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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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hinzuzufügen, daß die italienische Regierung wohl hinlängliche Beweise
ihrer Bereitwilligkeit gegeben habe, die mit der September-Convention
übernommenen Pflichten genau zu erfüllen, bestand aber gleichzeitig auf der
mit eben dieser Convention ausgesprochenen Anerkennung des Rechts der
Römer, sich frei für die von ihnen gewählte Regierungsform aussprechen und
erklären zu dürfen, wobei er sich im Namen der italienischen Regierung
verpflichtete, jeden äußern- Angriff auf päpstliches Gebiet, sowie überhaupt
Alles zu verhindern, was das freie Bestimmungsrecht der Römer zu beein¬
trächtigen im Stande sein könnte. Während die päpstliche Negierung, der
diese Mittheilungen zugegangen waren, erklärte, daß ihre eigene Militärmacht
vollkommen zur Aufrechthaltung der Ordnung im Innern des Kirchenstaates
ausreiche, wies Italien auf den Vortheil hin, welchen ihm die Besetzung
einiger strategischen Punkte des Kirchenstaates bei der Abwehrung aller revo¬
lutionären Angriffe auf päpstliches Gebiet bieten würde, und nachdem zweiter
Reihe auf die Opportunist der Besetzung von Civitavecchia durch italienische
Truppen und Schiffe aufmerksam, um so dringender, weil dadurch die Neu¬
tralität dieses Hafens den kriegerischen Ereignissen gegenüber am besten gewahrt
würde. Aber die päpstliche Armee wurde auf den Kriegsfuß gebracht; die
Beurlaubten wurden einberufen, die Zuaven auf eine Brigade verstärkt; die
französischen Freiwilligen erhielten die Begünstigung Leboeuf's, zu verbleiben.
Civitavecchia wurde in Vertheidigungsstand gesetzt; an der italienischen Grenze
baute man Schanzen. 1^2 Millionen Chassepotpatronen waren in Rom an¬
gekommen. E hatte also allen Anschein, als wolle sich die päpstliche Regierung
zur Wehr setzen, wenn die Truppen des Königs von Italien vorrücken sollten,
um die Rolle der abziehenden französischen Occupationstruppen zu übernehmen.
Der Kriegsrath in Rom entschied sich auch für den Widerstand; nur vor der
Uebermacht sollten die Truppen in den Provinzen weichen, sich nach Rom
zurückziehen, Eisenbahnen und Brücken zerstören. Wenige Tage war der Be¬
fehl zum Aufbruch der französischen Truppen suspendirt gewesen, aber am
27. Juli wurde er erneuert, der Ausmarsch erfolgte und war am 6. August
beendet. Päpstliche Truppen besetzten Civitavecchia und Viterbo. Es kam
dort bald zu revolutionären Kundgebungen; auf der Piazza Palestrina wurde
eine italienische Tricolore aufgesteckt. In der zwölften Stunde erhielt General
Dumont von Paris aus Befehl, 42 Geschütze, darunter Bombenmörser und
Haubitzen, mit der nöthigen Munition dem päpstlichen Kriegsminister zur Ver¬
fügung zu stellen. Es war dies aber weder ein Kauf der päpstlichen Regierung,
noch ein Geschenk des Kaisers, sondern lediglich eine Gebrauchsleihe auf Widerruf,
so daß auf Verlangen der kaiserlichen Regierung die Geschütze zurückgegeben wer¬
den sollten. Das Cardinal-Collegium versammelte sich, um über die unter
solchen Verhältnissen zu ergreifenden Maßregeln in Berathung zu treten.


hinzuzufügen, daß die italienische Regierung wohl hinlängliche Beweise
ihrer Bereitwilligkeit gegeben habe, die mit der September-Convention
übernommenen Pflichten genau zu erfüllen, bestand aber gleichzeitig auf der
mit eben dieser Convention ausgesprochenen Anerkennung des Rechts der
Römer, sich frei für die von ihnen gewählte Regierungsform aussprechen und
erklären zu dürfen, wobei er sich im Namen der italienischen Regierung
verpflichtete, jeden äußern- Angriff auf päpstliches Gebiet, sowie überhaupt
Alles zu verhindern, was das freie Bestimmungsrecht der Römer zu beein¬
trächtigen im Stande sein könnte. Während die päpstliche Negierung, der
diese Mittheilungen zugegangen waren, erklärte, daß ihre eigene Militärmacht
vollkommen zur Aufrechthaltung der Ordnung im Innern des Kirchenstaates
ausreiche, wies Italien auf den Vortheil hin, welchen ihm die Besetzung
einiger strategischen Punkte des Kirchenstaates bei der Abwehrung aller revo¬
lutionären Angriffe auf päpstliches Gebiet bieten würde, und nachdem zweiter
Reihe auf die Opportunist der Besetzung von Civitavecchia durch italienische
Truppen und Schiffe aufmerksam, um so dringender, weil dadurch die Neu¬
tralität dieses Hafens den kriegerischen Ereignissen gegenüber am besten gewahrt
würde. Aber die päpstliche Armee wurde auf den Kriegsfuß gebracht; die
Beurlaubten wurden einberufen, die Zuaven auf eine Brigade verstärkt; die
französischen Freiwilligen erhielten die Begünstigung Leboeuf's, zu verbleiben.
Civitavecchia wurde in Vertheidigungsstand gesetzt; an der italienischen Grenze
baute man Schanzen. 1^2 Millionen Chassepotpatronen waren in Rom an¬
gekommen. E hatte also allen Anschein, als wolle sich die päpstliche Regierung
zur Wehr setzen, wenn die Truppen des Königs von Italien vorrücken sollten,
um die Rolle der abziehenden französischen Occupationstruppen zu übernehmen.
Der Kriegsrath in Rom entschied sich auch für den Widerstand; nur vor der
Uebermacht sollten die Truppen in den Provinzen weichen, sich nach Rom
zurückziehen, Eisenbahnen und Brücken zerstören. Wenige Tage war der Be¬
fehl zum Aufbruch der französischen Truppen suspendirt gewesen, aber am
27. Juli wurde er erneuert, der Ausmarsch erfolgte und war am 6. August
beendet. Päpstliche Truppen besetzten Civitavecchia und Viterbo. Es kam
dort bald zu revolutionären Kundgebungen; auf der Piazza Palestrina wurde
eine italienische Tricolore aufgesteckt. In der zwölften Stunde erhielt General
Dumont von Paris aus Befehl, 42 Geschütze, darunter Bombenmörser und
Haubitzen, mit der nöthigen Munition dem päpstlichen Kriegsminister zur Ver¬
fügung zu stellen. Es war dies aber weder ein Kauf der päpstlichen Regierung,
noch ein Geschenk des Kaisers, sondern lediglich eine Gebrauchsleihe auf Widerruf,
so daß auf Verlangen der kaiserlichen Regierung die Geschütze zurückgegeben wer¬
den sollten. Das Cardinal-Collegium versammelte sich, um über die unter
solchen Verhältnissen zu ergreifenden Maßregeln in Berathung zu treten.


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[0263] hinzuzufügen, daß die italienische Regierung wohl hinlängliche Beweise ihrer Bereitwilligkeit gegeben habe, die mit der September-Convention übernommenen Pflichten genau zu erfüllen, bestand aber gleichzeitig auf der mit eben dieser Convention ausgesprochenen Anerkennung des Rechts der Römer, sich frei für die von ihnen gewählte Regierungsform aussprechen und erklären zu dürfen, wobei er sich im Namen der italienischen Regierung verpflichtete, jeden äußern- Angriff auf päpstliches Gebiet, sowie überhaupt Alles zu verhindern, was das freie Bestimmungsrecht der Römer zu beein¬ trächtigen im Stande sein könnte. Während die päpstliche Negierung, der diese Mittheilungen zugegangen waren, erklärte, daß ihre eigene Militärmacht vollkommen zur Aufrechthaltung der Ordnung im Innern des Kirchenstaates ausreiche, wies Italien auf den Vortheil hin, welchen ihm die Besetzung einiger strategischen Punkte des Kirchenstaates bei der Abwehrung aller revo¬ lutionären Angriffe auf päpstliches Gebiet bieten würde, und nachdem zweiter Reihe auf die Opportunist der Besetzung von Civitavecchia durch italienische Truppen und Schiffe aufmerksam, um so dringender, weil dadurch die Neu¬ tralität dieses Hafens den kriegerischen Ereignissen gegenüber am besten gewahrt würde. Aber die päpstliche Armee wurde auf den Kriegsfuß gebracht; die Beurlaubten wurden einberufen, die Zuaven auf eine Brigade verstärkt; die französischen Freiwilligen erhielten die Begünstigung Leboeuf's, zu verbleiben. Civitavecchia wurde in Vertheidigungsstand gesetzt; an der italienischen Grenze baute man Schanzen. 1^2 Millionen Chassepotpatronen waren in Rom an¬ gekommen. E hatte also allen Anschein, als wolle sich die päpstliche Regierung zur Wehr setzen, wenn die Truppen des Königs von Italien vorrücken sollten, um die Rolle der abziehenden französischen Occupationstruppen zu übernehmen. Der Kriegsrath in Rom entschied sich auch für den Widerstand; nur vor der Uebermacht sollten die Truppen in den Provinzen weichen, sich nach Rom zurückziehen, Eisenbahnen und Brücken zerstören. Wenige Tage war der Be¬ fehl zum Aufbruch der französischen Truppen suspendirt gewesen, aber am 27. Juli wurde er erneuert, der Ausmarsch erfolgte und war am 6. August beendet. Päpstliche Truppen besetzten Civitavecchia und Viterbo. Es kam dort bald zu revolutionären Kundgebungen; auf der Piazza Palestrina wurde eine italienische Tricolore aufgesteckt. In der zwölften Stunde erhielt General Dumont von Paris aus Befehl, 42 Geschütze, darunter Bombenmörser und Haubitzen, mit der nöthigen Munition dem päpstlichen Kriegsminister zur Ver¬ fügung zu stellen. Es war dies aber weder ein Kauf der päpstlichen Regierung, noch ein Geschenk des Kaisers, sondern lediglich eine Gebrauchsleihe auf Widerruf, so daß auf Verlangen der kaiserlichen Regierung die Geschütze zurückgegeben wer¬ den sollten. Das Cardinal-Collegium versammelte sich, um über die unter solchen Verhältnissen zu ergreifenden Maßregeln in Berathung zu treten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/263>, abgerufen am 26.06.2024.