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Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band.

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gegen 60 Postcourse unterhalten werden müssen. Die Transporte bewegen
sich zum Theil auf den alten vom modernen Verkehr verlassenen Kunst¬
straßen, zum Theil auf den von der vortrefflich organisirten Feld-Eisenbahnver¬
waltung wiederhergestellten oder neugebauten Eisenbahnen, oft auch auf
einsamen Waldpfaden oder durch gefahrvolle DeMen in den schneebedeckten
Vogesen. Nicht selten sind die Feldpostbegleiter Angriffen von feindlichen
Banden ausgesetzt; belauert von einer erbitterten Bevölkerung, auf unbe¬
kannten Wegen, allen Unbilden der Witterung preisgegeben, haben sie gleich
wohl ihre Aufgabe treulich erfüllt.

Nach den Etappen-Poststraßen zu laufen aus dem Inlande von der
weiten Peripherie gleich Radien die Post- und Eisenbahncourse. Die Be¬
wältigung der colossalen Correspondenzmassen wurde durch Einrichtung be¬
stimmter Central-Arbeitsplätze -- Post-Sammelstellen -- ermöglicht,
bei welcher die Briefe aus all den zahlreichen Canälen und Adern zusammen¬
strömen. Diese Sammelstellen sind zu großartigen Depots mit einem zum
Theil sehr bedeutenden Apparat an Personal und Betriebsmitteln ausge¬
bildet; es existiren deren jetzt fünf: in Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main,
Köln und Saarbrücken. In Frankfurt ist die Sammelstelle im Sommer¬
theater etablirt und an die Stelle von heiteren Rhythmen der Offenbach'schen
Muse sind dort die Klänge der Namen von Armeen, Corps und Divisionen
getreten. Auf eine einzige solcher Sammelstellen flutet täglich die Masse
von 60--80,000 Briefen ein -- in die Berliner oft 200,000 Briefe; und
doch wird aus dem scheinbaren Gewirr bald Regel und Ordnung hergestellt.
Das Mittel dafür bietet sich in einem mehr als 60 Seiten umfassenden com-
pendiösen Handbuche -- Feldpost-Uebersicht genannt --, welches die gesammte
Armeeeintheilung nach Corps, Divisionen u. s. >x und die genauen Angaben
darüber enthält, zu welcher Division u. s. w. ein jeder Truppentheil gehört.
Nach dieser Uebersicht, zu welcher täglich Berichtigungsnachweisungen erschei¬
nen, vollzieht sich in emsiger, rastloser Arbeit das Sortiren der Briefmassen,
und zur bestimmten Stunde gehen mit wohlgeordneten Inhalte zahlreiche
Briefsäcke auf die Eisenbahnrouten zur Armee ab. Man denke sich, daß mehr
als 1 Million Menschen - wie in den Zeiten der Völkerwanderung --
ihren Wohnsitz verlassen hat. Fast alle schreiben sie Briefe, viele täglich, und
ebenso empfangen sie Briefe. Fortwährend wechseln sie die Standorte; es
jagen sich Dislocirungen, Marschbewegungen, Abcommandirungen zu allen
möglichen Zwecken, zum Escorte-, Besatzungs-, Belagerungs-, Etappen- u. s. w
Dienste; der Riesenkörper einer solchen Armee, wie die deutsche in Frankreich,
flutet in unaufhörlicher Bewegung hin und her. Diesen Bewegungen muß
die Post mit gespannter Aufmerksamkeit folgen, sie muß mit eingehender Prä¬
cision danach ihre Anordnungen treffen, -- welche auf weit entlegenen Ge-


gegen 60 Postcourse unterhalten werden müssen. Die Transporte bewegen
sich zum Theil auf den alten vom modernen Verkehr verlassenen Kunst¬
straßen, zum Theil auf den von der vortrefflich organisirten Feld-Eisenbahnver¬
waltung wiederhergestellten oder neugebauten Eisenbahnen, oft auch auf
einsamen Waldpfaden oder durch gefahrvolle DeMen in den schneebedeckten
Vogesen. Nicht selten sind die Feldpostbegleiter Angriffen von feindlichen
Banden ausgesetzt; belauert von einer erbitterten Bevölkerung, auf unbe¬
kannten Wegen, allen Unbilden der Witterung preisgegeben, haben sie gleich
wohl ihre Aufgabe treulich erfüllt.

Nach den Etappen-Poststraßen zu laufen aus dem Inlande von der
weiten Peripherie gleich Radien die Post- und Eisenbahncourse. Die Be¬
wältigung der colossalen Correspondenzmassen wurde durch Einrichtung be¬
stimmter Central-Arbeitsplätze — Post-Sammelstellen — ermöglicht,
bei welcher die Briefe aus all den zahlreichen Canälen und Adern zusammen¬
strömen. Diese Sammelstellen sind zu großartigen Depots mit einem zum
Theil sehr bedeutenden Apparat an Personal und Betriebsmitteln ausge¬
bildet; es existiren deren jetzt fünf: in Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main,
Köln und Saarbrücken. In Frankfurt ist die Sammelstelle im Sommer¬
theater etablirt und an die Stelle von heiteren Rhythmen der Offenbach'schen
Muse sind dort die Klänge der Namen von Armeen, Corps und Divisionen
getreten. Auf eine einzige solcher Sammelstellen flutet täglich die Masse
von 60—80,000 Briefen ein — in die Berliner oft 200,000 Briefe; und
doch wird aus dem scheinbaren Gewirr bald Regel und Ordnung hergestellt.
Das Mittel dafür bietet sich in einem mehr als 60 Seiten umfassenden com-
pendiösen Handbuche — Feldpost-Uebersicht genannt —, welches die gesammte
Armeeeintheilung nach Corps, Divisionen u. s. >x und die genauen Angaben
darüber enthält, zu welcher Division u. s. w. ein jeder Truppentheil gehört.
Nach dieser Uebersicht, zu welcher täglich Berichtigungsnachweisungen erschei¬
nen, vollzieht sich in emsiger, rastloser Arbeit das Sortiren der Briefmassen,
und zur bestimmten Stunde gehen mit wohlgeordneten Inhalte zahlreiche
Briefsäcke auf die Eisenbahnrouten zur Armee ab. Man denke sich, daß mehr
als 1 Million Menschen - wie in den Zeiten der Völkerwanderung —
ihren Wohnsitz verlassen hat. Fast alle schreiben sie Briefe, viele täglich, und
ebenso empfangen sie Briefe. Fortwährend wechseln sie die Standorte; es
jagen sich Dislocirungen, Marschbewegungen, Abcommandirungen zu allen
möglichen Zwecken, zum Escorte-, Besatzungs-, Belagerungs-, Etappen- u. s. w
Dienste; der Riesenkörper einer solchen Armee, wie die deutsche in Frankreich,
flutet in unaufhörlicher Bewegung hin und her. Diesen Bewegungen muß
die Post mit gespannter Aufmerksamkeit folgen, sie muß mit eingehender Prä¬
cision danach ihre Anordnungen treffen, — welche auf weit entlegenen Ge-


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[0108] gegen 60 Postcourse unterhalten werden müssen. Die Transporte bewegen sich zum Theil auf den alten vom modernen Verkehr verlassenen Kunst¬ straßen, zum Theil auf den von der vortrefflich organisirten Feld-Eisenbahnver¬ waltung wiederhergestellten oder neugebauten Eisenbahnen, oft auch auf einsamen Waldpfaden oder durch gefahrvolle DeMen in den schneebedeckten Vogesen. Nicht selten sind die Feldpostbegleiter Angriffen von feindlichen Banden ausgesetzt; belauert von einer erbitterten Bevölkerung, auf unbe¬ kannten Wegen, allen Unbilden der Witterung preisgegeben, haben sie gleich wohl ihre Aufgabe treulich erfüllt. Nach den Etappen-Poststraßen zu laufen aus dem Inlande von der weiten Peripherie gleich Radien die Post- und Eisenbahncourse. Die Be¬ wältigung der colossalen Correspondenzmassen wurde durch Einrichtung be¬ stimmter Central-Arbeitsplätze — Post-Sammelstellen — ermöglicht, bei welcher die Briefe aus all den zahlreichen Canälen und Adern zusammen¬ strömen. Diese Sammelstellen sind zu großartigen Depots mit einem zum Theil sehr bedeutenden Apparat an Personal und Betriebsmitteln ausge¬ bildet; es existiren deren jetzt fünf: in Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main, Köln und Saarbrücken. In Frankfurt ist die Sammelstelle im Sommer¬ theater etablirt und an die Stelle von heiteren Rhythmen der Offenbach'schen Muse sind dort die Klänge der Namen von Armeen, Corps und Divisionen getreten. Auf eine einzige solcher Sammelstellen flutet täglich die Masse von 60—80,000 Briefen ein — in die Berliner oft 200,000 Briefe; und doch wird aus dem scheinbaren Gewirr bald Regel und Ordnung hergestellt. Das Mittel dafür bietet sich in einem mehr als 60 Seiten umfassenden com- pendiösen Handbuche — Feldpost-Uebersicht genannt —, welches die gesammte Armeeeintheilung nach Corps, Divisionen u. s. >x und die genauen Angaben darüber enthält, zu welcher Division u. s. w. ein jeder Truppentheil gehört. Nach dieser Uebersicht, zu welcher täglich Berichtigungsnachweisungen erschei¬ nen, vollzieht sich in emsiger, rastloser Arbeit das Sortiren der Briefmassen, und zur bestimmten Stunde gehen mit wohlgeordneten Inhalte zahlreiche Briefsäcke auf die Eisenbahnrouten zur Armee ab. Man denke sich, daß mehr als 1 Million Menschen - wie in den Zeiten der Völkerwanderung — ihren Wohnsitz verlassen hat. Fast alle schreiben sie Briefe, viele täglich, und ebenso empfangen sie Briefe. Fortwährend wechseln sie die Standorte; es jagen sich Dislocirungen, Marschbewegungen, Abcommandirungen zu allen möglichen Zwecken, zum Escorte-, Besatzungs-, Belagerungs-, Etappen- u. s. w Dienste; der Riesenkörper einer solchen Armee, wie die deutsche in Frankreich, flutet in unaufhörlicher Bewegung hin und her. Diesen Bewegungen muß die Post mit gespannter Aufmerksamkeit folgen, sie muß mit eingehender Prä¬ cision danach ihre Anordnungen treffen, — welche auf weit entlegenen Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 30, 1871, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341813_125243/108>, abgerufen am 23.07.2024.