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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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welche seine Autorität befestigt, und nachdem wir jetzt in die Grenzen der
Frankreich auferlegten Verbindlichkeiten zurückgekehrt sind, bauen wir mit
völligem Vertrauen auf die wachsame Festigkeit, womit Italien alle es an¬
gehenden Bestimmungen erfüllen wird. Sie sind hierdurch eingeladen, diese
Depesche Herrn Visconti Venosta vorzulesen, und falls er den Wunsch aus¬
drückt, Abschrift zu belassen. Gramont."

Darauf gab Italien folgende Antwort:

"Der italienische Minister der auswärtigen Angelegenheiten an den ita¬
lienischen Gesandten in Paris. Florenz, 4. August 1870. Herr Minister!
Der außerordentliche Herr Gesandte und bevollmächtigte Minister des Kaisers
hat uns Mittheilung gegeben von einer Depesche, womit seine Regierung
uns kund macht, daß sie zur Erfüllung der Convention vom 15. September
1864 zurückkehrt, indem sie ihre Truppen aus dem römischen Gebiet abberuft.
Die Regierung des Königs nimmt Act von dieser Entschließung der kaisevl.
Regierung; Sie, Herr Minister, kennen > die Erklärungen, welche ich am
31. Juli letzthin vor dem Parlament abgegeben Habe. Ich bitte Sie, die¬
selbe Sprache bei dem kaiserl. Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu
führen. Die Regierung des Königs wird, was sie betrifft, genau den für
sie aus den Stipulationen von 1864 hervorgehenden Verpflichtungen nach¬
leben. Ich brauche kaum hinzuzufügen, daß wir aus eine billige Gegensei¬
tigkeit von Seiten der kaiserlichen Regierung zählen. Sie wollen diese De¬
pesche Sr. Excellenz dem kais. Minister der auswärtigen Angelegenheiten vor¬
lesen und, wenn er es wünscht, Abschrift davon geben. Visconti Venosta."

In Rom war man rathlos, als die Franzosen völlig abzogen. Der
Papst hatte erklärt, er werde sich nie von Soldaten Neu-Italiens bewachen
lassen, vielmehr in diesem Falle für die eigene Freiheit und Würde des Kir¬
chenoberhaupts zu sorgen wissen. Die Klerikalen verwünschen den Urheber
dieser gefährlichen Jsolirung und wollen nun nicht mehr, wie bereits arran-
girt war, in regelmäßigen Conventikeln für Napoleons Sieg über Preußen
beten. Die Redactionen der in Rom erscheinenden Blätter werden von der
päpstlichen Regierung bedeutet, in dem Streite Frankreichs mit Preußen nicht
Partei zu nehmen. Aber unter den Prälaten und in den Vorzimmern des
Vaticans, in den Salons und den Kaffeehäusern der Liberalen, ebenso unter
der Landbevölkerung wünschte Alles den deutschen Waffen Sieg, eine Nieder¬
lage Frankreichs und den Sturz Napoleons. Officiell dagegen erließ der
Minister des Innern an die Provinzialbehörden folgendes Rundschreiben:

"Se. Excellenz der Cardinalstaatsseeretär theilte mir am 26. d. mit,
daß die Regierung des heil. Vaters aus Rücksicht auf ihren Charakter und
das Interesse der Unterthanen erklärt habe, während des ausgebrochenen
Krieges jene absolute Neutralität halten zu wollen, welche stets ihre politische


welche seine Autorität befestigt, und nachdem wir jetzt in die Grenzen der
Frankreich auferlegten Verbindlichkeiten zurückgekehrt sind, bauen wir mit
völligem Vertrauen auf die wachsame Festigkeit, womit Italien alle es an¬
gehenden Bestimmungen erfüllen wird. Sie sind hierdurch eingeladen, diese
Depesche Herrn Visconti Venosta vorzulesen, und falls er den Wunsch aus¬
drückt, Abschrift zu belassen. Gramont."

Darauf gab Italien folgende Antwort:

„Der italienische Minister der auswärtigen Angelegenheiten an den ita¬
lienischen Gesandten in Paris. Florenz, 4. August 1870. Herr Minister!
Der außerordentliche Herr Gesandte und bevollmächtigte Minister des Kaisers
hat uns Mittheilung gegeben von einer Depesche, womit seine Regierung
uns kund macht, daß sie zur Erfüllung der Convention vom 15. September
1864 zurückkehrt, indem sie ihre Truppen aus dem römischen Gebiet abberuft.
Die Regierung des Königs nimmt Act von dieser Entschließung der kaisevl.
Regierung; Sie, Herr Minister, kennen > die Erklärungen, welche ich am
31. Juli letzthin vor dem Parlament abgegeben Habe. Ich bitte Sie, die¬
selbe Sprache bei dem kaiserl. Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu
führen. Die Regierung des Königs wird, was sie betrifft, genau den für
sie aus den Stipulationen von 1864 hervorgehenden Verpflichtungen nach¬
leben. Ich brauche kaum hinzuzufügen, daß wir aus eine billige Gegensei¬
tigkeit von Seiten der kaiserlichen Regierung zählen. Sie wollen diese De¬
pesche Sr. Excellenz dem kais. Minister der auswärtigen Angelegenheiten vor¬
lesen und, wenn er es wünscht, Abschrift davon geben. Visconti Venosta."

In Rom war man rathlos, als die Franzosen völlig abzogen. Der
Papst hatte erklärt, er werde sich nie von Soldaten Neu-Italiens bewachen
lassen, vielmehr in diesem Falle für die eigene Freiheit und Würde des Kir¬
chenoberhaupts zu sorgen wissen. Die Klerikalen verwünschen den Urheber
dieser gefährlichen Jsolirung und wollen nun nicht mehr, wie bereits arran-
girt war, in regelmäßigen Conventikeln für Napoleons Sieg über Preußen
beten. Die Redactionen der in Rom erscheinenden Blätter werden von der
päpstlichen Regierung bedeutet, in dem Streite Frankreichs mit Preußen nicht
Partei zu nehmen. Aber unter den Prälaten und in den Vorzimmern des
Vaticans, in den Salons und den Kaffeehäusern der Liberalen, ebenso unter
der Landbevölkerung wünschte Alles den deutschen Waffen Sieg, eine Nieder¬
lage Frankreichs und den Sturz Napoleons. Officiell dagegen erließ der
Minister des Innern an die Provinzialbehörden folgendes Rundschreiben:

„Se. Excellenz der Cardinalstaatsseeretär theilte mir am 26. d. mit,
daß die Regierung des heil. Vaters aus Rücksicht auf ihren Charakter und
das Interesse der Unterthanen erklärt habe, während des ausgebrochenen
Krieges jene absolute Neutralität halten zu wollen, welche stets ihre politische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/318>, abgerufen am 29.06.2024.