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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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solches Lob seinen Anspruch hast. "Vor dem Kammerdiener gibt es keine
großen Charaktere". Gut, vor der Frau noch viel weniger. Wir, Du und
ich, wir wissen ja, wenn Du Dein Glück nicht gemacht hast, so lag es nicht
am Mangel an gutem Willen, sondern an Ungeschick. Wenn es Brei regnet,
dann hast Du sicher keinen Löffel. Gott besser's.

Was, Du antwortest darauf mit Grunzen? Ja, damit ist nicht gehol¬
fen, das sage ich Dir. Aber, was wollte ich doch eigentlich sagen? Ja so!
Das, was ich der Frau Professor Stahl gesagt habe, wollte ich sagen. "Frau
Professor", also sagte ich, "wir sind mit irdischen Glücksgütern nicht gesegnet",
sagte ich, "deßhalb steuert mein Mann zu den patriotischen Zwecken das Beste
bei, was er hat, nämlich seinen fleckenlosen und unbescholtenen Namen, welcher
einen guten Klang hat in beiden Hemisphären, und welcher mehr Beiträge
fließen macht, als alle" -- --

Doch was soll ich Dir unsere Unterredung weiter erzählen. Du scheinst
doch keinen Werth darauf zu legen. Ich schlage mich sür Dich; und Du,
statt mir Dank zu wissen, grunzest dazu. Gut, ich will auch dazu schweigen.
Schweige ich ja doch zu Vielem. Aber, beim Frühstück, das war denn doch
zu arg. Ich legte Dir die Zeitung zum zweiten Male hin. 'Das Pontus-
Telegramm obenauf. Wäre es ein Wolf, es hätte Dich gefressen. Aber
nein, nichts Pontus; der große Politiker, welcher seiner Versicherung nach
ehedem ganz Rußland mittels eines Strohhalmes in ein Mauseloch gejagt
hat, er übersieht den Pontus und Alles. Er hat bessere Dinge zu thun.
Er sucht Aufrufe, unter welchen, mitten unter fünfzig andern bekannten und
unbekannten Unterschriften, welche unnöthiger Weise den Raum verschlingen,
auch sein theurer Name prangt. Oh, Comite-Koller!

Als ich Dich, natürlich in der schonendsten Weise, wie solche einer, ihrer
Pflichten stets eingedenken, liebenden Gatten eigenthümlich ist, aufmerksam
machen und Dich fragen wollte, ob Du vielleicht auch eine Notiz suchtest
über die Rede, die Du vorgestern in dem "Verein zur Beseitigung der ver¬
fassungslosen Nothzustände in dem Fürstenthum Ratzeburg" gehalten hast,
als ich Dich weiter fragen wollte, was Dich denn um Gottes willen dieses
unbekannte Fürstentum angehe, und ob es nicht besser sei, falls Du über¬
haupt noch ein Atom von Aufmerksamkeit übrig haben solltest, dasselbe Deiner
angetrauten Gattin zu schenken, anstatt wildfremden Ländern, -- da er¬
hobst Du Dich, kleidetest Dich eilig an und gingst mit der Behaup¬
tung, Du müßtest in die Sitzung. Das war vor zehn Uhr. Ich aber
wußte natürlich, daß die Sitzung erst um zwölf anfing. Zum Mittags¬
essen kamst Du nicht. Dann, erschienst Du um 5Vs Uhr Nachmittags,
um mir zu sagen, Du habest mit Deiner Fraktion speisen müssen, um ihr
in diesen schwierigen Zeiten, Muth und Vertrauen einzuflößen, nun "her


solches Lob seinen Anspruch hast. „Vor dem Kammerdiener gibt es keine
großen Charaktere". Gut, vor der Frau noch viel weniger. Wir, Du und
ich, wir wissen ja, wenn Du Dein Glück nicht gemacht hast, so lag es nicht
am Mangel an gutem Willen, sondern an Ungeschick. Wenn es Brei regnet,
dann hast Du sicher keinen Löffel. Gott besser's.

Was, Du antwortest darauf mit Grunzen? Ja, damit ist nicht gehol¬
fen, das sage ich Dir. Aber, was wollte ich doch eigentlich sagen? Ja so!
Das, was ich der Frau Professor Stahl gesagt habe, wollte ich sagen. „Frau
Professor", also sagte ich, „wir sind mit irdischen Glücksgütern nicht gesegnet",
sagte ich, „deßhalb steuert mein Mann zu den patriotischen Zwecken das Beste
bei, was er hat, nämlich seinen fleckenlosen und unbescholtenen Namen, welcher
einen guten Klang hat in beiden Hemisphären, und welcher mehr Beiträge
fließen macht, als alle" — —

Doch was soll ich Dir unsere Unterredung weiter erzählen. Du scheinst
doch keinen Werth darauf zu legen. Ich schlage mich sür Dich; und Du,
statt mir Dank zu wissen, grunzest dazu. Gut, ich will auch dazu schweigen.
Schweige ich ja doch zu Vielem. Aber, beim Frühstück, das war denn doch
zu arg. Ich legte Dir die Zeitung zum zweiten Male hin. 'Das Pontus-
Telegramm obenauf. Wäre es ein Wolf, es hätte Dich gefressen. Aber
nein, nichts Pontus; der große Politiker, welcher seiner Versicherung nach
ehedem ganz Rußland mittels eines Strohhalmes in ein Mauseloch gejagt
hat, er übersieht den Pontus und Alles. Er hat bessere Dinge zu thun.
Er sucht Aufrufe, unter welchen, mitten unter fünfzig andern bekannten und
unbekannten Unterschriften, welche unnöthiger Weise den Raum verschlingen,
auch sein theurer Name prangt. Oh, Comite-Koller!

Als ich Dich, natürlich in der schonendsten Weise, wie solche einer, ihrer
Pflichten stets eingedenken, liebenden Gatten eigenthümlich ist, aufmerksam
machen und Dich fragen wollte, ob Du vielleicht auch eine Notiz suchtest
über die Rede, die Du vorgestern in dem „Verein zur Beseitigung der ver¬
fassungslosen Nothzustände in dem Fürstenthum Ratzeburg" gehalten hast,
als ich Dich weiter fragen wollte, was Dich denn um Gottes willen dieses
unbekannte Fürstentum angehe, und ob es nicht besser sei, falls Du über¬
haupt noch ein Atom von Aufmerksamkeit übrig haben solltest, dasselbe Deiner
angetrauten Gattin zu schenken, anstatt wildfremden Ländern, — da er¬
hobst Du Dich, kleidetest Dich eilig an und gingst mit der Behaup¬
tung, Du müßtest in die Sitzung. Das war vor zehn Uhr. Ich aber
wußte natürlich, daß die Sitzung erst um zwölf anfing. Zum Mittags¬
essen kamst Du nicht. Dann, erschienst Du um 5Vs Uhr Nachmittags,
um mir zu sagen, Du habest mit Deiner Fraktion speisen müssen, um ihr
in diesen schwierigen Zeiten, Muth und Vertrauen einzuflößen, nun «her


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/32>, abgerufen am 22.07.2024.