Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.
Der feierliche Einzug, der diesem altmärkischen Wettspiel eignet, ist Auf dem Lande hat sich diese Sitte, oft in noch alterthümlicherer Form,
Der feierliche Einzug, der diesem altmärkischen Wettspiel eignet, ist Auf dem Lande hat sich diese Sitte, oft in noch alterthümlicherer Form,
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0221" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125465"/> <quote> <lg xml:id="POEMID_12" type="poem"> <l> Denn is von Kopp to Tvhn<lb/> Seen he stief up erst midde in<lb/> Keen Tippet mehr to sehn.<lb/> So führen se den Könnigsjung'n<lb/> Dat Dorp entlang umher!<lb/> En Bäddelspruch werd afgesung'n<lb/> Um Goaben, Döär bei Db'är.<lb/> Speck, Eier, Schinken, Kooken, Wvrst<lb/> Mark in ook en Stück Geld,<lb/> Dat werd för Hunger un för Dorfe<lb/> Den Peerjungs togestellt.<lb/> Up Oabend fängt bi Huusnianns-Beer<lb/> Dat Schnaabclneren an;<lb/> Und Jung för Jung holt Sinne Peer<lb/> Apt Beste bruma in Staun. —<lb/> De Engclcinner, dät Segg' ick,<lb/> (Vor Tieb is't all geschehn)<lb/> Heu e moal in unse Almark sick<lb/> Det Wettrönn 'n afgesehn. —"</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_831"> Der feierliche Einzug, der diesem altmärkischen Wettspiel eignet, ist<lb/> übrigens ein durchaus wesentliches, ebenfalls überaus weitverbreitetes und<lb/> höchst alterthümliches Moment, das sich ganz ebenso innig wie die Lenz-Wett¬<lb/> kämpfe an den Cultus des Mai-Wodans anlehnt. — Der Gedanke, welcher<lb/> solchen Einholungen zu Grunde lag, war nämlich der, daß man eilte, den<lb/> siegreichen Frühlingsgott im Walde, dessen grünsprießende Zweige als die<lb/> freundlichen Erstlingszeichen seiner neuen Macht erschienen, zu begrüßen und<lb/> ihn zu den Wohnplätzen der harrenden Menschen zu geleiten. — Jahr für<lb/> Jahr ritten ehedem in den Städten Niederdeutschlands die bewaffneten Bürger<lb/> zu Walde, um den „Maigrafen" zur Stadt zu führen. Der saß dann in<lb/> Laub eingehüllt auf weißem Rosse, und die Maien, die ihn geschmückt hatten,<lb/> wurden in der ganzen Stadt als segenbringende Gabe vertheilt. Diesen<lb/> wahrhaft poetischen und schönen Gebrauch, der in einigen Gegenden, wie z. B.<lb/> in Holstein, noch heute gilt, nannte man- „den Sommer ins Land<lb/> reiten", oder: „die Zit empfah en."</p><lb/> <p xml:id="ID_832" next="#ID_833"> Auf dem Lande hat sich diese Sitte, oft in noch alterthümlicherer Form,<lb/> bis zur Gegenwart erhalten, aber sich zugleich meist vom Se. Walpurgatag,<lb/> dem 1. Mai, aus das christliche Pfingstfest übertragen. Man versteckt dabei<lb/> in einem, durchaus mit Birkenbüschen umwundenen und gekrönten Holzgestell<lb/> einen Bauerburschen, der die Rolle als Maikönig zu spielen hat. Das ganze<lb/> Gerüst wird im Walde verborgen und die junge Welt macht sich auf, den<lb/> Maikönig zu suchen. Ist er endlich gefunden, so wird er jubelnd und hoch<lb/> zu Rosse sitzend, ins Dorf zurückgeführt, wo ein festlicher Reiterzug um</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_13" type="poem"> <l> Gttnzboten I. 1871. 28</l> </lg> </quote><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0221]
Denn is von Kopp to Tvhn
Seen he stief up erst midde in
Keen Tippet mehr to sehn.
So führen se den Könnigsjung'n
Dat Dorp entlang umher!
En Bäddelspruch werd afgesung'n
Um Goaben, Döär bei Db'är.
Speck, Eier, Schinken, Kooken, Wvrst
Mark in ook en Stück Geld,
Dat werd för Hunger un för Dorfe
Den Peerjungs togestellt.
Up Oabend fängt bi Huusnianns-Beer
Dat Schnaabclneren an;
Und Jung för Jung holt Sinne Peer
Apt Beste bruma in Staun. —
De Engclcinner, dät Segg' ick,
(Vor Tieb is't all geschehn)
Heu e moal in unse Almark sick
Det Wettrönn 'n afgesehn. —"
Der feierliche Einzug, der diesem altmärkischen Wettspiel eignet, ist
übrigens ein durchaus wesentliches, ebenfalls überaus weitverbreitetes und
höchst alterthümliches Moment, das sich ganz ebenso innig wie die Lenz-Wett¬
kämpfe an den Cultus des Mai-Wodans anlehnt. — Der Gedanke, welcher
solchen Einholungen zu Grunde lag, war nämlich der, daß man eilte, den
siegreichen Frühlingsgott im Walde, dessen grünsprießende Zweige als die
freundlichen Erstlingszeichen seiner neuen Macht erschienen, zu begrüßen und
ihn zu den Wohnplätzen der harrenden Menschen zu geleiten. — Jahr für
Jahr ritten ehedem in den Städten Niederdeutschlands die bewaffneten Bürger
zu Walde, um den „Maigrafen" zur Stadt zu führen. Der saß dann in
Laub eingehüllt auf weißem Rosse, und die Maien, die ihn geschmückt hatten,
wurden in der ganzen Stadt als segenbringende Gabe vertheilt. Diesen
wahrhaft poetischen und schönen Gebrauch, der in einigen Gegenden, wie z. B.
in Holstein, noch heute gilt, nannte man- „den Sommer ins Land
reiten", oder: „die Zit empfah en."
Auf dem Lande hat sich diese Sitte, oft in noch alterthümlicherer Form,
bis zur Gegenwart erhalten, aber sich zugleich meist vom Se. Walpurgatag,
dem 1. Mai, aus das christliche Pfingstfest übertragen. Man versteckt dabei
in einem, durchaus mit Birkenbüschen umwundenen und gekrönten Holzgestell
einen Bauerburschen, der die Rolle als Maikönig zu spielen hat. Das ganze
Gerüst wird im Walde verborgen und die junge Welt macht sich auf, den
Maikönig zu suchen. Ist er endlich gefunden, so wird er jubelnd und hoch
zu Rosse sitzend, ins Dorf zurückgeführt, wo ein festlicher Reiterzug um
Gttnzboten I. 1871. 28
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |