Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.Von jeher nämlich war den Germanen die Lenzfeier ein Kampffest. Noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts herrschte zu Gothland und Es ist unzweifelhaft, daß ganz ähnliche Spiele in alter Zeit auch in
oder:
") In Erinnerung dieser Kämpfe hat sich noch bis heutzutage auf dem Lande in Schweden der Gebrauch erhalten, alle Händel und Herausforderungen den Winter durch aufzusparen und am Maitage auszumachen. " ) In Böhmen, Oestreich und der Schweiz ist der Wettkampf der Waffen zwischen Winter
und Sommer zum Wettgesänge zwischen ihnen geworden, in Steiermarr sogar zu einem voll¬ ständigen Rechtshändel, der regelmäßig durchgeführt wird und in Folge dessen man den Winter 6s jurs des Landes verweist. Von jeher nämlich war den Germanen die Lenzfeier ein Kampffest. Noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts herrschte zu Gothland und Es ist unzweifelhaft, daß ganz ähnliche Spiele in alter Zeit auch in
oder:
") In Erinnerung dieser Kämpfe hat sich noch bis heutzutage auf dem Lande in Schweden der Gebrauch erhalten, alle Händel und Herausforderungen den Winter durch aufzusparen und am Maitage auszumachen. " ) In Böhmen, Oestreich und der Schweiz ist der Wettkampf der Waffen zwischen Winter
und Sommer zum Wettgesänge zwischen ihnen geworden, in Steiermarr sogar zu einem voll¬ ständigen Rechtshändel, der regelmäßig durchgeführt wird und in Folge dessen man den Winter 6s jurs des Landes verweist. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125463"/> <p xml:id="ID_824"> Von jeher nämlich war den Germanen die Lenzfeier ein Kampffest.<lb/> Dargestellt wurde in ihm die Grundidee des alten'Götterglaubens: Sieg<lb/> des wiedererwachten guten Sonnengottes und seiner lichten<lb/> Heergesellen über die finsteren Dämonen des Winters. Dieser<lb/> Kampf wurde bei den Maifesten ebenso dramatisch zur Ausführung gebracht,<lb/> wie der Umzug des Wuotansheeres zu Weihnachten.</p><lb/> <p xml:id="ID_825"> Noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts herrschte zu Gothland und<lb/> in Süd-Schweden der Gebrauch, daß am 1. Mai zwei Reiterschaaren von<lb/> verschiedenen Seiten in die Stadt rückten. Die eine, ganz eingehüllt in Pelze,<lb/> mit Handspießen bewaffnet, Schneeballen und Eisschollen schleudernd, führte<lb/> der Winter-, an der Spitze der anderen, die mit Maien und Erstlings¬<lb/> blüthen geschmückt war, stand der „Blumen gras", der Frühling. Auf<lb/> dem Markte begegneten sich die Züge und hielten ein Speerstechen. Natür¬<lb/> lich überwand der Lenz den Winter; der jubelnde Ausspruch des „Umstan-<lb/> des" (d. h. der umherstehenden Menge) begrüßte ihn als Sieger, und von<lb/> Stund an begann die Herrschaft des Königs Frühling im Lande*).</p><lb/> <p xml:id="ID_826"> Es ist unzweifelhaft, daß ganz ähnliche Spiele in alter Zeit auch in<lb/> Deutschland üblich waren**), und dieser Umstand erklärt die sonst seltsame<lb/> Beharrlichkeit, mit welcher alle größeren Ritterspiele des Mittelalters<lb/> als Lenz feste auftreten und ganz vorzugsweise zur Pfingstzeit abgehalten<lb/> wurden. Dies bezeugen Tausende von Urkunden und Chroniken und mit<lb/> Recht singt darum der Volks- und vorzeitkundige Uhland:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_8" type="poem"> <l> „In des Maien holden Tagen<lb/> In der Ane Blumenglanz<lb/> Edle Ritter fechten, jagen<lb/> Um den werthen Rosenkranz."</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_827"> oder:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_9" type="poem"> <l> „Pfingsten war's, das Fest der Freude,<lb/> Das da feiern Wald und Haide.<lb/> Hub der Konig an zu sprechen:<lb/> Auch aus den Hallen<lb/> Der alten Hofburg allen<lb/> Soll ein reicher Frühling brechen! . . .<lb/> Trommeln und Trompeten schallen</l> </lg> </quote><lb/> <note xml:id="FID_27" place="foot"> ") In Erinnerung dieser Kämpfe hat sich noch bis heutzutage auf dem Lande in Schweden<lb/> der Gebrauch erhalten, alle Händel und Herausforderungen den Winter durch aufzusparen und<lb/> am Maitage auszumachen.<lb/> "</note><lb/> <note xml:id="FID_28" place="foot"> ) In Böhmen, Oestreich und der Schweiz ist der Wettkampf der Waffen zwischen Winter<lb/> und Sommer zum Wettgesänge zwischen ihnen geworden, in Steiermarr sogar zu einem voll¬<lb/> ständigen Rechtshändel, der regelmäßig durchgeführt wird und in Folge dessen man den Winter<lb/> 6s jurs des Landes verweist.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0219]
Von jeher nämlich war den Germanen die Lenzfeier ein Kampffest.
Dargestellt wurde in ihm die Grundidee des alten'Götterglaubens: Sieg
des wiedererwachten guten Sonnengottes und seiner lichten
Heergesellen über die finsteren Dämonen des Winters. Dieser
Kampf wurde bei den Maifesten ebenso dramatisch zur Ausführung gebracht,
wie der Umzug des Wuotansheeres zu Weihnachten.
Noch um die Mitte des 16. Jahrhunderts herrschte zu Gothland und
in Süd-Schweden der Gebrauch, daß am 1. Mai zwei Reiterschaaren von
verschiedenen Seiten in die Stadt rückten. Die eine, ganz eingehüllt in Pelze,
mit Handspießen bewaffnet, Schneeballen und Eisschollen schleudernd, führte
der Winter-, an der Spitze der anderen, die mit Maien und Erstlings¬
blüthen geschmückt war, stand der „Blumen gras", der Frühling. Auf
dem Markte begegneten sich die Züge und hielten ein Speerstechen. Natür¬
lich überwand der Lenz den Winter; der jubelnde Ausspruch des „Umstan-
des" (d. h. der umherstehenden Menge) begrüßte ihn als Sieger, und von
Stund an begann die Herrschaft des Königs Frühling im Lande*).
Es ist unzweifelhaft, daß ganz ähnliche Spiele in alter Zeit auch in
Deutschland üblich waren**), und dieser Umstand erklärt die sonst seltsame
Beharrlichkeit, mit welcher alle größeren Ritterspiele des Mittelalters
als Lenz feste auftreten und ganz vorzugsweise zur Pfingstzeit abgehalten
wurden. Dies bezeugen Tausende von Urkunden und Chroniken und mit
Recht singt darum der Volks- und vorzeitkundige Uhland:
„In des Maien holden Tagen
In der Ane Blumenglanz
Edle Ritter fechten, jagen
Um den werthen Rosenkranz."
oder:
„Pfingsten war's, das Fest der Freude,
Das da feiern Wald und Haide.
Hub der Konig an zu sprechen:
Auch aus den Hallen
Der alten Hofburg allen
Soll ein reicher Frühling brechen! . . .
Trommeln und Trompeten schallen
") In Erinnerung dieser Kämpfe hat sich noch bis heutzutage auf dem Lande in Schweden
der Gebrauch erhalten, alle Händel und Herausforderungen den Winter durch aufzusparen und
am Maitage auszumachen.
"
) In Böhmen, Oestreich und der Schweiz ist der Wettkampf der Waffen zwischen Winter
und Sommer zum Wettgesänge zwischen ihnen geworden, in Steiermarr sogar zu einem voll¬
ständigen Rechtshändel, der regelmäßig durchgeführt wird und in Folge dessen man den Winter
6s jurs des Landes verweist.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |