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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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diejenigen, die zwar am Gefechte theilnehmen, aber nur um geistliche oder
ärztliche Hilfe zu leisten, desgleichen nicht die Auditeure und Militärbeamte
jeder Art, sowie nach specieller Vereinbarung die Träger des Genfer Con¬
ventionszeichens. Daß man die Spielleute unter die Combattanten zählen
darf, ist sicher, da sie zwar nicht mit Waffen, aber jedenfalls durch psycholo¬
gische Einwirkung und hauptsächlich durch Signale u. s. w. am Gefechte theil¬
nehmen, und dadurch zum Nachtheil des Feindes wirken. Wenn man sich
demnach an jenen kühn zurückgeschlagenen Angriff erinnert, der auf eine
preußische Musikbande gemacht wurde, die während des Gefechts die Tornister
bewachte, so lag dieser Fall keineswegs außer dem Bereiche der Berechti¬
gung. Im Allgemeinen aber geben die Franzosen auch hier zur Klage reichen
Anlaß.

Wir wollen ganz davon absehen, wie oft man mit Entrüstung las, daß
das rothe Kreuz mißachtet worden, daß auf Verbandplätze geschossen worden
war, wir erinnern nur an die Unmasse von irregulären Elementen, die den
verschiedenen Armeen zugetheilt sind. Entscheidend dafür, ob solche Frei-
schaaren wie regelmäßige Truppen betrachtet werden dürfen, ist natürlich
der Umstand, in wie fern sie von dem kriegführenden Staate anerkannt und
autorisire sind. Daß eine Uniform hierfür nicht maßgebend ist, steht fest.
Allein ebenso fest steht die Forderung, daß sie wenigstens überhaupt ein
bestimmtes Erkennungszeichen haben müssen. Vermeidet eine Frei-
schaarentruppe dies, so verzichtet sie damit auf den offenen redlichen Charakter
des Soldaten und wird nicht anders als jeder gemeine Verbrecher behan¬
delt. Ein Gleiches gilt ohne Zweifel für solche Abzeichen, die auf Schußweite
nicht mehr erkennbar sind, und den Verdacht absichtlicher Täuschung nahe
legen. So geschah bekanntlich in Elsaß und Lothringen, daß die Freischützen
lediglich ein kleines rothes Kreuz auf die landesübliche Blouse nähten, und
unter dieser Maske auf die Vorposten feuerten, bis Preußen in kategorischer
Weise erklärte, daß es aufhören werde, dieses Zeichen zu respectiren. Als
Orleans genommen wurde, stieß eine Abtheilung Cavalerie auf die soge¬
nannten Partisans de Gerf, die einen braunen Kittel und große Heckerhüte
trugen. Auch diese wurden Anfangs nicht als Soldaten behandelt und ein
großer Theil derselben ward niedergemacht, ehe es dem Reste gelang, durch
die Vorzeigung ihrer Soldbücher sich als französische Soldaten auszuweisen.
Indessen sollen selbst mit den letzteren viele "manosuvres krauäulsuses" im
Gange sein, wobei die Regierung leider zu übersehen scheint, wie tief sie
damit ihre legitimen Freitruppen schädigt.

Die interessanteste Frage auf diesem Gebiet ist jedoch ohne Zweifel die
Stellung Garibaldi's. Von der Regierung in Tours ist er zwar als General
bestatte, und seine Truppe ist in die französische Landesvertheidigung einge-


diejenigen, die zwar am Gefechte theilnehmen, aber nur um geistliche oder
ärztliche Hilfe zu leisten, desgleichen nicht die Auditeure und Militärbeamte
jeder Art, sowie nach specieller Vereinbarung die Träger des Genfer Con¬
ventionszeichens. Daß man die Spielleute unter die Combattanten zählen
darf, ist sicher, da sie zwar nicht mit Waffen, aber jedenfalls durch psycholo¬
gische Einwirkung und hauptsächlich durch Signale u. s. w. am Gefechte theil¬
nehmen, und dadurch zum Nachtheil des Feindes wirken. Wenn man sich
demnach an jenen kühn zurückgeschlagenen Angriff erinnert, der auf eine
preußische Musikbande gemacht wurde, die während des Gefechts die Tornister
bewachte, so lag dieser Fall keineswegs außer dem Bereiche der Berechti¬
gung. Im Allgemeinen aber geben die Franzosen auch hier zur Klage reichen
Anlaß.

Wir wollen ganz davon absehen, wie oft man mit Entrüstung las, daß
das rothe Kreuz mißachtet worden, daß auf Verbandplätze geschossen worden
war, wir erinnern nur an die Unmasse von irregulären Elementen, die den
verschiedenen Armeen zugetheilt sind. Entscheidend dafür, ob solche Frei-
schaaren wie regelmäßige Truppen betrachtet werden dürfen, ist natürlich
der Umstand, in wie fern sie von dem kriegführenden Staate anerkannt und
autorisire sind. Daß eine Uniform hierfür nicht maßgebend ist, steht fest.
Allein ebenso fest steht die Forderung, daß sie wenigstens überhaupt ein
bestimmtes Erkennungszeichen haben müssen. Vermeidet eine Frei-
schaarentruppe dies, so verzichtet sie damit auf den offenen redlichen Charakter
des Soldaten und wird nicht anders als jeder gemeine Verbrecher behan¬
delt. Ein Gleiches gilt ohne Zweifel für solche Abzeichen, die auf Schußweite
nicht mehr erkennbar sind, und den Verdacht absichtlicher Täuschung nahe
legen. So geschah bekanntlich in Elsaß und Lothringen, daß die Freischützen
lediglich ein kleines rothes Kreuz auf die landesübliche Blouse nähten, und
unter dieser Maske auf die Vorposten feuerten, bis Preußen in kategorischer
Weise erklärte, daß es aufhören werde, dieses Zeichen zu respectiren. Als
Orleans genommen wurde, stieß eine Abtheilung Cavalerie auf die soge¬
nannten Partisans de Gerf, die einen braunen Kittel und große Heckerhüte
trugen. Auch diese wurden Anfangs nicht als Soldaten behandelt und ein
großer Theil derselben ward niedergemacht, ehe es dem Reste gelang, durch
die Vorzeigung ihrer Soldbücher sich als französische Soldaten auszuweisen.
Indessen sollen selbst mit den letzteren viele „manosuvres krauäulsuses" im
Gange sein, wobei die Regierung leider zu übersehen scheint, wie tief sie
damit ihre legitimen Freitruppen schädigt.

Die interessanteste Frage auf diesem Gebiet ist jedoch ohne Zweifel die
Stellung Garibaldi's. Von der Regierung in Tours ist er zwar als General
bestatte, und seine Truppe ist in die französische Landesvertheidigung einge-


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[0217] diejenigen, die zwar am Gefechte theilnehmen, aber nur um geistliche oder ärztliche Hilfe zu leisten, desgleichen nicht die Auditeure und Militärbeamte jeder Art, sowie nach specieller Vereinbarung die Träger des Genfer Con¬ ventionszeichens. Daß man die Spielleute unter die Combattanten zählen darf, ist sicher, da sie zwar nicht mit Waffen, aber jedenfalls durch psycholo¬ gische Einwirkung und hauptsächlich durch Signale u. s. w. am Gefechte theil¬ nehmen, und dadurch zum Nachtheil des Feindes wirken. Wenn man sich demnach an jenen kühn zurückgeschlagenen Angriff erinnert, der auf eine preußische Musikbande gemacht wurde, die während des Gefechts die Tornister bewachte, so lag dieser Fall keineswegs außer dem Bereiche der Berechti¬ gung. Im Allgemeinen aber geben die Franzosen auch hier zur Klage reichen Anlaß. Wir wollen ganz davon absehen, wie oft man mit Entrüstung las, daß das rothe Kreuz mißachtet worden, daß auf Verbandplätze geschossen worden war, wir erinnern nur an die Unmasse von irregulären Elementen, die den verschiedenen Armeen zugetheilt sind. Entscheidend dafür, ob solche Frei- schaaren wie regelmäßige Truppen betrachtet werden dürfen, ist natürlich der Umstand, in wie fern sie von dem kriegführenden Staate anerkannt und autorisire sind. Daß eine Uniform hierfür nicht maßgebend ist, steht fest. Allein ebenso fest steht die Forderung, daß sie wenigstens überhaupt ein bestimmtes Erkennungszeichen haben müssen. Vermeidet eine Frei- schaarentruppe dies, so verzichtet sie damit auf den offenen redlichen Charakter des Soldaten und wird nicht anders als jeder gemeine Verbrecher behan¬ delt. Ein Gleiches gilt ohne Zweifel für solche Abzeichen, die auf Schußweite nicht mehr erkennbar sind, und den Verdacht absichtlicher Täuschung nahe legen. So geschah bekanntlich in Elsaß und Lothringen, daß die Freischützen lediglich ein kleines rothes Kreuz auf die landesübliche Blouse nähten, und unter dieser Maske auf die Vorposten feuerten, bis Preußen in kategorischer Weise erklärte, daß es aufhören werde, dieses Zeichen zu respectiren. Als Orleans genommen wurde, stieß eine Abtheilung Cavalerie auf die soge¬ nannten Partisans de Gerf, die einen braunen Kittel und große Heckerhüte trugen. Auch diese wurden Anfangs nicht als Soldaten behandelt und ein großer Theil derselben ward niedergemacht, ehe es dem Reste gelang, durch die Vorzeigung ihrer Soldbücher sich als französische Soldaten auszuweisen. Indessen sollen selbst mit den letzteren viele „manosuvres krauäulsuses" im Gange sein, wobei die Regierung leider zu übersehen scheint, wie tief sie damit ihre legitimen Freitruppen schädigt. Die interessanteste Frage auf diesem Gebiet ist jedoch ohne Zweifel die Stellung Garibaldi's. Von der Regierung in Tours ist er zwar als General bestatte, und seine Truppe ist in die französische Landesvertheidigung einge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/217>, abgerufen am 29.06.2024.