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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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in der Ehe. So dachte ich. Aber ich irrte mich. Du führst fort in den In¬
seraten zu suchen, in den Wohlthätigkeitsinseraten, die zuerst kommen, weil
sie nichts bezahlen. Da geht mir plötzlich ein schreckliches Licht auf.

-- Großer Gott, sage ich mir, was kann man nicht an seinem Manne
erleben, jetzt hat der Unglückliche auch noch den Comite-Koller bekommen,
eine der schlimmsten Sorten von Wahnsinn, die man erleben kann in diesen,
dem Verstände so bedrohlichen und den menschlichen Schwächen so günstigen
aufgeregten Zeiten. Den Comite-Koller!

Ich hatte Anfangs gar nichts dagegen, als ich Deinen Namen las unter
allen möglichen Ausrufer an den Patriotismus und den Heldenmuth unsrer
Mitbürger. Ich las ihn zwar in einer Gesellschaft, wo ich ihn zu finden
nicht gewohnt war, nämlich mitten unter Feudalen, Muckern und sonstigen
Männern der äußersten Rechten, oder gar der rothen Reaction. Aber, stets
geneigt, Deine Schwächen zu entschuldigen, oder gar noch sie zu vertheidigen,
als wenn sie Tugenden wären, wie ich es nun einmal bin, ergriff ich sofort,
gegenüber der F^an Professor Theewald-Stahl, welche mich mit einer hämi¬
schen Bemerkung darauf aufmerksam machen wollte, wie Du Dich da in eine
Gesellschaft von Leuten, über die Du d.och das ganze Jahr hindurch räsonirst,
hineinbegeben oder gar hineingedrückt habest, -- ich ergriff, sage ich -- hörst
Du, Bratenriecher? -- sofort Deine Partei und sagte in dem entschiedensten
Tone' "Frau Professor Stahl, ich muß mir solche Bemerkungen verbitten,
sagte ich, und wenn ich eben so boshaft sein wollte, wie Sie, so könnte ich
Ihnen antworten das sei Neid, weil Sie und Ihr Mann in solche Gesellschaft
nicht kommen. Allein das sei ferne von mir, so sagte ich, wir gehören zu
derselben Partei; und deshalb ^will ich darüber hinweggehen; denn es heißt:
Du sollst nicht den Splitter sehen im Auge Deines Bruders". So heißt es,
"der doch ähnlich. Gut, also ich sagte der Frau Professor: "Wenn das
Vaterland in Gefahr ist, dann müssen alle Parteien zusammenstehen; ist der
Kampf nach Außen beendigt, dann mag er im Innern wieder beginnen."
"Und dann", sagte ich, "ein Jeder gibt, was er hat. Mein Mann hat stets
den schnöden Mammon verschmäht, er könnte ein Millionär sein, wenn er ge¬
wollt hätte; allein er hat stets eine ehrenvolle Armuth einem anrüchigen
Reichthum vorgezogen. Das war sein Wille, und ich, als treue Gattin und
gute Patriotin, habe mich darein ergeben." So sprach ich.

Denke Dir, Bratenriecher, so sagte ich wirklich. Hast Du denn kein
Wort der Anerkennung für mich? Ist es mir nicht gelungen, Dir den classi¬
schen Faltenwurf antiken Bürgersinnes trefflich nachzuahmen? Hast Du
denn gar keinen Sinn für die Opfer, die ich Dir bringe, indem ich Dich in
allen Strahlen altrömischen Bürgersinnes leuchten lasse? Indem ich das
thue gegen bessere Ueberzeugung. Denn wir beide wissen ja, daß Du auf


in der Ehe. So dachte ich. Aber ich irrte mich. Du führst fort in den In¬
seraten zu suchen, in den Wohlthätigkeitsinseraten, die zuerst kommen, weil
sie nichts bezahlen. Da geht mir plötzlich ein schreckliches Licht auf.

— Großer Gott, sage ich mir, was kann man nicht an seinem Manne
erleben, jetzt hat der Unglückliche auch noch den Comite-Koller bekommen,
eine der schlimmsten Sorten von Wahnsinn, die man erleben kann in diesen,
dem Verstände so bedrohlichen und den menschlichen Schwächen so günstigen
aufgeregten Zeiten. Den Comite-Koller!

Ich hatte Anfangs gar nichts dagegen, als ich Deinen Namen las unter
allen möglichen Ausrufer an den Patriotismus und den Heldenmuth unsrer
Mitbürger. Ich las ihn zwar in einer Gesellschaft, wo ich ihn zu finden
nicht gewohnt war, nämlich mitten unter Feudalen, Muckern und sonstigen
Männern der äußersten Rechten, oder gar der rothen Reaction. Aber, stets
geneigt, Deine Schwächen zu entschuldigen, oder gar noch sie zu vertheidigen,
als wenn sie Tugenden wären, wie ich es nun einmal bin, ergriff ich sofort,
gegenüber der F^an Professor Theewald-Stahl, welche mich mit einer hämi¬
schen Bemerkung darauf aufmerksam machen wollte, wie Du Dich da in eine
Gesellschaft von Leuten, über die Du d.och das ganze Jahr hindurch räsonirst,
hineinbegeben oder gar hineingedrückt habest, — ich ergriff, sage ich — hörst
Du, Bratenriecher? — sofort Deine Partei und sagte in dem entschiedensten
Tone' „Frau Professor Stahl, ich muß mir solche Bemerkungen verbitten,
sagte ich, und wenn ich eben so boshaft sein wollte, wie Sie, so könnte ich
Ihnen antworten das sei Neid, weil Sie und Ihr Mann in solche Gesellschaft
nicht kommen. Allein das sei ferne von mir, so sagte ich, wir gehören zu
derselben Partei; und deshalb ^will ich darüber hinweggehen; denn es heißt:
Du sollst nicht den Splitter sehen im Auge Deines Bruders". So heißt es,
»der doch ähnlich. Gut, also ich sagte der Frau Professor: „Wenn das
Vaterland in Gefahr ist, dann müssen alle Parteien zusammenstehen; ist der
Kampf nach Außen beendigt, dann mag er im Innern wieder beginnen."
„Und dann", sagte ich, „ein Jeder gibt, was er hat. Mein Mann hat stets
den schnöden Mammon verschmäht, er könnte ein Millionär sein, wenn er ge¬
wollt hätte; allein er hat stets eine ehrenvolle Armuth einem anrüchigen
Reichthum vorgezogen. Das war sein Wille, und ich, als treue Gattin und
gute Patriotin, habe mich darein ergeben." So sprach ich.

Denke Dir, Bratenriecher, so sagte ich wirklich. Hast Du denn kein
Wort der Anerkennung für mich? Ist es mir nicht gelungen, Dir den classi¬
schen Faltenwurf antiken Bürgersinnes trefflich nachzuahmen? Hast Du
denn gar keinen Sinn für die Opfer, die ich Dir bringe, indem ich Dich in
allen Strahlen altrömischen Bürgersinnes leuchten lasse? Indem ich das
thue gegen bessere Ueberzeugung. Denn wir beide wissen ja, daß Du auf


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/31>, abgerufen am 22.07.2024.