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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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gegen den Ostwind durch die Bergreihen des Odenwaldes, erregten in dem Wan¬
derer unwillkürlich das Gefühl, wie glücklich es gekommen, daß diese gesegneten
Fluren und ihre friedlichen Bewohner vor den wilden Horden der Turcos
und auch ihrer französischen Kampfgenossen bewahrt worden seien. Wohl
mag auch der deutsche Soldat Manches unnöthig im Feindeslande zerstören,
wenn er Abends müde und hungrig ins Quartier kommt, und statt eines er¬
wärmenden Feuers, statt der stundenlang erwarteten Nahrung nur kalte,
dunkle, verlassene Wohnungen findet: kein Feuer, kein Brod, kein Stroh,
nichts als die unwirthlichen Räume. Aber sicher dürfen wir sein, daß die
Franzosen und ihre afrikanischen Genossen zehnmal ärger gehaust haben our^
den, wenn ihnen gelungen wäre, nach Deutschland hereinzubrechen. Hat man
je eine Klage gehört, daß der deutsche Soldat sich gegen Per so n en vergangen
hätte? Wie möchte es aber den Frauen und Mädchen der deutschen Städte
und Dörfer ergangen sein, wenn der Krieg sich über Deutschlands Fluren
ergossen hätte! Ich, der ich dieses schreibe, habe es mit erlebt, als die
Schaaren der großen Nation von 1W1 an in die Republik Mexiko eindrangen,
nicht als Feinde, sondern unter dem Namen von----ja unter welchem
Namen? Ihre Generale kündigten an, sie kämen, um das mexikanische Volk
von dem Drucke der liberalen Partei zu befreien, und ihm geordnete Insti¬
tutionen zu bringen, um mit ihm uolsus, volons einen Bund der lateinischen
Race gegen die Angelsachsen in Nordamerika zu stiften, -- kurz, sie kämen
als Freunde. Ich bin gegenwärtig gewesen, wenn ein französisches Truppen¬
corps in eine Stadt einrückte, und kann bezeugen, daß die Frauen aller
Stände, auch der angesehensten, sich scheuten, bei Hellem Tage nur über die
Straße zu gehen, weil sie keinen Augenblick vor Beleidigungen der umher¬
schlendernden Soldaten sicher waren; ich habe, als damaliger Consul Frank¬
reichs, die häufigen Klagen gehört, daß sich zwanzig oder fünf und zwanzig
Soldaten zusammenthaten, in die Vorstädte zogen, die Thüren und Fenster
der Häuser einschlugen, und es dann hieß: wehe den weiblichen Bewohnern!
Selbst zehnjährige Kinder fielen als Opfer der viehischen Begierden dieser
Soldaten, welche sich in einem "befreundeten" Lande befanden; und wohl¬
gemerkt, es waren Zouaven und Soldaten der Linie, also nur wirkliche
Franzosen. Allerdings hatte man auch einige Bataillone Turcos mit nach
Mexico genommen. Aber diese habe ich erst später gesehen, sie waren
nicht unter den Garnisonen, mit denen ich damals in Berührung kam. Die
Männer, welche ihre Frauen, Schwestern, Töchter zu schützen vermochten,
wurden gebunden oder auch zu Boden geschlagen. Einige Male versuchte ich,
derartige Klagen bei höheren Officieren anzubringen, nachdem die unglück¬
lichen Mexikaner sich an mich um Gerechtigkeit gewandt hatten. Dann wurde
in höflicher Weise Bedauern über das Vorgefallene ausgedrückt. Aber es


gegen den Ostwind durch die Bergreihen des Odenwaldes, erregten in dem Wan¬
derer unwillkürlich das Gefühl, wie glücklich es gekommen, daß diese gesegneten
Fluren und ihre friedlichen Bewohner vor den wilden Horden der Turcos
und auch ihrer französischen Kampfgenossen bewahrt worden seien. Wohl
mag auch der deutsche Soldat Manches unnöthig im Feindeslande zerstören,
wenn er Abends müde und hungrig ins Quartier kommt, und statt eines er¬
wärmenden Feuers, statt der stundenlang erwarteten Nahrung nur kalte,
dunkle, verlassene Wohnungen findet: kein Feuer, kein Brod, kein Stroh,
nichts als die unwirthlichen Räume. Aber sicher dürfen wir sein, daß die
Franzosen und ihre afrikanischen Genossen zehnmal ärger gehaust haben our^
den, wenn ihnen gelungen wäre, nach Deutschland hereinzubrechen. Hat man
je eine Klage gehört, daß der deutsche Soldat sich gegen Per so n en vergangen
hätte? Wie möchte es aber den Frauen und Mädchen der deutschen Städte
und Dörfer ergangen sein, wenn der Krieg sich über Deutschlands Fluren
ergossen hätte! Ich, der ich dieses schreibe, habe es mit erlebt, als die
Schaaren der großen Nation von 1W1 an in die Republik Mexiko eindrangen,
nicht als Feinde, sondern unter dem Namen von----ja unter welchem
Namen? Ihre Generale kündigten an, sie kämen, um das mexikanische Volk
von dem Drucke der liberalen Partei zu befreien, und ihm geordnete Insti¬
tutionen zu bringen, um mit ihm uolsus, volons einen Bund der lateinischen
Race gegen die Angelsachsen in Nordamerika zu stiften, — kurz, sie kämen
als Freunde. Ich bin gegenwärtig gewesen, wenn ein französisches Truppen¬
corps in eine Stadt einrückte, und kann bezeugen, daß die Frauen aller
Stände, auch der angesehensten, sich scheuten, bei Hellem Tage nur über die
Straße zu gehen, weil sie keinen Augenblick vor Beleidigungen der umher¬
schlendernden Soldaten sicher waren; ich habe, als damaliger Consul Frank¬
reichs, die häufigen Klagen gehört, daß sich zwanzig oder fünf und zwanzig
Soldaten zusammenthaten, in die Vorstädte zogen, die Thüren und Fenster
der Häuser einschlugen, und es dann hieß: wehe den weiblichen Bewohnern!
Selbst zehnjährige Kinder fielen als Opfer der viehischen Begierden dieser
Soldaten, welche sich in einem „befreundeten" Lande befanden; und wohl¬
gemerkt, es waren Zouaven und Soldaten der Linie, also nur wirkliche
Franzosen. Allerdings hatte man auch einige Bataillone Turcos mit nach
Mexico genommen. Aber diese habe ich erst später gesehen, sie waren
nicht unter den Garnisonen, mit denen ich damals in Berührung kam. Die
Männer, welche ihre Frauen, Schwestern, Töchter zu schützen vermochten,
wurden gebunden oder auch zu Boden geschlagen. Einige Male versuchte ich,
derartige Klagen bei höheren Officieren anzubringen, nachdem die unglück¬
lichen Mexikaner sich an mich um Gerechtigkeit gewandt hatten. Dann wurde
in höflicher Weise Bedauern über das Vorgefallene ausgedrückt. Aber es


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[0296] gegen den Ostwind durch die Bergreihen des Odenwaldes, erregten in dem Wan¬ derer unwillkürlich das Gefühl, wie glücklich es gekommen, daß diese gesegneten Fluren und ihre friedlichen Bewohner vor den wilden Horden der Turcos und auch ihrer französischen Kampfgenossen bewahrt worden seien. Wohl mag auch der deutsche Soldat Manches unnöthig im Feindeslande zerstören, wenn er Abends müde und hungrig ins Quartier kommt, und statt eines er¬ wärmenden Feuers, statt der stundenlang erwarteten Nahrung nur kalte, dunkle, verlassene Wohnungen findet: kein Feuer, kein Brod, kein Stroh, nichts als die unwirthlichen Räume. Aber sicher dürfen wir sein, daß die Franzosen und ihre afrikanischen Genossen zehnmal ärger gehaust haben our^ den, wenn ihnen gelungen wäre, nach Deutschland hereinzubrechen. Hat man je eine Klage gehört, daß der deutsche Soldat sich gegen Per so n en vergangen hätte? Wie möchte es aber den Frauen und Mädchen der deutschen Städte und Dörfer ergangen sein, wenn der Krieg sich über Deutschlands Fluren ergossen hätte! Ich, der ich dieses schreibe, habe es mit erlebt, als die Schaaren der großen Nation von 1W1 an in die Republik Mexiko eindrangen, nicht als Feinde, sondern unter dem Namen von----ja unter welchem Namen? Ihre Generale kündigten an, sie kämen, um das mexikanische Volk von dem Drucke der liberalen Partei zu befreien, und ihm geordnete Insti¬ tutionen zu bringen, um mit ihm uolsus, volons einen Bund der lateinischen Race gegen die Angelsachsen in Nordamerika zu stiften, — kurz, sie kämen als Freunde. Ich bin gegenwärtig gewesen, wenn ein französisches Truppen¬ corps in eine Stadt einrückte, und kann bezeugen, daß die Frauen aller Stände, auch der angesehensten, sich scheuten, bei Hellem Tage nur über die Straße zu gehen, weil sie keinen Augenblick vor Beleidigungen der umher¬ schlendernden Soldaten sicher waren; ich habe, als damaliger Consul Frank¬ reichs, die häufigen Klagen gehört, daß sich zwanzig oder fünf und zwanzig Soldaten zusammenthaten, in die Vorstädte zogen, die Thüren und Fenster der Häuser einschlugen, und es dann hieß: wehe den weiblichen Bewohnern! Selbst zehnjährige Kinder fielen als Opfer der viehischen Begierden dieser Soldaten, welche sich in einem „befreundeten" Lande befanden; und wohl¬ gemerkt, es waren Zouaven und Soldaten der Linie, also nur wirkliche Franzosen. Allerdings hatte man auch einige Bataillone Turcos mit nach Mexico genommen. Aber diese habe ich erst später gesehen, sie waren nicht unter den Garnisonen, mit denen ich damals in Berührung kam. Die Männer, welche ihre Frauen, Schwestern, Töchter zu schützen vermochten, wurden gebunden oder auch zu Boden geschlagen. Einige Male versuchte ich, derartige Klagen bei höheren Officieren anzubringen, nachdem die unglück¬ lichen Mexikaner sich an mich um Gerechtigkeit gewandt hatten. Dann wurde in höflicher Weise Bedauern über das Vorgefallene ausgedrückt. Aber es

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/296>, abgerufen am 26.06.2024.