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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Mittel gegriffen; die Nationalbank mußte dem Staat durch ungedeckte, mit
Zwangscours versehene Noten Vorschüsse machen. Man hat serner die geist¬
lichen Güter zur Bestreitung des Staatsaufwands eingezogen; wenn man
indeß auch über die Erträgnisse der Kirchengüter zu Gunsten der Staatskasse
verfügen kann, so darf man nicht übersehen, daß die letztere dafür auch die
Unterhaltung des Klerus hat übernehmen müssen. Man hat endlich das
Tabaksmonopol verpachtet, d. h. um eines Vorschusses willen, den die Päch¬
ter gewährten, den letzteren die Hälfte der Ueberschüsse als Gewinn abtreten
müssen. --

Ueber das Verhältniß Italiens zum römischen Concil gab im Se¬
nate Visconti Benosta, der Minister des Aeußern, folgende Erklärung ab:
"Die Politik Italiens in Betreff des Concils ist Achtung der Freiheit der
Kirche, vorbehaltlich der Rechte des Staates. Italien hat an den Vorstellun¬
gen mehrerer Regierungen bei dem römischen Hofe nicht theilgenommen wegen
der Natur seiner Beziehungen zu Rom, und weil es glaubt, den Rath¬
schlägen anderer Mächte keine günstige Aufnahme verschaffen zu können."

Der Zwiespalt zwischen der päpstlichen und italienischen Regierung und
deren Häuptern hat sich jedoch nicht ausgleichen lassen, sondern es wurde
bisher alljährlich auch am Peter- und Paulsfeste in der schroffen Weise der
Kurie in öffentliche Erinnerung gebracht. So auch am letzten 29. Juni.
Morgens um 9 Uhr stand der Papst am ersten Altare der Peters¬
kirche, umgeben von den Cardinälen, Patriarchen, Erzbischöfen des Concils
und pontisieirte das Hochamt. Als es zu Ende war, und Pius im Trag-
sessel auf dem Rückwege nach der Kapelle des h. Sebastianus sich befand,
hielt der Zug an, und der Generalprocurator des Fiscus wiederholte knieend
den seit einigen Jahren an diesem Tage öffentlich verlesenen Protest gegen
den König von Italien, und mahnte, ihn zu verwirklichen. Darauf ant¬
wortete der Papst: er bestätige den Protest in seiner Rechtskraft. Es waren
auch der Differenzpunkte zu viele und materiell zu bedeutende, als daß diese
Proteste nur eine symbolische Bedeutung haben sollten, wie bei einigen andern
Annexionsverhältnissen, welche noch weniger oder ebensowenig Aussicht auf
Reactivirung haben, wie z. B. bei den ehemaligen italienischen Kleinstaaten.

Dazu kamen auch hier die üblen Finanzverhältnisse. Der bisherige römische
Handelsminister Cardinal Berardi gab sein Ressort auf, und übernahm um
die Mitte des Jahres statt dessen das der Finanzen, nachdem Gesundheits-
verhältnisse seinen Vorgänger, Msgr. Ferrari, an der Fortsetzung seiner Func-
tionen verhindert hatten. Leider war die Erbschaft, welche Ferrari hinterließ,
keine gute. Die Kassen waren leer. Doch das war nicht seine Schuld, er
erklärte oft genug, daß die Finanzen den altgewohnten Aufwand nicht er¬
trügen. Auch das Vertrauen zu finanziellen Operationen war dahin. In


Mittel gegriffen; die Nationalbank mußte dem Staat durch ungedeckte, mit
Zwangscours versehene Noten Vorschüsse machen. Man hat serner die geist¬
lichen Güter zur Bestreitung des Staatsaufwands eingezogen; wenn man
indeß auch über die Erträgnisse der Kirchengüter zu Gunsten der Staatskasse
verfügen kann, so darf man nicht übersehen, daß die letztere dafür auch die
Unterhaltung des Klerus hat übernehmen müssen. Man hat endlich das
Tabaksmonopol verpachtet, d. h. um eines Vorschusses willen, den die Päch¬
ter gewährten, den letzteren die Hälfte der Ueberschüsse als Gewinn abtreten
müssen. —

Ueber das Verhältniß Italiens zum römischen Concil gab im Se¬
nate Visconti Benosta, der Minister des Aeußern, folgende Erklärung ab:
„Die Politik Italiens in Betreff des Concils ist Achtung der Freiheit der
Kirche, vorbehaltlich der Rechte des Staates. Italien hat an den Vorstellun¬
gen mehrerer Regierungen bei dem römischen Hofe nicht theilgenommen wegen
der Natur seiner Beziehungen zu Rom, und weil es glaubt, den Rath¬
schlägen anderer Mächte keine günstige Aufnahme verschaffen zu können."

Der Zwiespalt zwischen der päpstlichen und italienischen Regierung und
deren Häuptern hat sich jedoch nicht ausgleichen lassen, sondern es wurde
bisher alljährlich auch am Peter- und Paulsfeste in der schroffen Weise der
Kurie in öffentliche Erinnerung gebracht. So auch am letzten 29. Juni.
Morgens um 9 Uhr stand der Papst am ersten Altare der Peters¬
kirche, umgeben von den Cardinälen, Patriarchen, Erzbischöfen des Concils
und pontisieirte das Hochamt. Als es zu Ende war, und Pius im Trag-
sessel auf dem Rückwege nach der Kapelle des h. Sebastianus sich befand,
hielt der Zug an, und der Generalprocurator des Fiscus wiederholte knieend
den seit einigen Jahren an diesem Tage öffentlich verlesenen Protest gegen
den König von Italien, und mahnte, ihn zu verwirklichen. Darauf ant¬
wortete der Papst: er bestätige den Protest in seiner Rechtskraft. Es waren
auch der Differenzpunkte zu viele und materiell zu bedeutende, als daß diese
Proteste nur eine symbolische Bedeutung haben sollten, wie bei einigen andern
Annexionsverhältnissen, welche noch weniger oder ebensowenig Aussicht auf
Reactivirung haben, wie z. B. bei den ehemaligen italienischen Kleinstaaten.

Dazu kamen auch hier die üblen Finanzverhältnisse. Der bisherige römische
Handelsminister Cardinal Berardi gab sein Ressort auf, und übernahm um
die Mitte des Jahres statt dessen das der Finanzen, nachdem Gesundheits-
verhältnisse seinen Vorgänger, Msgr. Ferrari, an der Fortsetzung seiner Func-
tionen verhindert hatten. Leider war die Erbschaft, welche Ferrari hinterließ,
keine gute. Die Kassen waren leer. Doch das war nicht seine Schuld, er
erklärte oft genug, daß die Finanzen den altgewohnten Aufwand nicht er¬
trügen. Auch das Vertrauen zu finanziellen Operationen war dahin. In


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[0259] Mittel gegriffen; die Nationalbank mußte dem Staat durch ungedeckte, mit Zwangscours versehene Noten Vorschüsse machen. Man hat serner die geist¬ lichen Güter zur Bestreitung des Staatsaufwands eingezogen; wenn man indeß auch über die Erträgnisse der Kirchengüter zu Gunsten der Staatskasse verfügen kann, so darf man nicht übersehen, daß die letztere dafür auch die Unterhaltung des Klerus hat übernehmen müssen. Man hat endlich das Tabaksmonopol verpachtet, d. h. um eines Vorschusses willen, den die Päch¬ ter gewährten, den letzteren die Hälfte der Ueberschüsse als Gewinn abtreten müssen. — Ueber das Verhältniß Italiens zum römischen Concil gab im Se¬ nate Visconti Benosta, der Minister des Aeußern, folgende Erklärung ab: „Die Politik Italiens in Betreff des Concils ist Achtung der Freiheit der Kirche, vorbehaltlich der Rechte des Staates. Italien hat an den Vorstellun¬ gen mehrerer Regierungen bei dem römischen Hofe nicht theilgenommen wegen der Natur seiner Beziehungen zu Rom, und weil es glaubt, den Rath¬ schlägen anderer Mächte keine günstige Aufnahme verschaffen zu können." Der Zwiespalt zwischen der päpstlichen und italienischen Regierung und deren Häuptern hat sich jedoch nicht ausgleichen lassen, sondern es wurde bisher alljährlich auch am Peter- und Paulsfeste in der schroffen Weise der Kurie in öffentliche Erinnerung gebracht. So auch am letzten 29. Juni. Morgens um 9 Uhr stand der Papst am ersten Altare der Peters¬ kirche, umgeben von den Cardinälen, Patriarchen, Erzbischöfen des Concils und pontisieirte das Hochamt. Als es zu Ende war, und Pius im Trag- sessel auf dem Rückwege nach der Kapelle des h. Sebastianus sich befand, hielt der Zug an, und der Generalprocurator des Fiscus wiederholte knieend den seit einigen Jahren an diesem Tage öffentlich verlesenen Protest gegen den König von Italien, und mahnte, ihn zu verwirklichen. Darauf ant¬ wortete der Papst: er bestätige den Protest in seiner Rechtskraft. Es waren auch der Differenzpunkte zu viele und materiell zu bedeutende, als daß diese Proteste nur eine symbolische Bedeutung haben sollten, wie bei einigen andern Annexionsverhältnissen, welche noch weniger oder ebensowenig Aussicht auf Reactivirung haben, wie z. B. bei den ehemaligen italienischen Kleinstaaten. Dazu kamen auch hier die üblen Finanzverhältnisse. Der bisherige römische Handelsminister Cardinal Berardi gab sein Ressort auf, und übernahm um die Mitte des Jahres statt dessen das der Finanzen, nachdem Gesundheits- verhältnisse seinen Vorgänger, Msgr. Ferrari, an der Fortsetzung seiner Func- tionen verhindert hatten. Leider war die Erbschaft, welche Ferrari hinterließ, keine gute. Die Kassen waren leer. Doch das war nicht seine Schuld, er erklärte oft genug, daß die Finanzen den altgewohnten Aufwand nicht er¬ trügen. Auch das Vertrauen zu finanziellen Operationen war dahin. In

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/259>, abgerufen am 26.06.2024.