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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Dem General Kantzler, als dem Prokriegsminister, wurde die Frage vorgelegt,
ob er sich mit der päpstlichen Armee drei Monate lang gegen eine italienische
würde halten können. Die Antwort fiel indeß verneinend aus, denn der
General meinte, gegen eine Armee von dieser Stärke sei rein unmöglich
sich länger als 3--4 Wochen zu halten.

An demselben Tage, als in Rom über das Jnfallibilitäts-Dogma abge¬
stimmt wurde, war die Kriegserklärung zwischen Deutschland und Frankreich
unvermeidlich geworden; schon am 16. Juli fand in Florenz eine Kundgebung
statt. Massen zogen mit dem Rufe: "Nieder mit Frankreich, hoch die Neu¬
tralität! Es lebe Preußen!" zuerst nach dem auswärtigen Ministerium, dann
nach dem Hotel des norddeutschen Bundesgesandten. In Rom bekundete sich
eine entgegengesetzte Aufregung und zwar namentlich in der Legion d'Antibes,
die ihre nationale Antipathie zum Ausdruck bringen wollte; zwischen Deut¬
schen und Franzosen kam es zum Conflict, der nur durch strenges Einschreiten
beigelegt werden konnte. Sechs Hauptleute und achtzehn andere Offiziere wurden
aus dieser Legion vom französischen Kriegsminister sofort zum Eintritt in die
französische Armee reclamirt.

(Fortsetzung folgt.)




Hausmusik.
Deutsche Liedersänger.

Keine Branche unserer Kunstwissenschaften ist in der populären Presse
stiefmütterlicher bedacht als die Musik. Zwar fehlen unseren Journalen täg¬
liche Opern- und Concertberichte nicht, ja wir erhalten sogar hie und da die
Biographie großer Tonsetzer, epochemachender Virtuosen, berühmter Sänge¬
rinnen, wohl auch einmal die Charakteristik bedeutender Werke, aber darüber
hinaus wagen sich die Tagesblätter selten, und doch ist gerade auf musikali¬
schen Gebiete wichtig und nothwendig, daß die in viele Hände gelangenden
Blätter auch hier belehrend und fördernd mit einzuwirken suchen, daß sie
neben Novellen, Reiseskizzen, historischen und naturhistorischen, culturgeschicht¬
lichen und biographischen Aufsätzen u. s. w. auch der Musik, die in unsern
Tagen unbestreitbar eine geistige Macht geworden ist, die mindestens
gleiches Anrecht auf allgemeine Beachtung verdient, wie jedwedes andere
Wissen, Forschen und Können, bescheidenen Raum gönnte. Unsere in Tau¬
senden von Familien mit Vorliebe gelesenen populären Zeitschriften, theilen
sie sich nicht mit der Tonkunst in das allgemeine Interesse? Auf vielen Kia-


Dem General Kantzler, als dem Prokriegsminister, wurde die Frage vorgelegt,
ob er sich mit der päpstlichen Armee drei Monate lang gegen eine italienische
würde halten können. Die Antwort fiel indeß verneinend aus, denn der
General meinte, gegen eine Armee von dieser Stärke sei rein unmöglich
sich länger als 3—4 Wochen zu halten.

An demselben Tage, als in Rom über das Jnfallibilitäts-Dogma abge¬
stimmt wurde, war die Kriegserklärung zwischen Deutschland und Frankreich
unvermeidlich geworden; schon am 16. Juli fand in Florenz eine Kundgebung
statt. Massen zogen mit dem Rufe: „Nieder mit Frankreich, hoch die Neu¬
tralität! Es lebe Preußen!" zuerst nach dem auswärtigen Ministerium, dann
nach dem Hotel des norddeutschen Bundesgesandten. In Rom bekundete sich
eine entgegengesetzte Aufregung und zwar namentlich in der Legion d'Antibes,
die ihre nationale Antipathie zum Ausdruck bringen wollte; zwischen Deut¬
schen und Franzosen kam es zum Conflict, der nur durch strenges Einschreiten
beigelegt werden konnte. Sechs Hauptleute und achtzehn andere Offiziere wurden
aus dieser Legion vom französischen Kriegsminister sofort zum Eintritt in die
französische Armee reclamirt.

(Fortsetzung folgt.)




Hausmusik.
Deutsche Liedersänger.

Keine Branche unserer Kunstwissenschaften ist in der populären Presse
stiefmütterlicher bedacht als die Musik. Zwar fehlen unseren Journalen täg¬
liche Opern- und Concertberichte nicht, ja wir erhalten sogar hie und da die
Biographie großer Tonsetzer, epochemachender Virtuosen, berühmter Sänge¬
rinnen, wohl auch einmal die Charakteristik bedeutender Werke, aber darüber
hinaus wagen sich die Tagesblätter selten, und doch ist gerade auf musikali¬
schen Gebiete wichtig und nothwendig, daß die in viele Hände gelangenden
Blätter auch hier belehrend und fördernd mit einzuwirken suchen, daß sie
neben Novellen, Reiseskizzen, historischen und naturhistorischen, culturgeschicht¬
lichen und biographischen Aufsätzen u. s. w. auch der Musik, die in unsern
Tagen unbestreitbar eine geistige Macht geworden ist, die mindestens
gleiches Anrecht auf allgemeine Beachtung verdient, wie jedwedes andere
Wissen, Forschen und Können, bescheidenen Raum gönnte. Unsere in Tau¬
senden von Familien mit Vorliebe gelesenen populären Zeitschriften, theilen
sie sich nicht mit der Tonkunst in das allgemeine Interesse? Auf vielen Kia-


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[0264] Dem General Kantzler, als dem Prokriegsminister, wurde die Frage vorgelegt, ob er sich mit der päpstlichen Armee drei Monate lang gegen eine italienische würde halten können. Die Antwort fiel indeß verneinend aus, denn der General meinte, gegen eine Armee von dieser Stärke sei rein unmöglich sich länger als 3—4 Wochen zu halten. An demselben Tage, als in Rom über das Jnfallibilitäts-Dogma abge¬ stimmt wurde, war die Kriegserklärung zwischen Deutschland und Frankreich unvermeidlich geworden; schon am 16. Juli fand in Florenz eine Kundgebung statt. Massen zogen mit dem Rufe: „Nieder mit Frankreich, hoch die Neu¬ tralität! Es lebe Preußen!" zuerst nach dem auswärtigen Ministerium, dann nach dem Hotel des norddeutschen Bundesgesandten. In Rom bekundete sich eine entgegengesetzte Aufregung und zwar namentlich in der Legion d'Antibes, die ihre nationale Antipathie zum Ausdruck bringen wollte; zwischen Deut¬ schen und Franzosen kam es zum Conflict, der nur durch strenges Einschreiten beigelegt werden konnte. Sechs Hauptleute und achtzehn andere Offiziere wurden aus dieser Legion vom französischen Kriegsminister sofort zum Eintritt in die französische Armee reclamirt. (Fortsetzung folgt.) Hausmusik. Deutsche Liedersänger. Keine Branche unserer Kunstwissenschaften ist in der populären Presse stiefmütterlicher bedacht als die Musik. Zwar fehlen unseren Journalen täg¬ liche Opern- und Concertberichte nicht, ja wir erhalten sogar hie und da die Biographie großer Tonsetzer, epochemachender Virtuosen, berühmter Sänge¬ rinnen, wohl auch einmal die Charakteristik bedeutender Werke, aber darüber hinaus wagen sich die Tagesblätter selten, und doch ist gerade auf musikali¬ schen Gebiete wichtig und nothwendig, daß die in viele Hände gelangenden Blätter auch hier belehrend und fördernd mit einzuwirken suchen, daß sie neben Novellen, Reiseskizzen, historischen und naturhistorischen, culturgeschicht¬ lichen und biographischen Aufsätzen u. s. w. auch der Musik, die in unsern Tagen unbestreitbar eine geistige Macht geworden ist, die mindestens gleiches Anrecht auf allgemeine Beachtung verdient, wie jedwedes andere Wissen, Forschen und Können, bescheidenen Raum gönnte. Unsere in Tau¬ senden von Familien mit Vorliebe gelesenen populären Zeitschriften, theilen sie sich nicht mit der Tonkunst in das allgemeine Interesse? Auf vielen Kia-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/264>, abgerufen am 26.06.2024.