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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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den, dann beginnt die Arbeit des Mannes, der gewöhnlich aus allerlei ihm
zur Verfügung gestellten Material ein Broschürchen zusammenklaubt oder von
irgend einem armen Teufel zusammenklauben läßt, das an brillanter Zahlen-
gruppirung dem verwegensten Finanzminister nicht zur Schande gereichen
würde. Wenn dann Alles vorbereitet worden, so entbietet der große Unbe¬
kannte, der natürlich stets in den Wolken thront, den einzelnen Journalen seinen
Gruß und es wird zunächst mit dem Annoncen-Regisseur und dann auch mit
dem Director jeglichen Blattes ein Abkommen getroffen, einmal über den
Tarif der Jnsertionen, der für Finanzannoncen durchaus beweglich ist, und
ferner über den Preis, zu welchem die Redaction geneigt wäre, der in Rede
stehenden Unternehmung ihre mehr oder minder warme Unterstützung zu
widmen. Oft auch werden die Annoncen nur einem Blatte zum höchsten
Tarife zugewandt, damit es ein Interesse habe, das Geschäft nicht anzugreifen,
'oft auch richtet sich der zu zahlende Preis danach, ob die Redaction selbst
für die einzurückenden Artikel sorgt (in diesem Falle ist der große Unbekannte
nur Jnspirateur), oder ob der Entrepreneur dieselben gleich fix und fertig
zur Aufnahme einsendet, in welchem Falle er sich selbstverständlich ein
entsprechendes Autorhonorar zuzuweisen in der Lage ist.

Nun beginnen die Trompetenstöße, die Trommelwirbel und Tamtam¬
schläge, gerade wie auf einer Messe, wenn es gilt, das hochverehrliche Publi-
cum zum Anblick eines seidenhaarigen Albino, oder eines fetten Schweines,
oder irgend einer Miß Pastrana heranzulocken.

Spielt das Geschäft in Peru und sind Guanoinseln als Pfand ausge¬
schrieben , so erfolgt eine ethnographische Beschreibung des alten GoldlandeS
in einer Weise, daß der Leser unwillkürlich die Finger danach schleckt, und
dem Statistiker kommt es nicht darauf an, allen vergangenen, gegenwärtigen
und zukünftigen Guano mit in Rechnung zu bringen, mag er auch noch
so lange Zeit schon verkauft und verbraucht, schon anderweit verpfändet
oder überhaupt von den liebenswürdigen Vögeln noch gar nicht fabri-
cirt sein.

Handelt es sich um eine Eisenbahn im fernen Westen, so werden alle
die uncultivirten Länderstrecken mit hochtönendsten Namen als Hypotheken und
sichere Grundlagen hingestellt, die mit dem Gelde der Subscribenten erst ge.
kauft und erstanden werden sollen.

Gilt es, den egyptischen Rhedern unter die Arme zu greifen, so ver¬
pfändet man ohne Bedenken weite Zuckerrohrplantagen und ihre bis ins Detail
ausgerechneten Erträgnisse, die erst mit dem Gelde der Darleiher -- so Allah
und Ismail Pascha -- wollen -- ins Leben zu rufen sind; und so weiter in
ivümwm, aber immer mit Grazie.

Nachdem diese und ähnliche Zustände einmal gegeben, war eine weitere
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den, dann beginnt die Arbeit des Mannes, der gewöhnlich aus allerlei ihm
zur Verfügung gestellten Material ein Broschürchen zusammenklaubt oder von
irgend einem armen Teufel zusammenklauben läßt, das an brillanter Zahlen-
gruppirung dem verwegensten Finanzminister nicht zur Schande gereichen
würde. Wenn dann Alles vorbereitet worden, so entbietet der große Unbe¬
kannte, der natürlich stets in den Wolken thront, den einzelnen Journalen seinen
Gruß und es wird zunächst mit dem Annoncen-Regisseur und dann auch mit
dem Director jeglichen Blattes ein Abkommen getroffen, einmal über den
Tarif der Jnsertionen, der für Finanzannoncen durchaus beweglich ist, und
ferner über den Preis, zu welchem die Redaction geneigt wäre, der in Rede
stehenden Unternehmung ihre mehr oder minder warme Unterstützung zu
widmen. Oft auch werden die Annoncen nur einem Blatte zum höchsten
Tarife zugewandt, damit es ein Interesse habe, das Geschäft nicht anzugreifen,
'oft auch richtet sich der zu zahlende Preis danach, ob die Redaction selbst
für die einzurückenden Artikel sorgt (in diesem Falle ist der große Unbekannte
nur Jnspirateur), oder ob der Entrepreneur dieselben gleich fix und fertig
zur Aufnahme einsendet, in welchem Falle er sich selbstverständlich ein
entsprechendes Autorhonorar zuzuweisen in der Lage ist.

Nun beginnen die Trompetenstöße, die Trommelwirbel und Tamtam¬
schläge, gerade wie auf einer Messe, wenn es gilt, das hochverehrliche Publi-
cum zum Anblick eines seidenhaarigen Albino, oder eines fetten Schweines,
oder irgend einer Miß Pastrana heranzulocken.

Spielt das Geschäft in Peru und sind Guanoinseln als Pfand ausge¬
schrieben , so erfolgt eine ethnographische Beschreibung des alten GoldlandeS
in einer Weise, daß der Leser unwillkürlich die Finger danach schleckt, und
dem Statistiker kommt es nicht darauf an, allen vergangenen, gegenwärtigen
und zukünftigen Guano mit in Rechnung zu bringen, mag er auch noch
so lange Zeit schon verkauft und verbraucht, schon anderweit verpfändet
oder überhaupt von den liebenswürdigen Vögeln noch gar nicht fabri-
cirt sein.

Handelt es sich um eine Eisenbahn im fernen Westen, so werden alle
die uncultivirten Länderstrecken mit hochtönendsten Namen als Hypotheken und
sichere Grundlagen hingestellt, die mit dem Gelde der Subscribenten erst ge.
kauft und erstanden werden sollen.

Gilt es, den egyptischen Rhedern unter die Arme zu greifen, so ver¬
pfändet man ohne Bedenken weite Zuckerrohrplantagen und ihre bis ins Detail
ausgerechneten Erträgnisse, die erst mit dem Gelde der Darleiher — so Allah
und Ismail Pascha — wollen — ins Leben zu rufen sind; und so weiter in
ivümwm, aber immer mit Grazie.

Nachdem diese und ähnliche Zustände einmal gegeben, war eine weitere
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[0115] den, dann beginnt die Arbeit des Mannes, der gewöhnlich aus allerlei ihm zur Verfügung gestellten Material ein Broschürchen zusammenklaubt oder von irgend einem armen Teufel zusammenklauben läßt, das an brillanter Zahlen- gruppirung dem verwegensten Finanzminister nicht zur Schande gereichen würde. Wenn dann Alles vorbereitet worden, so entbietet der große Unbe¬ kannte, der natürlich stets in den Wolken thront, den einzelnen Journalen seinen Gruß und es wird zunächst mit dem Annoncen-Regisseur und dann auch mit dem Director jeglichen Blattes ein Abkommen getroffen, einmal über den Tarif der Jnsertionen, der für Finanzannoncen durchaus beweglich ist, und ferner über den Preis, zu welchem die Redaction geneigt wäre, der in Rede stehenden Unternehmung ihre mehr oder minder warme Unterstützung zu widmen. Oft auch werden die Annoncen nur einem Blatte zum höchsten Tarife zugewandt, damit es ein Interesse habe, das Geschäft nicht anzugreifen, 'oft auch richtet sich der zu zahlende Preis danach, ob die Redaction selbst für die einzurückenden Artikel sorgt (in diesem Falle ist der große Unbekannte nur Jnspirateur), oder ob der Entrepreneur dieselben gleich fix und fertig zur Aufnahme einsendet, in welchem Falle er sich selbstverständlich ein entsprechendes Autorhonorar zuzuweisen in der Lage ist. Nun beginnen die Trompetenstöße, die Trommelwirbel und Tamtam¬ schläge, gerade wie auf einer Messe, wenn es gilt, das hochverehrliche Publi- cum zum Anblick eines seidenhaarigen Albino, oder eines fetten Schweines, oder irgend einer Miß Pastrana heranzulocken. Spielt das Geschäft in Peru und sind Guanoinseln als Pfand ausge¬ schrieben , so erfolgt eine ethnographische Beschreibung des alten GoldlandeS in einer Weise, daß der Leser unwillkürlich die Finger danach schleckt, und dem Statistiker kommt es nicht darauf an, allen vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Guano mit in Rechnung zu bringen, mag er auch noch so lange Zeit schon verkauft und verbraucht, schon anderweit verpfändet oder überhaupt von den liebenswürdigen Vögeln noch gar nicht fabri- cirt sein. Handelt es sich um eine Eisenbahn im fernen Westen, so werden alle die uncultivirten Länderstrecken mit hochtönendsten Namen als Hypotheken und sichere Grundlagen hingestellt, die mit dem Gelde der Subscribenten erst ge. kauft und erstanden werden sollen. Gilt es, den egyptischen Rhedern unter die Arme zu greifen, so ver¬ pfändet man ohne Bedenken weite Zuckerrohrplantagen und ihre bis ins Detail ausgerechneten Erträgnisse, die erst mit dem Gelde der Darleiher — so Allah und Ismail Pascha — wollen — ins Leben zu rufen sind; und so weiter in ivümwm, aber immer mit Grazie. Nachdem diese und ähnliche Zustände einmal gegeben, war eine weitere * 14

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/115>, abgerufen am 23.07.2024.