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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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rung der Dinge in den Negierungsverhältnissen in nahe Aussicht stellen. Im
Princip wird daher im Ministerrathe schon am 26. August der Beschluß ge¬
faßt, Rom zu besetzen, da man glaubt, die Schwierigkeiten beseitigt zu haben,
welche etwa von andern Mächten dagegen erhoben werden könnten, indem
man denselben, namentlich in Wien durch Minghetti den Entschluß notificirt
hatte. An ihren Agenten in Rom hatte die italienische Regierung gleichfalls
sofort eine Mittheilung erlassen, deren Hauptinhalt folgender war: "Die Re¬
gierung habe die ausdrücklich als private bezeichneten Erklärungen nardi's
während seiner Anwesenheit in Florenz mit lebhafter Befriedigung entgegen¬
genommen. Sie sei entschlossen, alle Maßregeln zu ergreifen, welche dazu
dienen können, die Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhls und des Ober¬
hauptes der katholischen Kirche zu sichern, indem sie ihn mit allen Garantien
und Prärogativen umgebe, welche zur Erfüllung seiner geistlichen Mission
nöthig seien. Ein anderes Recht erkenne sie nicht an und könne sie nicht
anerkennen, außer dem nationalen Rechte auf eine volle und absolute Inte¬
grität der Territoriums der Nation. Dieses Recht, von der National
Repräsentation wiederholt ausgesprochen, durch die Septemberconvention ver¬
loren gegangen, verlange, aus der Frage der weltlichen Herrschaft des Papstes
eine rein italienische zu machen, dasselbe Recht übrigens, welches die Regie¬
rung des Königs zu allen Zeiten festgehalten habe. Gegenüber den Verhältnissen,
Traditionen und Gewohnheiten der römischen Curie sei in Bezug auf die
Lösung der römischen Frage eine Verständigung nicht zu hoffen. Der leb¬
hafteste und aufrichtigste Wunsch des Königs sei, Sr. Eminenz ans Herz zu
legen, daß im Interesse der Würde und des Ansehens der Kirche namentlich,
und der Gewissensberuhigung, jeder Anschein von Gewalt vermieden werden
möge. Der Papst dürfe allezeit auf die größte Hochachtung und Ehrerbie¬
tung feiten der Regierung rechnen. Im Uebrigen aber sei dieselbe entschlossen,
den Rest des ehemaligen Kirchenstaates mit dem Königreich Italien zu ver¬
einigen. Und zu diesem Zwecke würden die königlichen Truppen in denselben
einrücken. Die Regierungsgewalt werde unmittelbar auf den König über¬
gehen. Bis zur Einvernehmung des Parlaments werde an der Form der
Administration und Justizverwaltung, welche im Augenblick in Geltung sei,
nichts geändert werden, soweit nicht von der öffentlichen Sicherheit anderes
verlangt werde. Anlangend die Besetzung der Stadt Rom selber, werde sie
gleichzeitig mit der des römischen Gebiets erfolgen, aber lediglich zum Zweck
einfacher Besitzergreifung mittelst der Aufhissung der Nationalflagge auf dem
Castell Sant Angelo. Unmittelbar nach Vornahme des Aktes würden sich die
königlichen Truppen aus der Stadt wieder zurückziehen, und nur eine ein¬
zige Compagnie zum Schutze der Flagge, und eine Anzahl von Carabinieri
zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit daselbst zurück-


rung der Dinge in den Negierungsverhältnissen in nahe Aussicht stellen. Im
Princip wird daher im Ministerrathe schon am 26. August der Beschluß ge¬
faßt, Rom zu besetzen, da man glaubt, die Schwierigkeiten beseitigt zu haben,
welche etwa von andern Mächten dagegen erhoben werden könnten, indem
man denselben, namentlich in Wien durch Minghetti den Entschluß notificirt
hatte. An ihren Agenten in Rom hatte die italienische Regierung gleichfalls
sofort eine Mittheilung erlassen, deren Hauptinhalt folgender war: „Die Re¬
gierung habe die ausdrücklich als private bezeichneten Erklärungen nardi's
während seiner Anwesenheit in Florenz mit lebhafter Befriedigung entgegen¬
genommen. Sie sei entschlossen, alle Maßregeln zu ergreifen, welche dazu
dienen können, die Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhls und des Ober¬
hauptes der katholischen Kirche zu sichern, indem sie ihn mit allen Garantien
und Prärogativen umgebe, welche zur Erfüllung seiner geistlichen Mission
nöthig seien. Ein anderes Recht erkenne sie nicht an und könne sie nicht
anerkennen, außer dem nationalen Rechte auf eine volle und absolute Inte¬
grität der Territoriums der Nation. Dieses Recht, von der National
Repräsentation wiederholt ausgesprochen, durch die Septemberconvention ver¬
loren gegangen, verlange, aus der Frage der weltlichen Herrschaft des Papstes
eine rein italienische zu machen, dasselbe Recht übrigens, welches die Regie¬
rung des Königs zu allen Zeiten festgehalten habe. Gegenüber den Verhältnissen,
Traditionen und Gewohnheiten der römischen Curie sei in Bezug auf die
Lösung der römischen Frage eine Verständigung nicht zu hoffen. Der leb¬
hafteste und aufrichtigste Wunsch des Königs sei, Sr. Eminenz ans Herz zu
legen, daß im Interesse der Würde und des Ansehens der Kirche namentlich,
und der Gewissensberuhigung, jeder Anschein von Gewalt vermieden werden
möge. Der Papst dürfe allezeit auf die größte Hochachtung und Ehrerbie¬
tung feiten der Regierung rechnen. Im Uebrigen aber sei dieselbe entschlossen,
den Rest des ehemaligen Kirchenstaates mit dem Königreich Italien zu ver¬
einigen. Und zu diesem Zwecke würden die königlichen Truppen in denselben
einrücken. Die Regierungsgewalt werde unmittelbar auf den König über¬
gehen. Bis zur Einvernehmung des Parlaments werde an der Form der
Administration und Justizverwaltung, welche im Augenblick in Geltung sei,
nichts geändert werden, soweit nicht von der öffentlichen Sicherheit anderes
verlangt werde. Anlangend die Besetzung der Stadt Rom selber, werde sie
gleichzeitig mit der des römischen Gebiets erfolgen, aber lediglich zum Zweck
einfacher Besitzergreifung mittelst der Aufhissung der Nationalflagge auf dem
Castell Sant Angelo. Unmittelbar nach Vornahme des Aktes würden sich die
königlichen Truppen aus der Stadt wieder zurückziehen, und nur eine ein¬
zige Compagnie zum Schutze der Flagge, und eine Anzahl von Carabinieri
zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit daselbst zurück-


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[0321] rung der Dinge in den Negierungsverhältnissen in nahe Aussicht stellen. Im Princip wird daher im Ministerrathe schon am 26. August der Beschluß ge¬ faßt, Rom zu besetzen, da man glaubt, die Schwierigkeiten beseitigt zu haben, welche etwa von andern Mächten dagegen erhoben werden könnten, indem man denselben, namentlich in Wien durch Minghetti den Entschluß notificirt hatte. An ihren Agenten in Rom hatte die italienische Regierung gleichfalls sofort eine Mittheilung erlassen, deren Hauptinhalt folgender war: „Die Re¬ gierung habe die ausdrücklich als private bezeichneten Erklärungen nardi's während seiner Anwesenheit in Florenz mit lebhafter Befriedigung entgegen¬ genommen. Sie sei entschlossen, alle Maßregeln zu ergreifen, welche dazu dienen können, die Unabhängigkeit des päpstlichen Stuhls und des Ober¬ hauptes der katholischen Kirche zu sichern, indem sie ihn mit allen Garantien und Prärogativen umgebe, welche zur Erfüllung seiner geistlichen Mission nöthig seien. Ein anderes Recht erkenne sie nicht an und könne sie nicht anerkennen, außer dem nationalen Rechte auf eine volle und absolute Inte¬ grität der Territoriums der Nation. Dieses Recht, von der National Repräsentation wiederholt ausgesprochen, durch die Septemberconvention ver¬ loren gegangen, verlange, aus der Frage der weltlichen Herrschaft des Papstes eine rein italienische zu machen, dasselbe Recht übrigens, welches die Regie¬ rung des Königs zu allen Zeiten festgehalten habe. Gegenüber den Verhältnissen, Traditionen und Gewohnheiten der römischen Curie sei in Bezug auf die Lösung der römischen Frage eine Verständigung nicht zu hoffen. Der leb¬ hafteste und aufrichtigste Wunsch des Königs sei, Sr. Eminenz ans Herz zu legen, daß im Interesse der Würde und des Ansehens der Kirche namentlich, und der Gewissensberuhigung, jeder Anschein von Gewalt vermieden werden möge. Der Papst dürfe allezeit auf die größte Hochachtung und Ehrerbie¬ tung feiten der Regierung rechnen. Im Uebrigen aber sei dieselbe entschlossen, den Rest des ehemaligen Kirchenstaates mit dem Königreich Italien zu ver¬ einigen. Und zu diesem Zwecke würden die königlichen Truppen in denselben einrücken. Die Regierungsgewalt werde unmittelbar auf den König über¬ gehen. Bis zur Einvernehmung des Parlaments werde an der Form der Administration und Justizverwaltung, welche im Augenblick in Geltung sei, nichts geändert werden, soweit nicht von der öffentlichen Sicherheit anderes verlangt werde. Anlangend die Besetzung der Stadt Rom selber, werde sie gleichzeitig mit der des römischen Gebiets erfolgen, aber lediglich zum Zweck einfacher Besitzergreifung mittelst der Aufhissung der Nationalflagge auf dem Castell Sant Angelo. Unmittelbar nach Vornahme des Aktes würden sich die königlichen Truppen aus der Stadt wieder zurückziehen, und nur eine ein¬ zige Compagnie zum Schutze der Flagge, und eine Anzahl von Carabinieri zur Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit daselbst zurück-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/321>, abgerufen am 29.06.2024.