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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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anderer wurde verwundet, einige andere verhaftet; sie gehörten den untersten
Classen der Bevölkerung an.

In dem Berichte des Municipiums von Filadelfia wird der Einzug
einer Jnsurgentenbande folgendermaßen geschildert: "Es waren ungefähr 400
Mann ohne Mittel, ohne Waffen oder dock) ohne brauchbare Waffen, ohne
Munition, ohne Organisation, ohne einflußreiche und intelligente Führer, aber
mit einem großen Schwarm von Generalen, Colonellcn, Majorem und einem
Generalstabe. Das Erste, was die Insurgenten thun, ist, sich die besten
Quartiere zu suchen, die königlichen Wappenschilder abzureißen, Sträflinge zu
befreien, die in der Präfectur befindlichen Waffen zu nehmen und eine Con-
tribution von 500 Lire auszuschreiben, so daß sich der Insurgent auf einen,
der Führer auf zwei Lire pro Tag stehen konnte. Sobald am folgenden Tage die
Truppen heranrücken, denkt Niemand an Widerstand, wohl aber verlangt
man in der Eile weitere 1000 Lire. Die Bevölkerung, namentlich der be¬
güterte Theil derselben, entschließt sich, das Weite zu suchen, geht aber vorher
in die Messe, weil es Sonntags ist. Mittlerweile hört man Flintenschüsse,
die Insurgenten geben eiligst Fersengeld und die Soldaten, welche wenigstens
auf einigen Widerstand sich gefaßt hielten, feuern auf die in der größten Ver¬
wirrung nach allen Seiten fliehende Bevölkerung. Einige Greise, Weiber
und Kinder werden verwundet oder getödtet. Vergeblich ist die Warnung
der Offiziere, nicht auf Unbewaffnete zu schießen."

Die Verfolgung einer Bande führte auf die Spur einer in Livorno an¬
gesponnenen Verschwörung. Bei den daselbst vorgenommenen Haussuchungen
gelang der Behörde, die Vorstände der sogenannten SoeietK der Neduei zu
finden und festzunehmen. Aus den mit Beschlag belegten Papieren ging
hervor, daß eine sehr ausgedehnte Bewegung im republikanischen Sinne be¬
vorstand. Die detaillirten Pläne des Aufstandes, mehrere Zuschriften Maz-
zini's und von ihm ausgehende Offizierspatente für Bandenführer wurden
aufgefunden. Der Abgeordnete Fambri charakterisirte in der zweiten Kammer
diese Agitationen in folgender Weise: "Was wollen denn diese Herren Re¬
bellen eigentlich? Die Eroberung Nom's? Dann werden sie Tirol wollen,
dann Jstrien, Dalmatien, Corsika, Malta und Gott weiß, was noch Alles.
Ist es ihnen um militärischen Ruhm zu thun? Das würde ihnen wahrlich
gut anstehen, nachdem 41 dieser Herren von 8 Carabinieri arretirt worden
sind. Hätten die Herren die päpstliche Grenze überschreiten wollen, so würden
sie wahrscheinlich dasselbe Schicksal erlebt haben. Wahrhaftig, ein schöner
militärischer Ruhm! Oder wollen sie vielleicht die Freiheit? Ein solches
Wollen erinnert an das Gebahren jenes Banditen, der im Jahre 1860 in Pa¬
lermo verhaftet wurde und ausrief: Aber was für eine Freiheit ist denn
das, bei der man nicht einmal einen Messerstich austheilen kann?"


anderer wurde verwundet, einige andere verhaftet; sie gehörten den untersten
Classen der Bevölkerung an.

In dem Berichte des Municipiums von Filadelfia wird der Einzug
einer Jnsurgentenbande folgendermaßen geschildert: „Es waren ungefähr 400
Mann ohne Mittel, ohne Waffen oder dock) ohne brauchbare Waffen, ohne
Munition, ohne Organisation, ohne einflußreiche und intelligente Führer, aber
mit einem großen Schwarm von Generalen, Colonellcn, Majorem und einem
Generalstabe. Das Erste, was die Insurgenten thun, ist, sich die besten
Quartiere zu suchen, die königlichen Wappenschilder abzureißen, Sträflinge zu
befreien, die in der Präfectur befindlichen Waffen zu nehmen und eine Con-
tribution von 500 Lire auszuschreiben, so daß sich der Insurgent auf einen,
der Führer auf zwei Lire pro Tag stehen konnte. Sobald am folgenden Tage die
Truppen heranrücken, denkt Niemand an Widerstand, wohl aber verlangt
man in der Eile weitere 1000 Lire. Die Bevölkerung, namentlich der be¬
güterte Theil derselben, entschließt sich, das Weite zu suchen, geht aber vorher
in die Messe, weil es Sonntags ist. Mittlerweile hört man Flintenschüsse,
die Insurgenten geben eiligst Fersengeld und die Soldaten, welche wenigstens
auf einigen Widerstand sich gefaßt hielten, feuern auf die in der größten Ver¬
wirrung nach allen Seiten fliehende Bevölkerung. Einige Greise, Weiber
und Kinder werden verwundet oder getödtet. Vergeblich ist die Warnung
der Offiziere, nicht auf Unbewaffnete zu schießen."

Die Verfolgung einer Bande führte auf die Spur einer in Livorno an¬
gesponnenen Verschwörung. Bei den daselbst vorgenommenen Haussuchungen
gelang der Behörde, die Vorstände der sogenannten SoeietK der Neduei zu
finden und festzunehmen. Aus den mit Beschlag belegten Papieren ging
hervor, daß eine sehr ausgedehnte Bewegung im republikanischen Sinne be¬
vorstand. Die detaillirten Pläne des Aufstandes, mehrere Zuschriften Maz-
zini's und von ihm ausgehende Offizierspatente für Bandenführer wurden
aufgefunden. Der Abgeordnete Fambri charakterisirte in der zweiten Kammer
diese Agitationen in folgender Weise: „Was wollen denn diese Herren Re¬
bellen eigentlich? Die Eroberung Nom's? Dann werden sie Tirol wollen,
dann Jstrien, Dalmatien, Corsika, Malta und Gott weiß, was noch Alles.
Ist es ihnen um militärischen Ruhm zu thun? Das würde ihnen wahrlich
gut anstehen, nachdem 41 dieser Herren von 8 Carabinieri arretirt worden
sind. Hätten die Herren die päpstliche Grenze überschreiten wollen, so würden
sie wahrscheinlich dasselbe Schicksal erlebt haben. Wahrhaftig, ein schöner
militärischer Ruhm! Oder wollen sie vielleicht die Freiheit? Ein solches
Wollen erinnert an das Gebahren jenes Banditen, der im Jahre 1860 in Pa¬
lermo verhaftet wurde und ausrief: Aber was für eine Freiheit ist denn
das, bei der man nicht einmal einen Messerstich austheilen kann?"


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[0256] anderer wurde verwundet, einige andere verhaftet; sie gehörten den untersten Classen der Bevölkerung an. In dem Berichte des Municipiums von Filadelfia wird der Einzug einer Jnsurgentenbande folgendermaßen geschildert: „Es waren ungefähr 400 Mann ohne Mittel, ohne Waffen oder dock) ohne brauchbare Waffen, ohne Munition, ohne Organisation, ohne einflußreiche und intelligente Führer, aber mit einem großen Schwarm von Generalen, Colonellcn, Majorem und einem Generalstabe. Das Erste, was die Insurgenten thun, ist, sich die besten Quartiere zu suchen, die königlichen Wappenschilder abzureißen, Sträflinge zu befreien, die in der Präfectur befindlichen Waffen zu nehmen und eine Con- tribution von 500 Lire auszuschreiben, so daß sich der Insurgent auf einen, der Führer auf zwei Lire pro Tag stehen konnte. Sobald am folgenden Tage die Truppen heranrücken, denkt Niemand an Widerstand, wohl aber verlangt man in der Eile weitere 1000 Lire. Die Bevölkerung, namentlich der be¬ güterte Theil derselben, entschließt sich, das Weite zu suchen, geht aber vorher in die Messe, weil es Sonntags ist. Mittlerweile hört man Flintenschüsse, die Insurgenten geben eiligst Fersengeld und die Soldaten, welche wenigstens auf einigen Widerstand sich gefaßt hielten, feuern auf die in der größten Ver¬ wirrung nach allen Seiten fliehende Bevölkerung. Einige Greise, Weiber und Kinder werden verwundet oder getödtet. Vergeblich ist die Warnung der Offiziere, nicht auf Unbewaffnete zu schießen." Die Verfolgung einer Bande führte auf die Spur einer in Livorno an¬ gesponnenen Verschwörung. Bei den daselbst vorgenommenen Haussuchungen gelang der Behörde, die Vorstände der sogenannten SoeietK der Neduei zu finden und festzunehmen. Aus den mit Beschlag belegten Papieren ging hervor, daß eine sehr ausgedehnte Bewegung im republikanischen Sinne be¬ vorstand. Die detaillirten Pläne des Aufstandes, mehrere Zuschriften Maz- zini's und von ihm ausgehende Offizierspatente für Bandenführer wurden aufgefunden. Der Abgeordnete Fambri charakterisirte in der zweiten Kammer diese Agitationen in folgender Weise: „Was wollen denn diese Herren Re¬ bellen eigentlich? Die Eroberung Nom's? Dann werden sie Tirol wollen, dann Jstrien, Dalmatien, Corsika, Malta und Gott weiß, was noch Alles. Ist es ihnen um militärischen Ruhm zu thun? Das würde ihnen wahrlich gut anstehen, nachdem 41 dieser Herren von 8 Carabinieri arretirt worden sind. Hätten die Herren die päpstliche Grenze überschreiten wollen, so würden sie wahrscheinlich dasselbe Schicksal erlebt haben. Wahrhaftig, ein schöner militärischer Ruhm! Oder wollen sie vielleicht die Freiheit? Ein solches Wollen erinnert an das Gebahren jenes Banditen, der im Jahre 1860 in Pa¬ lermo verhaftet wurde und ausrief: Aber was für eine Freiheit ist denn das, bei der man nicht einmal einen Messerstich austheilen kann?"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/256>, abgerufen am 26.06.2024.