Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

lassen. Mit dem Augenblick des Einrücken" der königlichen Truppen müsse
aber hebe bewaffnete Macht im Kirchenstaat als aufgehoben betrachtet werden.
Die fremden Söldner müßten in ihre Heimath geschickt, die Eingeborenen dem
italienischen Heere einverleibt werden. Die Regierung werde dafür sorgen,
daß dem Oberhaupte der Kirche die im Hinblick auf seine Stellung unent¬
behrlichen Einkünfte nicht fehlen. Demselben werde auch die Unverletzbarkeit
seiner Person und der Personen seiner Umgebung, des Klerus und zugleich
die volle und freie Ausübung der kirchlichen Gewalt garantirt. Jede weitere
Bestimmung über die Beziehungen des heiligen Stuhles zum Staate und die
Verhältnisse der Stadt Rom als Hauptstadt Italiens, über die Ausübung
der Kirchengewalt und Residenz des Oberhauptes der Kirche, müsse besonderen
späteren Verhandlungen vorbehalten bleiben, und würde die Regierung des
Königs dabei mit aller Loyalität vorgehen, welche in der freiheitlichen Ge¬
staltung des Königreichs und den freien Principien ihren Grund hätte, von
denen die Regierung desselben geleitet werde."

Man kann sich die ungeheure Aufregung denken, in welche man im Va-
tican versetzt wurde. Es wurde bei mehreren Mächten angefragt, welche Hal¬
tung dieselben bezüglich der weltlichen Macht und Herrschaft des Papstes
einnehmen würden. Aber die Antworten lauteten ausweichend; die Mächte
versicherten, sie respeetirten die geistliche Macht. Der Hauptbeschützer war
machtlos; von den beiden andern katholischen Staaten, Spanien und Oestreich-
Ungarn, war von ersterem gar nichts zu erwarten, der letztere war theils mit
den inneren Angelegenheiten zu sehr beschäftigt, um sein Gewicht geltend zu
machen, theils waren die Beziehungen durch das Concil und dessen Erfolge
veränderte geworden und einigermaßen erkaltet. Kleinere Staaten, wie Bayern,
konnten höchstens ihre Theilnahme kund geben, aber weder einen Einfluß
ausüben, noch eine Entscheidung herbeiführen. Die protestantischen Staaten
standen dem Interesse der weltlichen Macht Roms zu fern, und waren auch
Italiens Dynastie und Negierung so befreundet, daß sie nicht Veranlassung
fanden, in irgend einer Weise feindlich gegen dieselben aufzutreten. So hatte
auch Preußen erklärt, es lasse aus diesem Grunde Italien freie Hand, und
wünsche nur die Freiheit des Papstes in geistlichen Dingen ungeschmälert er¬
halten zu sehen, sowie die Garantirung des freien Verkehrs seiner katholischen
Unterthanen mit ihm.

Um die Besorgnisse vor der Besitznahme zu zerstreuen, erhielt der Redac¬
teur des Osservatore Romano die Weisung, folgendes Kommunique aufzu¬
nehmen: "Das Gerücht, daß eine große Anzahl Truppen von der italienischen
Regierung an den Grenzen zusammengezogen worden, hat nicht verfehlt, in
Rom einen bedeutenden Eindruck zu machen, zumal es heißt, die Truppen
hätten einen andern Zweck, als Garibaldianische Banden von der Ueberschrei-


lassen. Mit dem Augenblick des Einrücken« der königlichen Truppen müsse
aber hebe bewaffnete Macht im Kirchenstaat als aufgehoben betrachtet werden.
Die fremden Söldner müßten in ihre Heimath geschickt, die Eingeborenen dem
italienischen Heere einverleibt werden. Die Regierung werde dafür sorgen,
daß dem Oberhaupte der Kirche die im Hinblick auf seine Stellung unent¬
behrlichen Einkünfte nicht fehlen. Demselben werde auch die Unverletzbarkeit
seiner Person und der Personen seiner Umgebung, des Klerus und zugleich
die volle und freie Ausübung der kirchlichen Gewalt garantirt. Jede weitere
Bestimmung über die Beziehungen des heiligen Stuhles zum Staate und die
Verhältnisse der Stadt Rom als Hauptstadt Italiens, über die Ausübung
der Kirchengewalt und Residenz des Oberhauptes der Kirche, müsse besonderen
späteren Verhandlungen vorbehalten bleiben, und würde die Regierung des
Königs dabei mit aller Loyalität vorgehen, welche in der freiheitlichen Ge¬
staltung des Königreichs und den freien Principien ihren Grund hätte, von
denen die Regierung desselben geleitet werde."

Man kann sich die ungeheure Aufregung denken, in welche man im Va-
tican versetzt wurde. Es wurde bei mehreren Mächten angefragt, welche Hal¬
tung dieselben bezüglich der weltlichen Macht und Herrschaft des Papstes
einnehmen würden. Aber die Antworten lauteten ausweichend; die Mächte
versicherten, sie respeetirten die geistliche Macht. Der Hauptbeschützer war
machtlos; von den beiden andern katholischen Staaten, Spanien und Oestreich-
Ungarn, war von ersterem gar nichts zu erwarten, der letztere war theils mit
den inneren Angelegenheiten zu sehr beschäftigt, um sein Gewicht geltend zu
machen, theils waren die Beziehungen durch das Concil und dessen Erfolge
veränderte geworden und einigermaßen erkaltet. Kleinere Staaten, wie Bayern,
konnten höchstens ihre Theilnahme kund geben, aber weder einen Einfluß
ausüben, noch eine Entscheidung herbeiführen. Die protestantischen Staaten
standen dem Interesse der weltlichen Macht Roms zu fern, und waren auch
Italiens Dynastie und Negierung so befreundet, daß sie nicht Veranlassung
fanden, in irgend einer Weise feindlich gegen dieselben aufzutreten. So hatte
auch Preußen erklärt, es lasse aus diesem Grunde Italien freie Hand, und
wünsche nur die Freiheit des Papstes in geistlichen Dingen ungeschmälert er¬
halten zu sehen, sowie die Garantirung des freien Verkehrs seiner katholischen
Unterthanen mit ihm.

Um die Besorgnisse vor der Besitznahme zu zerstreuen, erhielt der Redac¬
teur des Osservatore Romano die Weisung, folgendes Kommunique aufzu¬
nehmen: „Das Gerücht, daß eine große Anzahl Truppen von der italienischen
Regierung an den Grenzen zusammengezogen worden, hat nicht verfehlt, in
Rom einen bedeutenden Eindruck zu machen, zumal es heißt, die Truppen
hätten einen andern Zweck, als Garibaldianische Banden von der Ueberschrei-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125566"/>
          <p xml:id="ID_1145" prev="#ID_1144"> lassen. Mit dem Augenblick des Einrücken« der königlichen Truppen müsse<lb/>
aber hebe bewaffnete Macht im Kirchenstaat als aufgehoben betrachtet werden.<lb/>
Die fremden Söldner müßten in ihre Heimath geschickt, die Eingeborenen dem<lb/>
italienischen Heere einverleibt werden. Die Regierung werde dafür sorgen,<lb/>
daß dem Oberhaupte der Kirche die im Hinblick auf seine Stellung unent¬<lb/>
behrlichen Einkünfte nicht fehlen. Demselben werde auch die Unverletzbarkeit<lb/>
seiner Person und der Personen seiner Umgebung, des Klerus und zugleich<lb/>
die volle und freie Ausübung der kirchlichen Gewalt garantirt. Jede weitere<lb/>
Bestimmung über die Beziehungen des heiligen Stuhles zum Staate und die<lb/>
Verhältnisse der Stadt Rom als Hauptstadt Italiens, über die Ausübung<lb/>
der Kirchengewalt und Residenz des Oberhauptes der Kirche, müsse besonderen<lb/>
späteren Verhandlungen vorbehalten bleiben, und würde die Regierung des<lb/>
Königs dabei mit aller Loyalität vorgehen, welche in der freiheitlichen Ge¬<lb/>
staltung des Königreichs und den freien Principien ihren Grund hätte, von<lb/>
denen die Regierung desselben geleitet werde."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1146"> Man kann sich die ungeheure Aufregung denken, in welche man im Va-<lb/>
tican versetzt wurde. Es wurde bei mehreren Mächten angefragt, welche Hal¬<lb/>
tung dieselben bezüglich der weltlichen Macht und Herrschaft des Papstes<lb/>
einnehmen würden. Aber die Antworten lauteten ausweichend; die Mächte<lb/>
versicherten, sie respeetirten die geistliche Macht. Der Hauptbeschützer war<lb/>
machtlos; von den beiden andern katholischen Staaten, Spanien und Oestreich-<lb/>
Ungarn, war von ersterem gar nichts zu erwarten, der letztere war theils mit<lb/>
den inneren Angelegenheiten zu sehr beschäftigt, um sein Gewicht geltend zu<lb/>
machen, theils waren die Beziehungen durch das Concil und dessen Erfolge<lb/>
veränderte geworden und einigermaßen erkaltet. Kleinere Staaten, wie Bayern,<lb/>
konnten höchstens ihre Theilnahme kund geben, aber weder einen Einfluß<lb/>
ausüben, noch eine Entscheidung herbeiführen. Die protestantischen Staaten<lb/>
standen dem Interesse der weltlichen Macht Roms zu fern, und waren auch<lb/>
Italiens Dynastie und Negierung so befreundet, daß sie nicht Veranlassung<lb/>
fanden, in irgend einer Weise feindlich gegen dieselben aufzutreten. So hatte<lb/>
auch Preußen erklärt, es lasse aus diesem Grunde Italien freie Hand, und<lb/>
wünsche nur die Freiheit des Papstes in geistlichen Dingen ungeschmälert er¬<lb/>
halten zu sehen, sowie die Garantirung des freien Verkehrs seiner katholischen<lb/>
Unterthanen mit ihm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1147" next="#ID_1148"> Um die Besorgnisse vor der Besitznahme zu zerstreuen, erhielt der Redac¬<lb/>
teur des Osservatore Romano die Weisung, folgendes Kommunique aufzu¬<lb/>
nehmen: &#x201E;Das Gerücht, daß eine große Anzahl Truppen von der italienischen<lb/>
Regierung an den Grenzen zusammengezogen worden, hat nicht verfehlt, in<lb/>
Rom einen bedeutenden Eindruck zu machen, zumal es heißt, die Truppen<lb/>
hätten einen andern Zweck, als Garibaldianische Banden von der Ueberschrei-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0322] lassen. Mit dem Augenblick des Einrücken« der königlichen Truppen müsse aber hebe bewaffnete Macht im Kirchenstaat als aufgehoben betrachtet werden. Die fremden Söldner müßten in ihre Heimath geschickt, die Eingeborenen dem italienischen Heere einverleibt werden. Die Regierung werde dafür sorgen, daß dem Oberhaupte der Kirche die im Hinblick auf seine Stellung unent¬ behrlichen Einkünfte nicht fehlen. Demselben werde auch die Unverletzbarkeit seiner Person und der Personen seiner Umgebung, des Klerus und zugleich die volle und freie Ausübung der kirchlichen Gewalt garantirt. Jede weitere Bestimmung über die Beziehungen des heiligen Stuhles zum Staate und die Verhältnisse der Stadt Rom als Hauptstadt Italiens, über die Ausübung der Kirchengewalt und Residenz des Oberhauptes der Kirche, müsse besonderen späteren Verhandlungen vorbehalten bleiben, und würde die Regierung des Königs dabei mit aller Loyalität vorgehen, welche in der freiheitlichen Ge¬ staltung des Königreichs und den freien Principien ihren Grund hätte, von denen die Regierung desselben geleitet werde." Man kann sich die ungeheure Aufregung denken, in welche man im Va- tican versetzt wurde. Es wurde bei mehreren Mächten angefragt, welche Hal¬ tung dieselben bezüglich der weltlichen Macht und Herrschaft des Papstes einnehmen würden. Aber die Antworten lauteten ausweichend; die Mächte versicherten, sie respeetirten die geistliche Macht. Der Hauptbeschützer war machtlos; von den beiden andern katholischen Staaten, Spanien und Oestreich- Ungarn, war von ersterem gar nichts zu erwarten, der letztere war theils mit den inneren Angelegenheiten zu sehr beschäftigt, um sein Gewicht geltend zu machen, theils waren die Beziehungen durch das Concil und dessen Erfolge veränderte geworden und einigermaßen erkaltet. Kleinere Staaten, wie Bayern, konnten höchstens ihre Theilnahme kund geben, aber weder einen Einfluß ausüben, noch eine Entscheidung herbeiführen. Die protestantischen Staaten standen dem Interesse der weltlichen Macht Roms zu fern, und waren auch Italiens Dynastie und Negierung so befreundet, daß sie nicht Veranlassung fanden, in irgend einer Weise feindlich gegen dieselben aufzutreten. So hatte auch Preußen erklärt, es lasse aus diesem Grunde Italien freie Hand, und wünsche nur die Freiheit des Papstes in geistlichen Dingen ungeschmälert er¬ halten zu sehen, sowie die Garantirung des freien Verkehrs seiner katholischen Unterthanen mit ihm. Um die Besorgnisse vor der Besitznahme zu zerstreuen, erhielt der Redac¬ teur des Osservatore Romano die Weisung, folgendes Kommunique aufzu¬ nehmen: „Das Gerücht, daß eine große Anzahl Truppen von der italienischen Regierung an den Grenzen zusammengezogen worden, hat nicht verfehlt, in Rom einen bedeutenden Eindruck zu machen, zumal es heißt, die Truppen hätten einen andern Zweck, als Garibaldianische Banden von der Ueberschrei-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/322
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/322>, abgerufen am 28.09.2024.