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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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werden wir uns doch! Denk bey Klingers Porträt oft an mich! Unsere
Seelen sind verwebt, wie unsre Gesichtszüge und gehören Dir an. Grüß
Nelly einmal, wenn sichs schikt! Sag, daß ich sie um Deinetwillen schätze
und von ihr geschätzt zu sein wünsche! Ich bin jetzt nicht gantz froh. Ueber¬
morgen muß ich einen Brief schreiben, von tems abhängt, ob das Mädchen*)
das ich am meisten aus der Welt schätzen muß, mein seyn soll? Ihre Seele
hoff ich, ist mein; aber was thun nicht Umstände auf der Welt. Behält das
vor Dich! Ich schrieb Dir eilig und kürzer, als ich wünschte. Uebermorgen
examinirt man mich, ob ich hier Kandidat**) werden soll? Ich muß zur
Vorbereitung allerley Scholastisches Zeugs durchlesen. Wenn ich frey bin,
schreib ich ausführlicher. Von Stolberg weiß ich gar nichts. Wagner***)
-- der seiner Umstände wegen aus Frankfurt weg, wohin? weiß ich nicht,
ging, schreibt mir, vor einiger Zeit seyen sie in Marschlins bei Salis ge¬
wesen. Ich und Goethe haben uns kaum halb kennen lernen. Kürze der
Zeit und Umstände brachten uns nicht gantz zusammen. Ich glaub Dir, daß
er so groß ist und schätz ihn desto mehr. Klinger schrieb mir und klagte, daß
ich ihm nicht schreibe. Damals war aber schon ein Brief an ihn unterwegs.
Jetzt ist er bet Goethe. Er hat mir wieder eine außerordentliche Scene aus
seinem Pyrrhus geschikt. Das wird ein Werk! Auch schreibt er, daß er ein
gantz regelmäßiges Stück fürs Theater geschrieben hat: Die Zwillinge. Ver¬
muthlich schikt ers an Ackermanns nach Hamburg. Leißewitz, ein Freund
von uns, hat auch ein sehr braves Stück-j-) hin geliefert. Es freut mich, daß ich
Lenzens Liebe habe. Meine hat er längst. Seine Reisen sind für die Men¬
schen wichtig. Ich erwarte mit Verlangen auf Deine Liedersammlung. Ich
selbst spiele nicht, aber ich liebe die Musik außerordentlich und fühle sie.

Sey wegen Deiner Verse, die Vosz hat unbesorgt. Er schrieb mir, daß
sie ihm nicht gantz gefielen. Sie sind ihm vermuthlich zu unkorrekt und hin
geworfen. Sonst schätzt er Dich sehr und grüßt Dich herzlich. Die Liebe
hat er druken lassen. In der Chronik ist schon, ich weiß nicht durch wessen
Vermittelung? das Mädchen und die Liebe und das Nachtopfer im vorigen
Jahrgang gedruckt. Du sollst von Vosz das verlangte wieder kriegen. Ich
hales ihm nicht geschickt, Wenns Klinger nicht erlaubt hätte. Der Almanach
soll bis auf 2 Bogen fertig und sehr gut seyn. Vosz hat bey 1600 Sub-
scibenten. Claudius schrieb mir, das ist gar ein lieber Mann. Er schreibt
den Boten nicht mehrt-l.-). Ich sollte von ihm ein Exemplar seines Asmus :e.







') Vergl. Zeitgenossen IV. 83, entweder also Maden. Stock (Pütters Nichte) oder Maden.
v. Einem aus Minden.
") Zeitgenossen IV. 83 werden hierdurch ergänzt.
Heinrich Leopold W. geb. 1747.
i) Jedenfalls das aber 1776 in Leipzig erschienene Stück: Julius von Tarent.
1"t) In Folge seines Weggang" nach Darmstadt.

werden wir uns doch! Denk bey Klingers Porträt oft an mich! Unsere
Seelen sind verwebt, wie unsre Gesichtszüge und gehören Dir an. Grüß
Nelly einmal, wenn sichs schikt! Sag, daß ich sie um Deinetwillen schätze
und von ihr geschätzt zu sein wünsche! Ich bin jetzt nicht gantz froh. Ueber¬
morgen muß ich einen Brief schreiben, von tems abhängt, ob das Mädchen*)
das ich am meisten aus der Welt schätzen muß, mein seyn soll? Ihre Seele
hoff ich, ist mein; aber was thun nicht Umstände auf der Welt. Behält das
vor Dich! Ich schrieb Dir eilig und kürzer, als ich wünschte. Uebermorgen
examinirt man mich, ob ich hier Kandidat**) werden soll? Ich muß zur
Vorbereitung allerley Scholastisches Zeugs durchlesen. Wenn ich frey bin,
schreib ich ausführlicher. Von Stolberg weiß ich gar nichts. Wagner***)
— der seiner Umstände wegen aus Frankfurt weg, wohin? weiß ich nicht,
ging, schreibt mir, vor einiger Zeit seyen sie in Marschlins bei Salis ge¬
wesen. Ich und Goethe haben uns kaum halb kennen lernen. Kürze der
Zeit und Umstände brachten uns nicht gantz zusammen. Ich glaub Dir, daß
er so groß ist und schätz ihn desto mehr. Klinger schrieb mir und klagte, daß
ich ihm nicht schreibe. Damals war aber schon ein Brief an ihn unterwegs.
Jetzt ist er bet Goethe. Er hat mir wieder eine außerordentliche Scene aus
seinem Pyrrhus geschikt. Das wird ein Werk! Auch schreibt er, daß er ein
gantz regelmäßiges Stück fürs Theater geschrieben hat: Die Zwillinge. Ver¬
muthlich schikt ers an Ackermanns nach Hamburg. Leißewitz, ein Freund
von uns, hat auch ein sehr braves Stück-j-) hin geliefert. Es freut mich, daß ich
Lenzens Liebe habe. Meine hat er längst. Seine Reisen sind für die Men¬
schen wichtig. Ich erwarte mit Verlangen auf Deine Liedersammlung. Ich
selbst spiele nicht, aber ich liebe die Musik außerordentlich und fühle sie.

Sey wegen Deiner Verse, die Vosz hat unbesorgt. Er schrieb mir, daß
sie ihm nicht gantz gefielen. Sie sind ihm vermuthlich zu unkorrekt und hin
geworfen. Sonst schätzt er Dich sehr und grüßt Dich herzlich. Die Liebe
hat er druken lassen. In der Chronik ist schon, ich weiß nicht durch wessen
Vermittelung? das Mädchen und die Liebe und das Nachtopfer im vorigen
Jahrgang gedruckt. Du sollst von Vosz das verlangte wieder kriegen. Ich
hales ihm nicht geschickt, Wenns Klinger nicht erlaubt hätte. Der Almanach
soll bis auf 2 Bogen fertig und sehr gut seyn. Vosz hat bey 1600 Sub-
scibenten. Claudius schrieb mir, das ist gar ein lieber Mann. Er schreibt
den Boten nicht mehrt-l.-). Ich sollte von ihm ein Exemplar seines Asmus :e.







') Vergl. Zeitgenossen IV. 83, entweder also Maden. Stock (Pütters Nichte) oder Maden.
v. Einem aus Minden.
") Zeitgenossen IV. 83 werden hierdurch ergänzt.
Heinrich Leopold W. geb. 1747.
i) Jedenfalls das aber 1776 in Leipzig erschienene Stück: Julius von Tarent.
1"t) In Folge seines Weggang« nach Darmstadt.
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[0439] werden wir uns doch! Denk bey Klingers Porträt oft an mich! Unsere Seelen sind verwebt, wie unsre Gesichtszüge und gehören Dir an. Grüß Nelly einmal, wenn sichs schikt! Sag, daß ich sie um Deinetwillen schätze und von ihr geschätzt zu sein wünsche! Ich bin jetzt nicht gantz froh. Ueber¬ morgen muß ich einen Brief schreiben, von tems abhängt, ob das Mädchen*) das ich am meisten aus der Welt schätzen muß, mein seyn soll? Ihre Seele hoff ich, ist mein; aber was thun nicht Umstände auf der Welt. Behält das vor Dich! Ich schrieb Dir eilig und kürzer, als ich wünschte. Uebermorgen examinirt man mich, ob ich hier Kandidat**) werden soll? Ich muß zur Vorbereitung allerley Scholastisches Zeugs durchlesen. Wenn ich frey bin, schreib ich ausführlicher. Von Stolberg weiß ich gar nichts. Wagner***) — der seiner Umstände wegen aus Frankfurt weg, wohin? weiß ich nicht, ging, schreibt mir, vor einiger Zeit seyen sie in Marschlins bei Salis ge¬ wesen. Ich und Goethe haben uns kaum halb kennen lernen. Kürze der Zeit und Umstände brachten uns nicht gantz zusammen. Ich glaub Dir, daß er so groß ist und schätz ihn desto mehr. Klinger schrieb mir und klagte, daß ich ihm nicht schreibe. Damals war aber schon ein Brief an ihn unterwegs. Jetzt ist er bet Goethe. Er hat mir wieder eine außerordentliche Scene aus seinem Pyrrhus geschikt. Das wird ein Werk! Auch schreibt er, daß er ein gantz regelmäßiges Stück fürs Theater geschrieben hat: Die Zwillinge. Ver¬ muthlich schikt ers an Ackermanns nach Hamburg. Leißewitz, ein Freund von uns, hat auch ein sehr braves Stück-j-) hin geliefert. Es freut mich, daß ich Lenzens Liebe habe. Meine hat er längst. Seine Reisen sind für die Men¬ schen wichtig. Ich erwarte mit Verlangen auf Deine Liedersammlung. Ich selbst spiele nicht, aber ich liebe die Musik außerordentlich und fühle sie. Sey wegen Deiner Verse, die Vosz hat unbesorgt. Er schrieb mir, daß sie ihm nicht gantz gefielen. Sie sind ihm vermuthlich zu unkorrekt und hin geworfen. Sonst schätzt er Dich sehr und grüßt Dich herzlich. Die Liebe hat er druken lassen. In der Chronik ist schon, ich weiß nicht durch wessen Vermittelung? das Mädchen und die Liebe und das Nachtopfer im vorigen Jahrgang gedruckt. Du sollst von Vosz das verlangte wieder kriegen. Ich hales ihm nicht geschickt, Wenns Klinger nicht erlaubt hätte. Der Almanach soll bis auf 2 Bogen fertig und sehr gut seyn. Vosz hat bey 1600 Sub- scibenten. Claudius schrieb mir, das ist gar ein lieber Mann. Er schreibt den Boten nicht mehrt-l.-). Ich sollte von ihm ein Exemplar seines Asmus :e. ') Vergl. Zeitgenossen IV. 83, entweder also Maden. Stock (Pütters Nichte) oder Maden. v. Einem aus Minden. ") Zeitgenossen IV. 83 werden hierdurch ergänzt. Heinrich Leopold W. geb. 1747. i) Jedenfalls das aber 1776 in Leipzig erschienene Stück: Julius von Tarent. 1"t) In Folge seines Weggang« nach Darmstadt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/439>, abgerufen am 22.12.2024.