aus und erhielten unsre Quartierbillets, da sonst nirgends Unterkunft zu finden war. Das meinige lautete Ur. 20 Boulevard du Roi, Mr. B. Proprietaire. Zunächst brachten uns die Wagen aber noch nach dem Re¬ staurant de l'Hotel des Reservoirs in der Straße gleichen Namens, welche an der linken Seite des hoch gelegenen Versailler Schlosses im rechten Winkel darauf stößt, sich ziemlich abschüssig in die Ebene hinabzieht und weiterhin ihre Fortsetzung in dem bereits genannten Boulevard du Roi findet. Das Hotel selbst war bis in die kleinsten Räume von den anwesen¬ den deutschen Fürsten und ihrem Gefolge besetzt; der große Speisesaal des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/354>, abgerufen am 26.06.2024.