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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Phlegyern ziehen, so schreiten die beiden Waffen geführten Meriones und Ido-
meneus zusammen.

Selbst die Rosse in beiden Lagern sind zum Theil göttlichen Ursprungs.
Aanthos und Valios, Fuchs und Scheck, von der Harpyie Podarge, Schnell¬
fuß, dem Zephyros geboren, von Zeus einst dem Peleus geschenkt, ziehen
den Wagen Aedilis. Und auch den Troern hat jener zur Entschädigung für
Ganymedes Pferde verehrt, die besten von allen, soweit Eos und Helios
reichen. Aus dieser Race besitzt Aeneas ein Paar, die zu erbeuten des Dio-
medes Herzenswunsch ist. Apollo selbst hat die Stuten des Emnelos aufge¬
zogen : sie sind schnellfüßig wie Vögel und über dem Rücken gleich als wären
sie mit der Bleiwage gemessen.

Dem entspricht der durchaus aristokratische Geist' der Kriegführung.
Könige oder in deren Vertretung Königssöhne führen die einzelnen Völker
an, die vor dem strahlenden Licht, welches ihren Vorkämpfer umgibt, in tiefen
Schatten zurücktreten: numerus t'riiMs collsumoi-e arti. Auf den "Brücken
des Krieges", zwischen den einander gegenüberstehenden Heerschaaren wird
meist die Entscheidung errungen durch die Heldenkraft Einzelner! ja dem
Zweikampf im Namen Aller kann der Ausschlag des ganzen Krieges anheim¬
gestellt werden. Bogen und Schleudern, die aus der Ferne wirken, sind
wenig geachtet. Würdig des Edlen ist nur der Nahkampf mit dem Speer,
vom Streitwagen herab, zu Fuß mit Schwert und mächtigem Steinwurf.
In voller Plastik hebt sich die heroische Persönlichkeit vom kriegerischen Hinter¬
grunde ab.

Wie sehr aber die Phantasie des Sängers noch in überwältigenden
Naturerscheinungen lebt, zeigen die Gleichnisse, welche die übermenschliche
Kraft und Herrlichkeit seiner Helden veranschaulichen. Wie ein vom Regen
angeschwollner Waldstrom, der vom Berge herabstürzt: viel Eichen und
Fichten führt er mit sich fort, viel Gras spült er ins Meer, so wogt Ajas
in der Ebne Rosse und Männer tödtend. Und Hektor. Wie ein Steinblock,
den ein Waldstrom vom Berggipfel abgespült hat, hochspringend fliegt durch
den dröhnenden Wald bis in die Ebne, wo er Halt macht, so stand Hektor
still, als er auf die festgefügten Reihen der Griechen stieß. Derselbe springt
auf ein Schiff der Achäer und erregt ihr Entsetzen wie eine Meereswoge
im Sturm, die Alles in Schaum begräbt. Oder er rast wie ein Wald¬
brand, der in tiefen Schluchten des Gebirges vom Winde überall hin ge¬
weht wird. Mit strahlendem Erz gepanzert leuchtet er wie die Flamme
des Hephäst, seine Augen stammen, er selbst gleicht der stürmenden Nacht.
Und besonders Aedilis leuchtende Erscheinung wird oft gepriesen. Seine
Lanze blitzt wie der Abendstern. Und er selbst erscheint dem Priamos
wie Orion, der hellste von allen Sternen, der aber den Leuten Unglück und


Phlegyern ziehen, so schreiten die beiden Waffen geführten Meriones und Ido-
meneus zusammen.

Selbst die Rosse in beiden Lagern sind zum Theil göttlichen Ursprungs.
Aanthos und Valios, Fuchs und Scheck, von der Harpyie Podarge, Schnell¬
fuß, dem Zephyros geboren, von Zeus einst dem Peleus geschenkt, ziehen
den Wagen Aedilis. Und auch den Troern hat jener zur Entschädigung für
Ganymedes Pferde verehrt, die besten von allen, soweit Eos und Helios
reichen. Aus dieser Race besitzt Aeneas ein Paar, die zu erbeuten des Dio-
medes Herzenswunsch ist. Apollo selbst hat die Stuten des Emnelos aufge¬
zogen : sie sind schnellfüßig wie Vögel und über dem Rücken gleich als wären
sie mit der Bleiwage gemessen.

Dem entspricht der durchaus aristokratische Geist' der Kriegführung.
Könige oder in deren Vertretung Königssöhne führen die einzelnen Völker
an, die vor dem strahlenden Licht, welches ihren Vorkämpfer umgibt, in tiefen
Schatten zurücktreten: numerus t'riiMs collsumoi-e arti. Auf den „Brücken
des Krieges", zwischen den einander gegenüberstehenden Heerschaaren wird
meist die Entscheidung errungen durch die Heldenkraft Einzelner! ja dem
Zweikampf im Namen Aller kann der Ausschlag des ganzen Krieges anheim¬
gestellt werden. Bogen und Schleudern, die aus der Ferne wirken, sind
wenig geachtet. Würdig des Edlen ist nur der Nahkampf mit dem Speer,
vom Streitwagen herab, zu Fuß mit Schwert und mächtigem Steinwurf.
In voller Plastik hebt sich die heroische Persönlichkeit vom kriegerischen Hinter¬
grunde ab.

Wie sehr aber die Phantasie des Sängers noch in überwältigenden
Naturerscheinungen lebt, zeigen die Gleichnisse, welche die übermenschliche
Kraft und Herrlichkeit seiner Helden veranschaulichen. Wie ein vom Regen
angeschwollner Waldstrom, der vom Berge herabstürzt: viel Eichen und
Fichten führt er mit sich fort, viel Gras spült er ins Meer, so wogt Ajas
in der Ebne Rosse und Männer tödtend. Und Hektor. Wie ein Steinblock,
den ein Waldstrom vom Berggipfel abgespült hat, hochspringend fliegt durch
den dröhnenden Wald bis in die Ebne, wo er Halt macht, so stand Hektor
still, als er auf die festgefügten Reihen der Griechen stieß. Derselbe springt
auf ein Schiff der Achäer und erregt ihr Entsetzen wie eine Meereswoge
im Sturm, die Alles in Schaum begräbt. Oder er rast wie ein Wald¬
brand, der in tiefen Schluchten des Gebirges vom Winde überall hin ge¬
weht wird. Mit strahlendem Erz gepanzert leuchtet er wie die Flamme
des Hephäst, seine Augen stammen, er selbst gleicht der stürmenden Nacht.
Und besonders Aedilis leuchtende Erscheinung wird oft gepriesen. Seine
Lanze blitzt wie der Abendstern. Und er selbst erscheint dem Priamos
wie Orion, der hellste von allen Sternen, der aber den Leuten Unglück und


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[0343] Phlegyern ziehen, so schreiten die beiden Waffen geführten Meriones und Ido- meneus zusammen. Selbst die Rosse in beiden Lagern sind zum Theil göttlichen Ursprungs. Aanthos und Valios, Fuchs und Scheck, von der Harpyie Podarge, Schnell¬ fuß, dem Zephyros geboren, von Zeus einst dem Peleus geschenkt, ziehen den Wagen Aedilis. Und auch den Troern hat jener zur Entschädigung für Ganymedes Pferde verehrt, die besten von allen, soweit Eos und Helios reichen. Aus dieser Race besitzt Aeneas ein Paar, die zu erbeuten des Dio- medes Herzenswunsch ist. Apollo selbst hat die Stuten des Emnelos aufge¬ zogen : sie sind schnellfüßig wie Vögel und über dem Rücken gleich als wären sie mit der Bleiwage gemessen. Dem entspricht der durchaus aristokratische Geist' der Kriegführung. Könige oder in deren Vertretung Königssöhne führen die einzelnen Völker an, die vor dem strahlenden Licht, welches ihren Vorkämpfer umgibt, in tiefen Schatten zurücktreten: numerus t'riiMs collsumoi-e arti. Auf den „Brücken des Krieges", zwischen den einander gegenüberstehenden Heerschaaren wird meist die Entscheidung errungen durch die Heldenkraft Einzelner! ja dem Zweikampf im Namen Aller kann der Ausschlag des ganzen Krieges anheim¬ gestellt werden. Bogen und Schleudern, die aus der Ferne wirken, sind wenig geachtet. Würdig des Edlen ist nur der Nahkampf mit dem Speer, vom Streitwagen herab, zu Fuß mit Schwert und mächtigem Steinwurf. In voller Plastik hebt sich die heroische Persönlichkeit vom kriegerischen Hinter¬ grunde ab. Wie sehr aber die Phantasie des Sängers noch in überwältigenden Naturerscheinungen lebt, zeigen die Gleichnisse, welche die übermenschliche Kraft und Herrlichkeit seiner Helden veranschaulichen. Wie ein vom Regen angeschwollner Waldstrom, der vom Berge herabstürzt: viel Eichen und Fichten führt er mit sich fort, viel Gras spült er ins Meer, so wogt Ajas in der Ebne Rosse und Männer tödtend. Und Hektor. Wie ein Steinblock, den ein Waldstrom vom Berggipfel abgespült hat, hochspringend fliegt durch den dröhnenden Wald bis in die Ebne, wo er Halt macht, so stand Hektor still, als er auf die festgefügten Reihen der Griechen stieß. Derselbe springt auf ein Schiff der Achäer und erregt ihr Entsetzen wie eine Meereswoge im Sturm, die Alles in Schaum begräbt. Oder er rast wie ein Wald¬ brand, der in tiefen Schluchten des Gebirges vom Winde überall hin ge¬ weht wird. Mit strahlendem Erz gepanzert leuchtet er wie die Flamme des Hephäst, seine Augen stammen, er selbst gleicht der stürmenden Nacht. Und besonders Aedilis leuchtende Erscheinung wird oft gepriesen. Seine Lanze blitzt wie der Abendstern. Und er selbst erscheint dem Priamos wie Orion, der hellste von allen Sternen, der aber den Leuten Unglück und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/343>, abgerufen am 28.09.2024.