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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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Pavlotti, des Sacre Coeur und des Bon Pasteur wesentlich unterstützten
französischen Sympathien gegenüber, gemahnte die italienische Partei ihre An¬
hänger, sich ihres größten Mitbürgers Garibaldi würdig zu zeigen, feierte sie
1853 mit Begeisterung das dreihundertjährige Gedächtniß der Abweisung
der türkischen Belagerung durch den Heldenmuth der Caterina Segurana, und
als vollends am 22. Januar l857 König Victor Emanuel in die Stadt ein-
zog, brauste ihm von der Ehrenpforte bis zu seinem Palast der einmüthige
Ruf entgegen: "Es lebe der König von Italien!"

Sehr bald hatte Nizza Gelegenheit, seine italienische Gesinnung that¬
kräftig zu beweisen, und zu handeln. Es stellte im Kriege von 1859. außer
den regulären Streitern, 240 Freiwillige, daneben Führer wie Nibotti
und Garibaldi, welche die Alpenjäger und die "Jäger von Magra" organi-
sirten. Auch nizzardisches Blut hat im heißen Sommer 1859 die wiederge¬
wonnene Erde des Vaterlandes geröthet.

Aber noch weit härtere Opfer und Selbstverleugnung standen der Graf¬
schaft bevor. Schon seit der Unterredung von Plombieres zwischen Kaiser
Napoleon und Graf Cavour war das dunkle Gerücht verbreitet, daß Savoyen
und Nizza jene "ick>zö" sei. "pour layuelw" die Heere Frankreichs über die
Alpen in die Poebene niederstiegen. Das Gerücht, hundertmal wiederholt
und widerlegt, nahm plötzlich bedrohliche Gestalt an, als nach dem unerwarteten
Friedensschluß von Villafranca die gesammte französische Presse, die kaiserliche
sowohl als die orleanistische,die legitimistische und oppositionelle, den alten Grundsatz
der, nun hoffentlich für immer verflossenen, französischen Staatsweisheit predigten,
daß jede Stärkung der französischen Nachbarn auch nothwendig eine Grenzberich¬
tigung zu Gunsten Frankreichs im Gefolge haben müsse. Folglich müsse auch
Italien Savoyen herausgeben. Man sprach bald auch von Nizza. Cavour
war bekanntlich inzwischen, unmittelbar nach dem Friedensschluß, zurückge¬
treten, ein Ministerium Ratazzi-Lamarmora ihm nachgefolgt. Die Bevöl¬
kerung Nizzas regte sich aufs kräftigste, sobald die französischen Chauvinisten
jene Annexionsartikel in Scene setzten/ Die Gemeindebehörden erließen Adressen
voll rührender Ergebenheit an den König, denen sich die gesammte In¬
telligenz, wissenschaftliche. Künstler- und Arbeitervereine, und das Offi-
ziercorps anschlössen. Unter dem Eindruck dieser hochgehenden Bewegung
wurden im Januar 1861 die Nizzaer Gemeindebehörden erneuert. Die Wahlen
ergaben 35 von 40 Stadträthen, für die italienische Partei. Selbst die
Gazette de Rice konnte nach dieser Abstimmung sich der Worte nicht ent¬
halten: "ig Population A, äorms son veiZiet; eilt; I'a. clonu6 complot, clvoi-
M" In demselben Sinne fiel die Wahl der Provinzialräthe aus. Diese
klaren Aussprüche der italienischen Gesinnung Nizzas, die verstärkt wurden
durch die dortigen Parlamentswahlen, aus denen Garibaldi, Laurenti Ra-


Pavlotti, des Sacre Coeur und des Bon Pasteur wesentlich unterstützten
französischen Sympathien gegenüber, gemahnte die italienische Partei ihre An¬
hänger, sich ihres größten Mitbürgers Garibaldi würdig zu zeigen, feierte sie
1853 mit Begeisterung das dreihundertjährige Gedächtniß der Abweisung
der türkischen Belagerung durch den Heldenmuth der Caterina Segurana, und
als vollends am 22. Januar l857 König Victor Emanuel in die Stadt ein-
zog, brauste ihm von der Ehrenpforte bis zu seinem Palast der einmüthige
Ruf entgegen: „Es lebe der König von Italien!"

Sehr bald hatte Nizza Gelegenheit, seine italienische Gesinnung that¬
kräftig zu beweisen, und zu handeln. Es stellte im Kriege von 1859. außer
den regulären Streitern, 240 Freiwillige, daneben Führer wie Nibotti
und Garibaldi, welche die Alpenjäger und die „Jäger von Magra" organi-
sirten. Auch nizzardisches Blut hat im heißen Sommer 1859 die wiederge¬
wonnene Erde des Vaterlandes geröthet.

Aber noch weit härtere Opfer und Selbstverleugnung standen der Graf¬
schaft bevor. Schon seit der Unterredung von Plombieres zwischen Kaiser
Napoleon und Graf Cavour war das dunkle Gerücht verbreitet, daß Savoyen
und Nizza jene „ick>zö" sei. „pour layuelw" die Heere Frankreichs über die
Alpen in die Poebene niederstiegen. Das Gerücht, hundertmal wiederholt
und widerlegt, nahm plötzlich bedrohliche Gestalt an, als nach dem unerwarteten
Friedensschluß von Villafranca die gesammte französische Presse, die kaiserliche
sowohl als die orleanistische,die legitimistische und oppositionelle, den alten Grundsatz
der, nun hoffentlich für immer verflossenen, französischen Staatsweisheit predigten,
daß jede Stärkung der französischen Nachbarn auch nothwendig eine Grenzberich¬
tigung zu Gunsten Frankreichs im Gefolge haben müsse. Folglich müsse auch
Italien Savoyen herausgeben. Man sprach bald auch von Nizza. Cavour
war bekanntlich inzwischen, unmittelbar nach dem Friedensschluß, zurückge¬
treten, ein Ministerium Ratazzi-Lamarmora ihm nachgefolgt. Die Bevöl¬
kerung Nizzas regte sich aufs kräftigste, sobald die französischen Chauvinisten
jene Annexionsartikel in Scene setzten/ Die Gemeindebehörden erließen Adressen
voll rührender Ergebenheit an den König, denen sich die gesammte In¬
telligenz, wissenschaftliche. Künstler- und Arbeitervereine, und das Offi-
ziercorps anschlössen. Unter dem Eindruck dieser hochgehenden Bewegung
wurden im Januar 1861 die Nizzaer Gemeindebehörden erneuert. Die Wahlen
ergaben 35 von 40 Stadträthen, für die italienische Partei. Selbst die
Gazette de Rice konnte nach dieser Abstimmung sich der Worte nicht ent¬
halten: „ig Population A, äorms son veiZiet; eilt; I'a. clonu6 complot, clvoi-
M" In demselben Sinne fiel die Wahl der Provinzialräthe aus. Diese
klaren Aussprüche der italienischen Gesinnung Nizzas, die verstärkt wurden
durch die dortigen Parlamentswahlen, aus denen Garibaldi, Laurenti Ra-


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[0133] Pavlotti, des Sacre Coeur und des Bon Pasteur wesentlich unterstützten französischen Sympathien gegenüber, gemahnte die italienische Partei ihre An¬ hänger, sich ihres größten Mitbürgers Garibaldi würdig zu zeigen, feierte sie 1853 mit Begeisterung das dreihundertjährige Gedächtniß der Abweisung der türkischen Belagerung durch den Heldenmuth der Caterina Segurana, und als vollends am 22. Januar l857 König Victor Emanuel in die Stadt ein- zog, brauste ihm von der Ehrenpforte bis zu seinem Palast der einmüthige Ruf entgegen: „Es lebe der König von Italien!" Sehr bald hatte Nizza Gelegenheit, seine italienische Gesinnung that¬ kräftig zu beweisen, und zu handeln. Es stellte im Kriege von 1859. außer den regulären Streitern, 240 Freiwillige, daneben Führer wie Nibotti und Garibaldi, welche die Alpenjäger und die „Jäger von Magra" organi- sirten. Auch nizzardisches Blut hat im heißen Sommer 1859 die wiederge¬ wonnene Erde des Vaterlandes geröthet. Aber noch weit härtere Opfer und Selbstverleugnung standen der Graf¬ schaft bevor. Schon seit der Unterredung von Plombieres zwischen Kaiser Napoleon und Graf Cavour war das dunkle Gerücht verbreitet, daß Savoyen und Nizza jene „ick>zö" sei. „pour layuelw" die Heere Frankreichs über die Alpen in die Poebene niederstiegen. Das Gerücht, hundertmal wiederholt und widerlegt, nahm plötzlich bedrohliche Gestalt an, als nach dem unerwarteten Friedensschluß von Villafranca die gesammte französische Presse, die kaiserliche sowohl als die orleanistische,die legitimistische und oppositionelle, den alten Grundsatz der, nun hoffentlich für immer verflossenen, französischen Staatsweisheit predigten, daß jede Stärkung der französischen Nachbarn auch nothwendig eine Grenzberich¬ tigung zu Gunsten Frankreichs im Gefolge haben müsse. Folglich müsse auch Italien Savoyen herausgeben. Man sprach bald auch von Nizza. Cavour war bekanntlich inzwischen, unmittelbar nach dem Friedensschluß, zurückge¬ treten, ein Ministerium Ratazzi-Lamarmora ihm nachgefolgt. Die Bevöl¬ kerung Nizzas regte sich aufs kräftigste, sobald die französischen Chauvinisten jene Annexionsartikel in Scene setzten/ Die Gemeindebehörden erließen Adressen voll rührender Ergebenheit an den König, denen sich die gesammte In¬ telligenz, wissenschaftliche. Künstler- und Arbeitervereine, und das Offi- ziercorps anschlössen. Unter dem Eindruck dieser hochgehenden Bewegung wurden im Januar 1861 die Nizzaer Gemeindebehörden erneuert. Die Wahlen ergaben 35 von 40 Stadträthen, für die italienische Partei. Selbst die Gazette de Rice konnte nach dieser Abstimmung sich der Worte nicht ent¬ halten: „ig Population A, äorms son veiZiet; eilt; I'a. clonu6 complot, clvoi- M" In demselben Sinne fiel die Wahl der Provinzialräthe aus. Diese klaren Aussprüche der italienischen Gesinnung Nizzas, die verstärkt wurden durch die dortigen Parlamentswahlen, aus denen Garibaldi, Laurenti Ra-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/133>, abgerufen am 23.07.2024.