Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

'Haltung den kriegführenden Mächten gegenüber bestimmte. Ich setze Sie mit
dem Ersuchen davon in Kenntniß, Ihre Untergebenen zu der gewissenhaftesten
Beobachtung anzuhalten, soviel jedem von den Vorschriften des internatio¬
nalen Rechts bezüglich der neutralen Mächte obliegt, um der Wohlthaten
davon nicht verlustig zu gehen, zumal derer, welche auf dem Pariser Congreß
1886 vereinbart wurden."

Viele bange Stunden veranlaßte die Sorge vor dem Einmärsche der ita¬
lienischen Truppen, wie die Furcht vor einem Angriffe Garibaldi's und der
Republikaner. Man forschte in der Stadt nach den Anhängern derselben, es
fanden Verhaftungen statt, man entdeckte sogar Waffenniederlagen. Ein Theil
der Rathgeber des Papstes strebte, ihn zur Flucht zu bewegen, ein anderer
rieth, auszuharren und die Thatsachen widerstandslos abzuwarten. Das war
der Rath der Jesuiten; ihr Plan aber war, den Papst nicht fortzulassen, da
sie fürchteten, daß eine nochmalige Flucht den Untergang der weltlichen Herr¬
schaft herbeiführen würde und den Triumph der Geistlichkeit, welche ihnen
Feind ist. Pius IX. hatte beabsichtigt, die Stadt zu verlassen und sich zu¬
nächst nach Malta einzuschiffen, aber die Aerzte widersetzten sich diesem Plane
wegen seines Alters, seiner Gesundheit. Zudem hatte Napoleon in einem
Briefe beruhigende Zusicherungen für jetzt und für die Zukunft gegeben.

Der König Victor Emanuel schrieb an den Papst, um ihn zu versichern,
daß er von der italienischen Regierung eben so gut geschützt werden solle,
wie von der französischen. Man sagt, er habe darauf keine Antwort erhal¬
ten. Gleichzeitig wurden mehrere Observationscorps an der römischen Grenze
aufgestellt, "um das päpstliche Gebiet zu schützen." Ein Corps beiChiavone
commandirte General Pianelli, eines in den Marken General Cadorna. ein
drittes, an den Grenzen gegen Neapel, Petinengo.

Unterdeß waren die Nachrichten von den Siegen des Kronprinzen von
Preußen eingetroffen, den der Kronprinz Humbert und die Herzogin von Ge¬
nua beglückwünschten. Der Graf Brassier de Se. Simon war Gegenstand
einer ganz besonderen Aufmerksamkeit, da man in Italien sehr wohl begriff,
welche Folgen die fortgesetzten Siege Deutschlands haben würden. Trotzdem
hatten dieselben bei der italienischen Regierung zunächst die eigenthümliche
Folge, daß die Rüstungen Italiens in höherem Grade sortgesetzt wurden, und
am 16. August Lanza in der Kammer folgende Erklärung abgab: "Die Er¬
eignisse haben unsere Haltung nicht geändert, dieselben lassen jedoch die Dring¬
lichkeit erkennen, die nöthigen Maßregeln zu ergreifen, um ohne Schwäche
und Unruhe zu bleiben. Es ist nöthig, daß wir unsere Kräfte verstärken
um für die innere Sicherheit zü sorgen. In Folge dessen hat sich die Regie¬
rung entschlossen, zwei weitere Altersklassen einzuberufen; sie verlangt einen
Credit von 40 Millionen, welche die Nationalbank beschaffen wird. Ebenso


'Haltung den kriegführenden Mächten gegenüber bestimmte. Ich setze Sie mit
dem Ersuchen davon in Kenntniß, Ihre Untergebenen zu der gewissenhaftesten
Beobachtung anzuhalten, soviel jedem von den Vorschriften des internatio¬
nalen Rechts bezüglich der neutralen Mächte obliegt, um der Wohlthaten
davon nicht verlustig zu gehen, zumal derer, welche auf dem Pariser Congreß
1886 vereinbart wurden."

Viele bange Stunden veranlaßte die Sorge vor dem Einmärsche der ita¬
lienischen Truppen, wie die Furcht vor einem Angriffe Garibaldi's und der
Republikaner. Man forschte in der Stadt nach den Anhängern derselben, es
fanden Verhaftungen statt, man entdeckte sogar Waffenniederlagen. Ein Theil
der Rathgeber des Papstes strebte, ihn zur Flucht zu bewegen, ein anderer
rieth, auszuharren und die Thatsachen widerstandslos abzuwarten. Das war
der Rath der Jesuiten; ihr Plan aber war, den Papst nicht fortzulassen, da
sie fürchteten, daß eine nochmalige Flucht den Untergang der weltlichen Herr¬
schaft herbeiführen würde und den Triumph der Geistlichkeit, welche ihnen
Feind ist. Pius IX. hatte beabsichtigt, die Stadt zu verlassen und sich zu¬
nächst nach Malta einzuschiffen, aber die Aerzte widersetzten sich diesem Plane
wegen seines Alters, seiner Gesundheit. Zudem hatte Napoleon in einem
Briefe beruhigende Zusicherungen für jetzt und für die Zukunft gegeben.

Der König Victor Emanuel schrieb an den Papst, um ihn zu versichern,
daß er von der italienischen Regierung eben so gut geschützt werden solle,
wie von der französischen. Man sagt, er habe darauf keine Antwort erhal¬
ten. Gleichzeitig wurden mehrere Observationscorps an der römischen Grenze
aufgestellt, „um das päpstliche Gebiet zu schützen." Ein Corps beiChiavone
commandirte General Pianelli, eines in den Marken General Cadorna. ein
drittes, an den Grenzen gegen Neapel, Petinengo.

Unterdeß waren die Nachrichten von den Siegen des Kronprinzen von
Preußen eingetroffen, den der Kronprinz Humbert und die Herzogin von Ge¬
nua beglückwünschten. Der Graf Brassier de Se. Simon war Gegenstand
einer ganz besonderen Aufmerksamkeit, da man in Italien sehr wohl begriff,
welche Folgen die fortgesetzten Siege Deutschlands haben würden. Trotzdem
hatten dieselben bei der italienischen Regierung zunächst die eigenthümliche
Folge, daß die Rüstungen Italiens in höherem Grade sortgesetzt wurden, und
am 16. August Lanza in der Kammer folgende Erklärung abgab: „Die Er¬
eignisse haben unsere Haltung nicht geändert, dieselben lassen jedoch die Dring¬
lichkeit erkennen, die nöthigen Maßregeln zu ergreifen, um ohne Schwäche
und Unruhe zu bleiben. Es ist nöthig, daß wir unsere Kräfte verstärken
um für die innere Sicherheit zü sorgen. In Folge dessen hat sich die Regie¬
rung entschlossen, zwei weitere Altersklassen einzuberufen; sie verlangt einen
Credit von 40 Millionen, welche die Nationalbank beschaffen wird. Ebenso


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0319" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125563"/>
          <p xml:id="ID_1138" prev="#ID_1137"> 'Haltung den kriegführenden Mächten gegenüber bestimmte. Ich setze Sie mit<lb/>
dem Ersuchen davon in Kenntniß, Ihre Untergebenen zu der gewissenhaftesten<lb/>
Beobachtung anzuhalten, soviel jedem von den Vorschriften des internatio¬<lb/>
nalen Rechts bezüglich der neutralen Mächte obliegt, um der Wohlthaten<lb/>
davon nicht verlustig zu gehen, zumal derer, welche auf dem Pariser Congreß<lb/>
1886 vereinbart wurden."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1139"> Viele bange Stunden veranlaßte die Sorge vor dem Einmärsche der ita¬<lb/>
lienischen Truppen, wie die Furcht vor einem Angriffe Garibaldi's und der<lb/>
Republikaner. Man forschte in der Stadt nach den Anhängern derselben, es<lb/>
fanden Verhaftungen statt, man entdeckte sogar Waffenniederlagen. Ein Theil<lb/>
der Rathgeber des Papstes strebte, ihn zur Flucht zu bewegen, ein anderer<lb/>
rieth, auszuharren und die Thatsachen widerstandslos abzuwarten. Das war<lb/>
der Rath der Jesuiten; ihr Plan aber war, den Papst nicht fortzulassen, da<lb/>
sie fürchteten, daß eine nochmalige Flucht den Untergang der weltlichen Herr¬<lb/>
schaft herbeiführen würde und den Triumph der Geistlichkeit, welche ihnen<lb/>
Feind ist. Pius IX. hatte beabsichtigt, die Stadt zu verlassen und sich zu¬<lb/>
nächst nach Malta einzuschiffen, aber die Aerzte widersetzten sich diesem Plane<lb/>
wegen seines Alters, seiner Gesundheit. Zudem hatte Napoleon in einem<lb/>
Briefe beruhigende Zusicherungen für jetzt und für die Zukunft gegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1140"> Der König Victor Emanuel schrieb an den Papst, um ihn zu versichern,<lb/>
daß er von der italienischen Regierung eben so gut geschützt werden solle,<lb/>
wie von der französischen. Man sagt, er habe darauf keine Antwort erhal¬<lb/>
ten. Gleichzeitig wurden mehrere Observationscorps an der römischen Grenze<lb/>
aufgestellt, &#x201E;um das päpstliche Gebiet zu schützen." Ein Corps beiChiavone<lb/>
commandirte General Pianelli, eines in den Marken General Cadorna. ein<lb/>
drittes, an den Grenzen gegen Neapel, Petinengo.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1141" next="#ID_1142"> Unterdeß waren die Nachrichten von den Siegen des Kronprinzen von<lb/>
Preußen eingetroffen, den der Kronprinz Humbert und die Herzogin von Ge¬<lb/>
nua beglückwünschten. Der Graf Brassier de Se. Simon war Gegenstand<lb/>
einer ganz besonderen Aufmerksamkeit, da man in Italien sehr wohl begriff,<lb/>
welche Folgen die fortgesetzten Siege Deutschlands haben würden. Trotzdem<lb/>
hatten dieselben bei der italienischen Regierung zunächst die eigenthümliche<lb/>
Folge, daß die Rüstungen Italiens in höherem Grade sortgesetzt wurden, und<lb/>
am 16. August Lanza in der Kammer folgende Erklärung abgab: &#x201E;Die Er¬<lb/>
eignisse haben unsere Haltung nicht geändert, dieselben lassen jedoch die Dring¬<lb/>
lichkeit erkennen, die nöthigen Maßregeln zu ergreifen, um ohne Schwäche<lb/>
und Unruhe zu bleiben. Es ist nöthig, daß wir unsere Kräfte verstärken<lb/>
um für die innere Sicherheit zü sorgen. In Folge dessen hat sich die Regie¬<lb/>
rung entschlossen, zwei weitere Altersklassen einzuberufen; sie verlangt einen<lb/>
Credit von 40 Millionen, welche die Nationalbank beschaffen wird. Ebenso</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0319] 'Haltung den kriegführenden Mächten gegenüber bestimmte. Ich setze Sie mit dem Ersuchen davon in Kenntniß, Ihre Untergebenen zu der gewissenhaftesten Beobachtung anzuhalten, soviel jedem von den Vorschriften des internatio¬ nalen Rechts bezüglich der neutralen Mächte obliegt, um der Wohlthaten davon nicht verlustig zu gehen, zumal derer, welche auf dem Pariser Congreß 1886 vereinbart wurden." Viele bange Stunden veranlaßte die Sorge vor dem Einmärsche der ita¬ lienischen Truppen, wie die Furcht vor einem Angriffe Garibaldi's und der Republikaner. Man forschte in der Stadt nach den Anhängern derselben, es fanden Verhaftungen statt, man entdeckte sogar Waffenniederlagen. Ein Theil der Rathgeber des Papstes strebte, ihn zur Flucht zu bewegen, ein anderer rieth, auszuharren und die Thatsachen widerstandslos abzuwarten. Das war der Rath der Jesuiten; ihr Plan aber war, den Papst nicht fortzulassen, da sie fürchteten, daß eine nochmalige Flucht den Untergang der weltlichen Herr¬ schaft herbeiführen würde und den Triumph der Geistlichkeit, welche ihnen Feind ist. Pius IX. hatte beabsichtigt, die Stadt zu verlassen und sich zu¬ nächst nach Malta einzuschiffen, aber die Aerzte widersetzten sich diesem Plane wegen seines Alters, seiner Gesundheit. Zudem hatte Napoleon in einem Briefe beruhigende Zusicherungen für jetzt und für die Zukunft gegeben. Der König Victor Emanuel schrieb an den Papst, um ihn zu versichern, daß er von der italienischen Regierung eben so gut geschützt werden solle, wie von der französischen. Man sagt, er habe darauf keine Antwort erhal¬ ten. Gleichzeitig wurden mehrere Observationscorps an der römischen Grenze aufgestellt, „um das päpstliche Gebiet zu schützen." Ein Corps beiChiavone commandirte General Pianelli, eines in den Marken General Cadorna. ein drittes, an den Grenzen gegen Neapel, Petinengo. Unterdeß waren die Nachrichten von den Siegen des Kronprinzen von Preußen eingetroffen, den der Kronprinz Humbert und die Herzogin von Ge¬ nua beglückwünschten. Der Graf Brassier de Se. Simon war Gegenstand einer ganz besonderen Aufmerksamkeit, da man in Italien sehr wohl begriff, welche Folgen die fortgesetzten Siege Deutschlands haben würden. Trotzdem hatten dieselben bei der italienischen Regierung zunächst die eigenthümliche Folge, daß die Rüstungen Italiens in höherem Grade sortgesetzt wurden, und am 16. August Lanza in der Kammer folgende Erklärung abgab: „Die Er¬ eignisse haben unsere Haltung nicht geändert, dieselben lassen jedoch die Dring¬ lichkeit erkennen, die nöthigen Maßregeln zu ergreifen, um ohne Schwäche und Unruhe zu bleiben. Es ist nöthig, daß wir unsere Kräfte verstärken um für die innere Sicherheit zü sorgen. In Folge dessen hat sich die Regie¬ rung entschlossen, zwei weitere Altersklassen einzuberufen; sie verlangt einen Credit von 40 Millionen, welche die Nationalbank beschaffen wird. Ebenso

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/319
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/319>, abgerufen am 29.06.2024.