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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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dung), 1 Souslieutenant als dessen Adjutant, 1 desgleichen als Fahnenträger,
2 Oberärzten, einem Hilfsarzt und einem Musikdirektor. Mithin war das ein
Regimentsoberstab von nicht weniger als 18 Offizieren. -- Bei den anderen
Waffengattungen fand ein ähnliches Verhältniß statt.

Die Gliederung im Heerverband war ebenfalls eine ganz eigenthümliche,
von der deutschen sehr abweichende, indem eine feste für Krieg und Frie¬
den gleichbleibende nur in der Garde zu finden war, die in Divisionen
und Brigaden getheilt war. Im Uebrigen zerfiel das französische Heer in
25 Militärdivisionen (wovon 22 im Lande), die wieder in 90 Subdivifionen
oder Brigadebezirke getheilt waren, welche den Departements entsprachen.
Die anderen fielen auf Algerien und Corsika. Aber bei dem häufigen
Wechsel der Garnisonen hatte auch diese Gliederung eigentlich nicht den im
Auge gehabten Zweck, sondern reducirte sich im Wesentlichen mehr auf eine
Vermittelung im Verpflegungswesen, da die in einem Militärdistrict liegenden
Truppen nicht immer aus dieser recrutirt waren. Die Soldaten eines und
desselben Regiments gehörten somit oftmals mehreren Bezirken an und mußte
dieses solche rasch einziehen, namentlich bei einer Mobilmachung, so erhielt
es die eben Beurlaubten nicht immer wieder, sondern statt deren die Ur¬
lauber, die sich eben zur Zeit in seinem Standquartier befanden. Diesem
Übeln System weiter entsprechend, wurden auch Brigaden, Divisionen und
Corps erst formirt, wenn es zum Ausmarsch kam und so wußte vorher kei¬
ner der Commandeure, was er eigentlich erhielt. Als zuletzt mobil gemacht
wurde, durchzogen die einberufenen Reserven das Land nach allen Richtungen,
um ihre Depots zu erreichen, wo sie ausgerüstet wurden, um von da vielleicht
zu dem Punkte wieder zurückzukehren, von dem sie ausgegangen waren, denn
ihr Regiment stand vielleicht ebenda. Das verursachte unnöthige Zeitver-
säumniß, unnöthige Kosten, mußte die Einberufenen in ihrem Eifer abkühlen,
wohl gar verdrossen machen.

Hören wir darüber noch einen französischen Fachmann, der seine An¬
sichten über das Heerwesen seines Landes öffentlich aussprach, als seine krie¬
gerischen Landsleute bereits ihre ersten derben Lectionen erhalten hatten. Er
sagt da unter Anderem: "Der militärische Geist verlor sich. Die Armee, auf
Cadres reducirt, die augenscheinlich in Verfall war, machte nur noch Uebungen,
die wenig Bezug auf den großen Krieg hatten. Im Uebrigen nichts Festes,
nichts Sicheres, weder in den Reglements, noch in den Uniformen. -- In
Afrika hatten wir Truppen, die an das Lagerleben und Anstrengungen ge¬
wöhnt, aber eingebildet und wenig disciplinirt waren; ihnen fehlte der Halt
und die Ruhe für einen europäischen Krieg und sie bestrebten sich, nach Art
der Kabylen zu kämpfen. Alles in Allem, eine Armee von Stellvertretern
und Proletariern, hervorgegangen aus den untersten Schichten des Volkes, im


dung), 1 Souslieutenant als dessen Adjutant, 1 desgleichen als Fahnenträger,
2 Oberärzten, einem Hilfsarzt und einem Musikdirektor. Mithin war das ein
Regimentsoberstab von nicht weniger als 18 Offizieren. — Bei den anderen
Waffengattungen fand ein ähnliches Verhältniß statt.

Die Gliederung im Heerverband war ebenfalls eine ganz eigenthümliche,
von der deutschen sehr abweichende, indem eine feste für Krieg und Frie¬
den gleichbleibende nur in der Garde zu finden war, die in Divisionen
und Brigaden getheilt war. Im Uebrigen zerfiel das französische Heer in
25 Militärdivisionen (wovon 22 im Lande), die wieder in 90 Subdivifionen
oder Brigadebezirke getheilt waren, welche den Departements entsprachen.
Die anderen fielen auf Algerien und Corsika. Aber bei dem häufigen
Wechsel der Garnisonen hatte auch diese Gliederung eigentlich nicht den im
Auge gehabten Zweck, sondern reducirte sich im Wesentlichen mehr auf eine
Vermittelung im Verpflegungswesen, da die in einem Militärdistrict liegenden
Truppen nicht immer aus dieser recrutirt waren. Die Soldaten eines und
desselben Regiments gehörten somit oftmals mehreren Bezirken an und mußte
dieses solche rasch einziehen, namentlich bei einer Mobilmachung, so erhielt
es die eben Beurlaubten nicht immer wieder, sondern statt deren die Ur¬
lauber, die sich eben zur Zeit in seinem Standquartier befanden. Diesem
Übeln System weiter entsprechend, wurden auch Brigaden, Divisionen und
Corps erst formirt, wenn es zum Ausmarsch kam und so wußte vorher kei¬
ner der Commandeure, was er eigentlich erhielt. Als zuletzt mobil gemacht
wurde, durchzogen die einberufenen Reserven das Land nach allen Richtungen,
um ihre Depots zu erreichen, wo sie ausgerüstet wurden, um von da vielleicht
zu dem Punkte wieder zurückzukehren, von dem sie ausgegangen waren, denn
ihr Regiment stand vielleicht ebenda. Das verursachte unnöthige Zeitver-
säumniß, unnöthige Kosten, mußte die Einberufenen in ihrem Eifer abkühlen,
wohl gar verdrossen machen.

Hören wir darüber noch einen französischen Fachmann, der seine An¬
sichten über das Heerwesen seines Landes öffentlich aussprach, als seine krie¬
gerischen Landsleute bereits ihre ersten derben Lectionen erhalten hatten. Er
sagt da unter Anderem: „Der militärische Geist verlor sich. Die Armee, auf
Cadres reducirt, die augenscheinlich in Verfall war, machte nur noch Uebungen,
die wenig Bezug auf den großen Krieg hatten. Im Uebrigen nichts Festes,
nichts Sicheres, weder in den Reglements, noch in den Uniformen. — In
Afrika hatten wir Truppen, die an das Lagerleben und Anstrengungen ge¬
wöhnt, aber eingebildet und wenig disciplinirt waren; ihnen fehlte der Halt
und die Ruhe für einen europäischen Krieg und sie bestrebten sich, nach Art
der Kabylen zu kämpfen. Alles in Allem, eine Armee von Stellvertretern
und Proletariern, hervorgegangen aus den untersten Schichten des Volkes, im


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/150>, abgerufen am 26.06.2024.