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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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den letzten Jahren schössen Bankgeschäfte wie Pilze nach einem Gewitterregen
auf. Einer der Bankiers hatte sich mit Hinterlassung eines Deficits von
einer halben Million Francs aus dem Staube gemacht. Derselbe gehörte
einer, durch ihre kirchliche Gesinnung bekannten Familie an, und hatte nament¬
lich große Baarbeträge von religiösen Gesellschaften in der Hand. So ver¬
loren die "armen" Cisterziensermönche allein 20,000 Fras.

Die päpstliche Regierung hatte bei Rothschild eine Anleihe gemacht, wo¬
für sie an Immobilien verpfändete: den Palazzo Salviati und botanischen
Garten in der Lungara, die Tabak- und Salzfabrik, das unter Gregor XVI.
erbaute Gebäude in der Ripetta, für den Gebrauch der Akademie des h. Lukas
bestimmt, das See- und Kameralgebäude zu San Felice bei Terracina. Das
Ganze wird auf 30 Millionen geschätzt. Die Ausgaben sind namentlich er¬
heblich gestiegen seit Eröffnung des Concils, bei welchem die Kosten besonders
für Erhaltung einer großen Anzahl unbemittelter Bischöfe ganz außerordent¬
liche gewesen sein sollen. Dazu kam eine dem Umfange des Staates kaum
entsprechende hohe Truppenzahl, und aller Wahrscheinlichkeit nach werden die
französischen Truppen für ihren Schutz auch entsprechende Ausgaben erfordert
haben. Rechnet man die Summen hinzu, welche die Befestigungen von Rom
verschlungen haben müssen, und wieviel Geld die Polizei zur Ueberwachung
der Revolutionäre in Anspruch nahm, so wird sehr erklärlich, daß die Ein¬
nahmen mit den Ausgaben und Anleihezinsen nicht balanciren konnten. In
den letzten zwei Jahren sind außerdem auf dem Aventin und den äußersten
strategischen Punkten der Stadtgrenze Fortisicationen angelegt und mit
Schießscharten versehen, wobei die Oeffnungen der Keller und souterrains von
Kasernen, Klöstern und Palästen von Dikasterien vermauert wurden. Die
liberale Partei meinte, man brauche Geld, und die Furcht solle in Lire und
Scudi convertirt werden. Denn die bisherigen Versuche, den Finanznöthen
abzuhelfen, blieben erfolglos, und die Angelegenheit wurde, nachdem die
Sammlung eines Turiner Blattes unter dem italienischen Klerus 83,000 Lire
eingebracht hatte, den Bischöfen empfohlen, deren sich eine allgemeine Aengst-
lichkeit bemächtigt hatte, als die Nachricht von dem Erscheinen von Frei-
schaarenbanden an der Grenze eintraf. Jeder der Bischöfe, Patriarchen und
Vorsteher von Klöstern, verordnete die Kurie, habe eine zahlreiche Clientel;
eine Geldeollecte unter den Gläubigen könne nicht winzig ausfallen, und damit
werde ein Druck auf die Börse geschaffen. Die Regierung bedürfe eines jähr¬
lichen Zuschusses von 30 Millionen Lire, diese könnten in den Diözesen durch
Unterschriften aufgebracht werden. Ein anderes Project wollte eine Association
(a""0eiaxionL eUristiimg,), deren Verwalter die obersten geistlichen Würden¬
träger wären.

Unter den Truppen im Kirchenstaate befand sich auch ein Mittelding,


den letzten Jahren schössen Bankgeschäfte wie Pilze nach einem Gewitterregen
auf. Einer der Bankiers hatte sich mit Hinterlassung eines Deficits von
einer halben Million Francs aus dem Staube gemacht. Derselbe gehörte
einer, durch ihre kirchliche Gesinnung bekannten Familie an, und hatte nament¬
lich große Baarbeträge von religiösen Gesellschaften in der Hand. So ver¬
loren die „armen" Cisterziensermönche allein 20,000 Fras.

Die päpstliche Regierung hatte bei Rothschild eine Anleihe gemacht, wo¬
für sie an Immobilien verpfändete: den Palazzo Salviati und botanischen
Garten in der Lungara, die Tabak- und Salzfabrik, das unter Gregor XVI.
erbaute Gebäude in der Ripetta, für den Gebrauch der Akademie des h. Lukas
bestimmt, das See- und Kameralgebäude zu San Felice bei Terracina. Das
Ganze wird auf 30 Millionen geschätzt. Die Ausgaben sind namentlich er¬
heblich gestiegen seit Eröffnung des Concils, bei welchem die Kosten besonders
für Erhaltung einer großen Anzahl unbemittelter Bischöfe ganz außerordent¬
liche gewesen sein sollen. Dazu kam eine dem Umfange des Staates kaum
entsprechende hohe Truppenzahl, und aller Wahrscheinlichkeit nach werden die
französischen Truppen für ihren Schutz auch entsprechende Ausgaben erfordert
haben. Rechnet man die Summen hinzu, welche die Befestigungen von Rom
verschlungen haben müssen, und wieviel Geld die Polizei zur Ueberwachung
der Revolutionäre in Anspruch nahm, so wird sehr erklärlich, daß die Ein¬
nahmen mit den Ausgaben und Anleihezinsen nicht balanciren konnten. In
den letzten zwei Jahren sind außerdem auf dem Aventin und den äußersten
strategischen Punkten der Stadtgrenze Fortisicationen angelegt und mit
Schießscharten versehen, wobei die Oeffnungen der Keller und souterrains von
Kasernen, Klöstern und Palästen von Dikasterien vermauert wurden. Die
liberale Partei meinte, man brauche Geld, und die Furcht solle in Lire und
Scudi convertirt werden. Denn die bisherigen Versuche, den Finanznöthen
abzuhelfen, blieben erfolglos, und die Angelegenheit wurde, nachdem die
Sammlung eines Turiner Blattes unter dem italienischen Klerus 83,000 Lire
eingebracht hatte, den Bischöfen empfohlen, deren sich eine allgemeine Aengst-
lichkeit bemächtigt hatte, als die Nachricht von dem Erscheinen von Frei-
schaarenbanden an der Grenze eintraf. Jeder der Bischöfe, Patriarchen und
Vorsteher von Klöstern, verordnete die Kurie, habe eine zahlreiche Clientel;
eine Geldeollecte unter den Gläubigen könne nicht winzig ausfallen, und damit
werde ein Druck auf die Börse geschaffen. Die Regierung bedürfe eines jähr¬
lichen Zuschusses von 30 Millionen Lire, diese könnten in den Diözesen durch
Unterschriften aufgebracht werden. Ein anderes Project wollte eine Association
(a»»0eiaxionL eUristiimg,), deren Verwalter die obersten geistlichen Würden¬
träger wären.

Unter den Truppen im Kirchenstaate befand sich auch ein Mittelding,


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[0260] den letzten Jahren schössen Bankgeschäfte wie Pilze nach einem Gewitterregen auf. Einer der Bankiers hatte sich mit Hinterlassung eines Deficits von einer halben Million Francs aus dem Staube gemacht. Derselbe gehörte einer, durch ihre kirchliche Gesinnung bekannten Familie an, und hatte nament¬ lich große Baarbeträge von religiösen Gesellschaften in der Hand. So ver¬ loren die „armen" Cisterziensermönche allein 20,000 Fras. Die päpstliche Regierung hatte bei Rothschild eine Anleihe gemacht, wo¬ für sie an Immobilien verpfändete: den Palazzo Salviati und botanischen Garten in der Lungara, die Tabak- und Salzfabrik, das unter Gregor XVI. erbaute Gebäude in der Ripetta, für den Gebrauch der Akademie des h. Lukas bestimmt, das See- und Kameralgebäude zu San Felice bei Terracina. Das Ganze wird auf 30 Millionen geschätzt. Die Ausgaben sind namentlich er¬ heblich gestiegen seit Eröffnung des Concils, bei welchem die Kosten besonders für Erhaltung einer großen Anzahl unbemittelter Bischöfe ganz außerordent¬ liche gewesen sein sollen. Dazu kam eine dem Umfange des Staates kaum entsprechende hohe Truppenzahl, und aller Wahrscheinlichkeit nach werden die französischen Truppen für ihren Schutz auch entsprechende Ausgaben erfordert haben. Rechnet man die Summen hinzu, welche die Befestigungen von Rom verschlungen haben müssen, und wieviel Geld die Polizei zur Ueberwachung der Revolutionäre in Anspruch nahm, so wird sehr erklärlich, daß die Ein¬ nahmen mit den Ausgaben und Anleihezinsen nicht balanciren konnten. In den letzten zwei Jahren sind außerdem auf dem Aventin und den äußersten strategischen Punkten der Stadtgrenze Fortisicationen angelegt und mit Schießscharten versehen, wobei die Oeffnungen der Keller und souterrains von Kasernen, Klöstern und Palästen von Dikasterien vermauert wurden. Die liberale Partei meinte, man brauche Geld, und die Furcht solle in Lire und Scudi convertirt werden. Denn die bisherigen Versuche, den Finanznöthen abzuhelfen, blieben erfolglos, und die Angelegenheit wurde, nachdem die Sammlung eines Turiner Blattes unter dem italienischen Klerus 83,000 Lire eingebracht hatte, den Bischöfen empfohlen, deren sich eine allgemeine Aengst- lichkeit bemächtigt hatte, als die Nachricht von dem Erscheinen von Frei- schaarenbanden an der Grenze eintraf. Jeder der Bischöfe, Patriarchen und Vorsteher von Klöstern, verordnete die Kurie, habe eine zahlreiche Clientel; eine Geldeollecte unter den Gläubigen könne nicht winzig ausfallen, und damit werde ein Druck auf die Börse geschaffen. Die Regierung bedürfe eines jähr¬ lichen Zuschusses von 30 Millionen Lire, diese könnten in den Diözesen durch Unterschriften aufgebracht werden. Ein anderes Project wollte eine Association (a»»0eiaxionL eUristiimg,), deren Verwalter die obersten geistlichen Würden¬ träger wären. Unter den Truppen im Kirchenstaate befand sich auch ein Mittelding,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/260>, abgerufen am 26.06.2024.