Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.durch derartige Aufregung des Volkskriegs der gesammten Cultur der civili- Das Menschengeschlecht hat drei Jahrtausende gebraucht, um aus jener Der civilisirte Krieg ist Kampf der Staaten durch den militärisch orga- Wollen die Celten von Paris uns zwingen, im 19ten Jahrhundert einen Wir haben mit schwerem Herzen und sehr gegen unsern Wunsch diesen durch derartige Aufregung des Volkskriegs der gesammten Cultur der civili- Das Menschengeschlecht hat drei Jahrtausende gebraucht, um aus jener Der civilisirte Krieg ist Kampf der Staaten durch den militärisch orga- Wollen die Celten von Paris uns zwingen, im 19ten Jahrhundert einen Wir haben mit schwerem Herzen und sehr gegen unsern Wunsch diesen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124792"/> <p xml:id="ID_267" prev="#ID_266"> durch derartige Aufregung des Volkskriegs der gesammten Cultur der civili-<lb/> sirten Menschheit bereitet wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_268"> Das Menschengeschlecht hat drei Jahrtausende gebraucht, um aus jener<lb/> wilden Kriegsführung, welche Jehova befahl: gänzliche Vertilgung von Mann,<lb/> Weib und Kind der Feinde, bis zu der Humanität des modernen Krieges<lb/> durchzudringen, welche das Privatetgenthum der Feinde — mit unvermeid¬<lb/> lichen Ausnahmen — achtet, welche in dem Verwundeten nicht den Feind,<lb/> sondern den leidenden Mitmenschen sieht, und welche sorglich bemüht ist,<lb/> die Zerstörungsmittel des Krieges so zu bilden, daß die Verwundungen mög¬<lb/> lichst große Aussicht für Erhaltung des Lebens lassen. Leider haben die<lb/> Franzosen von diesen werthvollen Resultaten moderner Humanität wenig<lb/> Kenntniß und noch weniger Empfindung dafür. Sie haben sich geweigert,<lb/> das Princip, Schonung des Privateigenthums, anzuerkennen, sie haben that¬<lb/> sächlich von der Genfer Convention und von den edlen Pflichten, welche sie<lb/> auflegt, sehr geringe Kunde; auch in der großen Mehrzahl ihrer Aerzte keine<lb/> geeigneten Pfleger verwundeter Feinde; und ihre Sprecher sind endlichscrupellos<lb/> geneigt, jedes Mittel zur Austilgung ihrer Gegner mit Freude zu begrüßen.<lb/> Wir aber haben zu wahren, daß der niedrige Grad von Bildung und Sitte,<lb/> der auch hierin bei ihnen zu Tage kommt, keinen schädlichen Einfluß auf die<lb/> civilisirten Vorstellungen von Recht und Ehre des Krieges erhalte.</p><lb/> <p xml:id="ID_269"> Der civilisirte Krieg ist Kampf der Staaten durch den militärisch orga-<lb/> nisirten Theil ihrer Volskraft, der Kampf selbst ist Zerstörung der Kampf¬<lb/> fähigkeit des Feindes in sehr bestimmten militärischen Formen, welche die<lb/> Schonung der feindlichen Leben und Güter, so weit irgend möglich, erstreben. Ein<lb/> Staat, welcher die allgemein angenommenen militärischen Formen aufgiebt<lb/> und den civilen Theil seiner Bevölkerung zu thätigen Theilnehmern des<lb/> Kampfes macht, wirft seine gesammte Bevölkerung dadurch in die Gräuel<lb/> und die Vernichtung der rohen Urzeit zurück, er giebt dieselben der Strafe,<lb/> der Rache, der nothwendigen Zerstörung durch den Sieger Preis. Der deutsche<lb/> Soldat ist verpflichtet, Leben und Eigenthum seines feindlichen Quartiergebers<lb/> so zu achten, wie das seiner Landsleute, nur Obdach, Lager und zuweilen<lb/> Kost hat er zu fordern. Von dem Tage, wo er weiß, daß sein Quarriergeber<lb/> durch die feindliche Regierung verpflichtet wird, den Einquartirten feindlichen<lb/> Truppen zu überliefern, ja selbst zu tödten vom Hinterhalt aus, durch das Essen,<lb/> oder wenn der Einquartirte schläft, so muß der Soldat den Bürger und^Bauer<lb/> austilgen, aus der Wohnung in die Ferne jagen, ihm alle Mittel zu der Unthat<lb/> zerstören, Haus und Hof, Geräth und Vieh; er muß die Städte und Dörfer<lb/> niedersengen, das Land, welches er besetzt, in eine Wüste verwandeln. Selbst¬<lb/> verständlich wird dadurch auch für ihn die Aussicht geringer, bei den fremden<lb/> Brandstätten auszudauern. Aber als Sieger hat er doch unvergleichlich<lb/> größere Mittel sich zu ernähren, aus seiner Heimath und anderswoher Zu¬<lb/> fuhren zu beziehen, als der Letzte auf dem verödeten Gebiet auszudauern, end¬<lb/> lich dasselbe durch Colonisten seines Stammes neu zu bebauen.</p><lb/> <p xml:id="ID_270"> Wollen die Celten von Paris uns zwingen, im 19ten Jahrhundert einen<lb/> solchen Kampf gegen sie zu führen, indem sie ihn ruchlos, abenteuerlich,<lb/> als verrückte Phantasten gegen uns aufregen, so werden sie die Folgen zu<lb/> tragen haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_271" next="#ID_272"> Wir haben mit schwerem Herzen und sehr gegen unsern Wunsch diesen<lb/> unnöthiger Krieg, den die Franzosen uns erklärten, aufgenommen. Wir<lb/> haben bisher die civile Bevölkerung mit einer humanen Schonung und Nach¬<lb/> sicht behandelt, die sie wahrlich nicht um unsere Truppen verdient hat.<lb/> Wir werden aber zuletzt genöthigt werden, sie zu behandeln, nicht wie ihre</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
durch derartige Aufregung des Volkskriegs der gesammten Cultur der civili-
sirten Menschheit bereitet wird.
Das Menschengeschlecht hat drei Jahrtausende gebraucht, um aus jener
wilden Kriegsführung, welche Jehova befahl: gänzliche Vertilgung von Mann,
Weib und Kind der Feinde, bis zu der Humanität des modernen Krieges
durchzudringen, welche das Privatetgenthum der Feinde — mit unvermeid¬
lichen Ausnahmen — achtet, welche in dem Verwundeten nicht den Feind,
sondern den leidenden Mitmenschen sieht, und welche sorglich bemüht ist,
die Zerstörungsmittel des Krieges so zu bilden, daß die Verwundungen mög¬
lichst große Aussicht für Erhaltung des Lebens lassen. Leider haben die
Franzosen von diesen werthvollen Resultaten moderner Humanität wenig
Kenntniß und noch weniger Empfindung dafür. Sie haben sich geweigert,
das Princip, Schonung des Privateigenthums, anzuerkennen, sie haben that¬
sächlich von der Genfer Convention und von den edlen Pflichten, welche sie
auflegt, sehr geringe Kunde; auch in der großen Mehrzahl ihrer Aerzte keine
geeigneten Pfleger verwundeter Feinde; und ihre Sprecher sind endlichscrupellos
geneigt, jedes Mittel zur Austilgung ihrer Gegner mit Freude zu begrüßen.
Wir aber haben zu wahren, daß der niedrige Grad von Bildung und Sitte,
der auch hierin bei ihnen zu Tage kommt, keinen schädlichen Einfluß auf die
civilisirten Vorstellungen von Recht und Ehre des Krieges erhalte.
Der civilisirte Krieg ist Kampf der Staaten durch den militärisch orga-
nisirten Theil ihrer Volskraft, der Kampf selbst ist Zerstörung der Kampf¬
fähigkeit des Feindes in sehr bestimmten militärischen Formen, welche die
Schonung der feindlichen Leben und Güter, so weit irgend möglich, erstreben. Ein
Staat, welcher die allgemein angenommenen militärischen Formen aufgiebt
und den civilen Theil seiner Bevölkerung zu thätigen Theilnehmern des
Kampfes macht, wirft seine gesammte Bevölkerung dadurch in die Gräuel
und die Vernichtung der rohen Urzeit zurück, er giebt dieselben der Strafe,
der Rache, der nothwendigen Zerstörung durch den Sieger Preis. Der deutsche
Soldat ist verpflichtet, Leben und Eigenthum seines feindlichen Quartiergebers
so zu achten, wie das seiner Landsleute, nur Obdach, Lager und zuweilen
Kost hat er zu fordern. Von dem Tage, wo er weiß, daß sein Quarriergeber
durch die feindliche Regierung verpflichtet wird, den Einquartirten feindlichen
Truppen zu überliefern, ja selbst zu tödten vom Hinterhalt aus, durch das Essen,
oder wenn der Einquartirte schläft, so muß der Soldat den Bürger und^Bauer
austilgen, aus der Wohnung in die Ferne jagen, ihm alle Mittel zu der Unthat
zerstören, Haus und Hof, Geräth und Vieh; er muß die Städte und Dörfer
niedersengen, das Land, welches er besetzt, in eine Wüste verwandeln. Selbst¬
verständlich wird dadurch auch für ihn die Aussicht geringer, bei den fremden
Brandstätten auszudauern. Aber als Sieger hat er doch unvergleichlich
größere Mittel sich zu ernähren, aus seiner Heimath und anderswoher Zu¬
fuhren zu beziehen, als der Letzte auf dem verödeten Gebiet auszudauern, end¬
lich dasselbe durch Colonisten seines Stammes neu zu bebauen.
Wollen die Celten von Paris uns zwingen, im 19ten Jahrhundert einen
solchen Kampf gegen sie zu führen, indem sie ihn ruchlos, abenteuerlich,
als verrückte Phantasten gegen uns aufregen, so werden sie die Folgen zu
tragen haben.
Wir haben mit schwerem Herzen und sehr gegen unsern Wunsch diesen
unnöthiger Krieg, den die Franzosen uns erklärten, aufgenommen. Wir
haben bisher die civile Bevölkerung mit einer humanen Schonung und Nach¬
sicht behandelt, die sie wahrlich nicht um unsere Truppen verdient hat.
Wir werden aber zuletzt genöthigt werden, sie zu behandeln, nicht wie ihre
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