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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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verständlicher ein Unternehmen oder ein Prospectus, aus desto günstigere
Aussichten darf er zählen.

Natürlich ist der "Vertrieb" solcher finanzieller Geschäfte in ein gehöri¬
ges System gebracht, und jede ägyptische, türkische, spanische, ungarische,
peruanische oder sonst transcontinentale Anleihe hat nur nöthig, sich gewisser¬
maßen dem geschicktesten "Lutrepivneur en Publicity" in Accord zu geben,
und die Geschichte läuft wie auf Rollen, und das tausend Mal getäuschte
Publicum merkt nicht, daß man es zum tausendersten Male hinters Licht führt.
Ja, was schlimmer ist, es scheint keine Ahnung davon zu haben, daß diese
Täuschung ein wie das andere Mal nach demselben Recept in Scene gesetzt
wird, bis das Ganze im Trauerspiel des allgemeinen Bankerotts endet.

Ich kenne solch einen Accordarbeiter im Weinberge der Publicität, der
darin selbst vom armen Schlucker zum halben Millionär geworden -- denn
das Metier nährt seinen Mann. Mein Held ist bei allen großen Finanz¬
gesellschaften wohlgelitten, und hat die besondere Specialität, ausländische An¬
leihen in Frankreich .... populär zu machen. Mag es sich nun um eine
türkische oder peruanische, eine italienische oder ungarische Unternehmung han¬
deln; der Mann ist in allen Sätteln gerecht.

Gilt es, ein derartiges Unternehmen zu vertreiben, so setzt sich natürlich
die betreffende Geldmacht mit diesem Manne zunächst in Verbindung. Oft
kommt es denjenigen, welche das Geschäft selbst Patroniren, gar nicht so sehr
darauf an, einen vollen Succeß zu erhalten, da sie nicht selten Aussicht haben,
später, wenn dem Auftraggeber das Messer noch mehr an der Kehle steht,
von demselben für sich noch besondere und bessere Bedingungen zu erlangen,
mit denen sie dann auf eigene Rechnung und im Privatverkehr manipuliren.
Es ist also klar, daß unser Entrepreneur es in der Hand hat, ganze, halbe
und Viertels-Erfolge und selbst blos sogenannte sueeos ä'estime zu arrangiren.
Es kommt immer nur darauf an, welche Summen man ihm für seine Wirk¬
samkeit zur Verfügung stellt. Es gibt Unternehmungen, die schon für 300,
bis 400,000 Franken sehr hübsch und mit gutem Erfolge durch die Presse
lcmcirt werden können; aber an andere Geschäfte wiederum darf man sich
nicht wagen, wenn man nicht mindestens eine Million zur Verfügung hat,
über^deren Verwendung im Einzelnen natürlich jegliche Rechnungslegung ein
Ding ist, welches die geschlechtsfreundliche Delicatesse von vornherein verbietet.
Aber Eines muß man den Entrepeneurs im Großen und Ganzen nachrüh¬
men, sie sind nur bei wirklich schlechten Geschäften in ihren Preisforderungen
exorbitant; bei guten oder halb guten Capitalsanlagen stellen sie weniger
hohe Forderungen. Deshalb sind ihnen auch, in guter Logik, die Ersteren
stets die angenehmsten.

Ist der Entrepreneur mit dem Autor des Geschäfts handelseins gewor-


verständlicher ein Unternehmen oder ein Prospectus, aus desto günstigere
Aussichten darf er zählen.

Natürlich ist der „Vertrieb" solcher finanzieller Geschäfte in ein gehöri¬
ges System gebracht, und jede ägyptische, türkische, spanische, ungarische,
peruanische oder sonst transcontinentale Anleihe hat nur nöthig, sich gewisser¬
maßen dem geschicktesten „Lutrepivneur en Publicity" in Accord zu geben,
und die Geschichte läuft wie auf Rollen, und das tausend Mal getäuschte
Publicum merkt nicht, daß man es zum tausendersten Male hinters Licht führt.
Ja, was schlimmer ist, es scheint keine Ahnung davon zu haben, daß diese
Täuschung ein wie das andere Mal nach demselben Recept in Scene gesetzt
wird, bis das Ganze im Trauerspiel des allgemeinen Bankerotts endet.

Ich kenne solch einen Accordarbeiter im Weinberge der Publicität, der
darin selbst vom armen Schlucker zum halben Millionär geworden — denn
das Metier nährt seinen Mann. Mein Held ist bei allen großen Finanz¬
gesellschaften wohlgelitten, und hat die besondere Specialität, ausländische An¬
leihen in Frankreich .... populär zu machen. Mag es sich nun um eine
türkische oder peruanische, eine italienische oder ungarische Unternehmung han¬
deln; der Mann ist in allen Sätteln gerecht.

Gilt es, ein derartiges Unternehmen zu vertreiben, so setzt sich natürlich
die betreffende Geldmacht mit diesem Manne zunächst in Verbindung. Oft
kommt es denjenigen, welche das Geschäft selbst Patroniren, gar nicht so sehr
darauf an, einen vollen Succeß zu erhalten, da sie nicht selten Aussicht haben,
später, wenn dem Auftraggeber das Messer noch mehr an der Kehle steht,
von demselben für sich noch besondere und bessere Bedingungen zu erlangen,
mit denen sie dann auf eigene Rechnung und im Privatverkehr manipuliren.
Es ist also klar, daß unser Entrepreneur es in der Hand hat, ganze, halbe
und Viertels-Erfolge und selbst blos sogenannte sueeos ä'estime zu arrangiren.
Es kommt immer nur darauf an, welche Summen man ihm für seine Wirk¬
samkeit zur Verfügung stellt. Es gibt Unternehmungen, die schon für 300,
bis 400,000 Franken sehr hübsch und mit gutem Erfolge durch die Presse
lcmcirt werden können; aber an andere Geschäfte wiederum darf man sich
nicht wagen, wenn man nicht mindestens eine Million zur Verfügung hat,
über^deren Verwendung im Einzelnen natürlich jegliche Rechnungslegung ein
Ding ist, welches die geschlechtsfreundliche Delicatesse von vornherein verbietet.
Aber Eines muß man den Entrepeneurs im Großen und Ganzen nachrüh¬
men, sie sind nur bei wirklich schlechten Geschäften in ihren Preisforderungen
exorbitant; bei guten oder halb guten Capitalsanlagen stellen sie weniger
hohe Forderungen. Deshalb sind ihnen auch, in guter Logik, die Ersteren
stets die angenehmsten.

Ist der Entrepreneur mit dem Autor des Geschäfts handelseins gewor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/114>, abgerufen am 23.07.2024.