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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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die Legion von Antibes, welche vom Papste, d. h. durch den Peterspfennig,
unterhalten wurde. Sie focht unter päpstlichen Banner, ihre Befehlshaber
aber ernannte Frankreich und ebenso deren Offiziere, welche im Avancement
vollständig mit ihren Kameraden in der französischen Armee concurrirten.
In dieser Legion bildete übrigens das französische Element nur den Kern;
sie war im Uebrigen aus Individuen aller Länder und Glauben zu¬
sammengesetzt. Man suchte sich jedoch seit einiger Zeit zu bemühen, sich aller
dieser fremden Elemente zu entledigen, und eine Anzahl von französischen Bi¬
schöfen hatte sich anheischig gemacht, der Legion allmonatlich wenigstens einen
jungen Mann aus ihrer Diözese als Rekruten zuzuschicken. Vermittelst dieser
.Epuration wurde diese Legion seit langer Zeit wieder einmal vollzählig, dafür
aber auch vollständig mit Franzosen besetzt, und dadurch für französische
Zwecke um so brauchbarer.

Ueber die religiöse Temperatur des Concils geben, wiewohl so viel und
erschöpfend darüber geschrieben worden ist, zwei Actenstücke genügende Auf¬
klärung. Das erste ist die Petition, welche ein Theil der Bischöfe an den
Papst richtete: die Synode bis zum 1. Oktober vertagen zu wollen. Sie
lautet in deutscher Uebersetzung: "Die unterzeichneten Väter richten in ihrem
eigenen wie in dem Namen sehr vieler anderer Väter an das Wohlwollen
Ew. H. die ehrerbietige, vertrauensvolle und dringende Bitte, daß dieselbe
Nachfolgendes väterlich aufzunehmen geruhen wolle: An die Bäter des fünften
lateranischen Concils schrieb Papst Leo X. am 17. Juni Folgendes: "Weil
bei der dermaligen Witterung .... so gestatten wir", und gleichzeitig ver¬
tagte der Papst das Concil auf den Herbst. Schlimmer ist gewiß unsere
gegenwärtige Lage. Die Sommerhitze ist schon jetzt, gegen Ende des Juni,
übermäßig und wird täglich unerträglicher; in Folge dessen ist die Gesund¬
heit der Ebro. Väter, unter denen so viele ältere von der Last der Jahre
gedrückt und von Anstrengungen aufgerieben sind, schwer gefährdet. Man
fürchtet besonders die Fieber, denen die des hiesigen Klimas ungewohnten
Fremden mehr ausgesetzt sind. So viel aber auch Ew. H. versucht und
glücklich ausgeführt hat. um nicht wenigen Bischöfen gute Herberge zu
schaffen, so sind doch die meisten auf allzuenge, luftlose, sehr heiße und über¬
haupt ungesunde Wohnungen angewiesen. Daher sahen sich schon mehrere
Bischöfe wegen Krankheit zur Abreise genöthigt; viele liegen auch in Rom
krank und können dem Concil nicht anwohnen, wie das die vielen leeren
Sitze in der Aula zeigen. Bevor daher die Zahl der Kranken mehr und mehr
anwächst, von denen mehrere der Gefahr ausgesetzt wären, hier zu sterben,
ersuchen wir aufs Dringendste, Ew. H. möge geruhen, eine Vertagung des
Concils zu bewilligen, welche passend nach dem Se. Petersfest beginnen würde.
Denn, H. V., da l20 Bischöfe ihre Namen hergegeben haben, um in einer


Gvcnzboten I. 1871.

die Legion von Antibes, welche vom Papste, d. h. durch den Peterspfennig,
unterhalten wurde. Sie focht unter päpstlichen Banner, ihre Befehlshaber
aber ernannte Frankreich und ebenso deren Offiziere, welche im Avancement
vollständig mit ihren Kameraden in der französischen Armee concurrirten.
In dieser Legion bildete übrigens das französische Element nur den Kern;
sie war im Uebrigen aus Individuen aller Länder und Glauben zu¬
sammengesetzt. Man suchte sich jedoch seit einiger Zeit zu bemühen, sich aller
dieser fremden Elemente zu entledigen, und eine Anzahl von französischen Bi¬
schöfen hatte sich anheischig gemacht, der Legion allmonatlich wenigstens einen
jungen Mann aus ihrer Diözese als Rekruten zuzuschicken. Vermittelst dieser
.Epuration wurde diese Legion seit langer Zeit wieder einmal vollzählig, dafür
aber auch vollständig mit Franzosen besetzt, und dadurch für französische
Zwecke um so brauchbarer.

Ueber die religiöse Temperatur des Concils geben, wiewohl so viel und
erschöpfend darüber geschrieben worden ist, zwei Actenstücke genügende Auf¬
klärung. Das erste ist die Petition, welche ein Theil der Bischöfe an den
Papst richtete: die Synode bis zum 1. Oktober vertagen zu wollen. Sie
lautet in deutscher Uebersetzung: „Die unterzeichneten Väter richten in ihrem
eigenen wie in dem Namen sehr vieler anderer Väter an das Wohlwollen
Ew. H. die ehrerbietige, vertrauensvolle und dringende Bitte, daß dieselbe
Nachfolgendes väterlich aufzunehmen geruhen wolle: An die Bäter des fünften
lateranischen Concils schrieb Papst Leo X. am 17. Juni Folgendes: „Weil
bei der dermaligen Witterung .... so gestatten wir", und gleichzeitig ver¬
tagte der Papst das Concil auf den Herbst. Schlimmer ist gewiß unsere
gegenwärtige Lage. Die Sommerhitze ist schon jetzt, gegen Ende des Juni,
übermäßig und wird täglich unerträglicher; in Folge dessen ist die Gesund¬
heit der Ebro. Väter, unter denen so viele ältere von der Last der Jahre
gedrückt und von Anstrengungen aufgerieben sind, schwer gefährdet. Man
fürchtet besonders die Fieber, denen die des hiesigen Klimas ungewohnten
Fremden mehr ausgesetzt sind. So viel aber auch Ew. H. versucht und
glücklich ausgeführt hat. um nicht wenigen Bischöfen gute Herberge zu
schaffen, so sind doch die meisten auf allzuenge, luftlose, sehr heiße und über¬
haupt ungesunde Wohnungen angewiesen. Daher sahen sich schon mehrere
Bischöfe wegen Krankheit zur Abreise genöthigt; viele liegen auch in Rom
krank und können dem Concil nicht anwohnen, wie das die vielen leeren
Sitze in der Aula zeigen. Bevor daher die Zahl der Kranken mehr und mehr
anwächst, von denen mehrere der Gefahr ausgesetzt wären, hier zu sterben,
ersuchen wir aufs Dringendste, Ew. H. möge geruhen, eine Vertagung des
Concils zu bewilligen, welche passend nach dem Se. Petersfest beginnen würde.
Denn, H. V., da l20 Bischöfe ihre Namen hergegeben haben, um in einer


Gvcnzboten I. 1871.
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[0261] die Legion von Antibes, welche vom Papste, d. h. durch den Peterspfennig, unterhalten wurde. Sie focht unter päpstlichen Banner, ihre Befehlshaber aber ernannte Frankreich und ebenso deren Offiziere, welche im Avancement vollständig mit ihren Kameraden in der französischen Armee concurrirten. In dieser Legion bildete übrigens das französische Element nur den Kern; sie war im Uebrigen aus Individuen aller Länder und Glauben zu¬ sammengesetzt. Man suchte sich jedoch seit einiger Zeit zu bemühen, sich aller dieser fremden Elemente zu entledigen, und eine Anzahl von französischen Bi¬ schöfen hatte sich anheischig gemacht, der Legion allmonatlich wenigstens einen jungen Mann aus ihrer Diözese als Rekruten zuzuschicken. Vermittelst dieser .Epuration wurde diese Legion seit langer Zeit wieder einmal vollzählig, dafür aber auch vollständig mit Franzosen besetzt, und dadurch für französische Zwecke um so brauchbarer. Ueber die religiöse Temperatur des Concils geben, wiewohl so viel und erschöpfend darüber geschrieben worden ist, zwei Actenstücke genügende Auf¬ klärung. Das erste ist die Petition, welche ein Theil der Bischöfe an den Papst richtete: die Synode bis zum 1. Oktober vertagen zu wollen. Sie lautet in deutscher Uebersetzung: „Die unterzeichneten Väter richten in ihrem eigenen wie in dem Namen sehr vieler anderer Väter an das Wohlwollen Ew. H. die ehrerbietige, vertrauensvolle und dringende Bitte, daß dieselbe Nachfolgendes väterlich aufzunehmen geruhen wolle: An die Bäter des fünften lateranischen Concils schrieb Papst Leo X. am 17. Juni Folgendes: „Weil bei der dermaligen Witterung .... so gestatten wir", und gleichzeitig ver¬ tagte der Papst das Concil auf den Herbst. Schlimmer ist gewiß unsere gegenwärtige Lage. Die Sommerhitze ist schon jetzt, gegen Ende des Juni, übermäßig und wird täglich unerträglicher; in Folge dessen ist die Gesund¬ heit der Ebro. Väter, unter denen so viele ältere von der Last der Jahre gedrückt und von Anstrengungen aufgerieben sind, schwer gefährdet. Man fürchtet besonders die Fieber, denen die des hiesigen Klimas ungewohnten Fremden mehr ausgesetzt sind. So viel aber auch Ew. H. versucht und glücklich ausgeführt hat. um nicht wenigen Bischöfen gute Herberge zu schaffen, so sind doch die meisten auf allzuenge, luftlose, sehr heiße und über¬ haupt ungesunde Wohnungen angewiesen. Daher sahen sich schon mehrere Bischöfe wegen Krankheit zur Abreise genöthigt; viele liegen auch in Rom krank und können dem Concil nicht anwohnen, wie das die vielen leeren Sitze in der Aula zeigen. Bevor daher die Zahl der Kranken mehr und mehr anwächst, von denen mehrere der Gefahr ausgesetzt wären, hier zu sterben, ersuchen wir aufs Dringendste, Ew. H. möge geruhen, eine Vertagung des Concils zu bewilligen, welche passend nach dem Se. Petersfest beginnen würde. Denn, H. V., da l20 Bischöfe ihre Namen hergegeben haben, um in einer Gvcnzboten I. 1871.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/261>, abgerufen am 26.06.2024.