Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.der im Sommer 1868, mitten im tiefsten Frieden, plötzlich am Morgen des Aber, wie gesagt, dergleichen Dinge waren und sind nur armselige Busch- Die Sucht, schnell reich zu werden, muß eben Alles erklären. Die große Unwissenheit des gemeinen französischen Mannes in Bezug Wmijbotm I. 1V7I,. 14
der im Sommer 1868, mitten im tiefsten Frieden, plötzlich am Morgen des Aber, wie gesagt, dergleichen Dinge waren und sind nur armselige Busch- Die Sucht, schnell reich zu werden, muß eben Alles erklären. Die große Unwissenheit des gemeinen französischen Mannes in Bezug Wmijbotm I. 1V7I,. 14
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der im Sommer 1868, mitten im tiefsten Frieden, plötzlich am Morgen des
15. Juli die algerischen Truppen auf der urgeschwind mobilisirten Mittel¬
meertransportflotte nach Frankreich überführen und in den Spalten des
Gaulois vor den erstarrten Augen der Haussiers defiliren ließ, oder von
jenem anderen Künstler, der den „Moniteur universel" dazu gebrauchte, urbi
et vrdi anzuzeigen, die preußische Landwehr sei einberufen, um nach Bayern
zu rücken, dessen Kammer die Schutz- und Trutzbündnisse aus dem Jahr 1866
nicht ratificiren wolle. Dergleichen Späße kosteten dem Autor vielleicht „6- bis
8000 Franken Einrückungsgebühr" in den Text der Zeitung, drückten die
Course in gewünschter Weise, und trugen dem gewiegten Sämann mithin
hundert- und tausendfältige Frucht.
Aber, wie gesagt, dergleichen Dinge waren und sind nur armselige Busch-
kleppereien, neben der wirklichen finanziellen Reclame, welche die wahrste und
eigentlichste Milchkuh der Pariser Journalistik ist. Nicht, als ob der soge¬
nannte Börsen- und Finanzreporter, deren jedes Pariser Blatt mindestens
einen besitzt, dazu berufen wäre, das Fett von der goldenen Suppe abzu¬
schöpfen, die nur den Eigenthümern, Directoren, Geranten und zuweilen auch
Chefredacteuren der einzelnen Blätter servirt wird. Die armen Teufel von
täglichen Berichterstattern haben sich lediglich mit den Brosamen zu begnü¬
gen, die von der großen Herren Tische fallen. Man wirft ihnen ein oder
das andere Tausendsrancbillet hin, um daran wie an einem Knochen zu
nagen, indeß die wahren Matadore, die wirklichen Beherrscher der öffentlichen
Meinung, die Zehn- und Zwanzigtausende, oft noch mehr, gemüthlich ein¬
stecken. Denn so skeptisch dies Pariser und französische Volk auch in reli¬
giösen oder politischen Fragen sein mag, in Geldsachen scheint bei ihm erst
die Gemüthlichkeit anzufangen. So oft es daher auch schon für seine bei¬
spiellose Leichtgläubigkeit auf das härteste bestraft worden ist, so oft fällt es
auch immer wieder in die Schlingen, die ihm, mit allerdings ebenso beispiel¬
loser Geschicklichkeit, gelegt werden. Der Ruin Hunderttausender durch den
Credit Mobilier, die mexikanischen und tunesischen Anleihen, die Loei6t6 im-
modiliers und wie alle die einst so prächtig gleißenden Unternehmungen
heißen mögen, hält neue Hunderttausende niemals ab, auch ihre Capitalien
in den gähnenden Schlund der Spekulation zu werfen, wenn derselbe nur
mit einer zierlichen Decke von Dividenden, Procenten, Gewinnen und derglei¬
chen anmuthenden Nippsächelchen verbrämt erschien.
Die Sucht, schnell reich zu werden, muß eben Alles erklären.
Die große Unwissenheit des gemeinen französischen Mannes in Bezug
auf Alles, was irgendwie mit der Geographie zusammenhängt, erleichtert den
Unternehmern, die natürlich dabei dick, fett und steinreich werden, die Arbeit
ungemein. Je unbekannter ein Land, je sremdklingender ein Name, je un-
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