Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

schwärmerische gleich sonst sehr liebe. Ich red als Freund und entschuldige
also meinen Tadel nicht. Unendlich mehr haben mir deine zwey neuen Lie¬
der gefallen, sie fassen mein gantzes herz an und schmeltzen dann wie
Thautropfen drein. In der Gefangennehmung ist erstaunlich viel Sim¬
plicität und Unschuld oder wie ichs nennen soll. Kurz es ist herrlich. Das
zweyte ist groß und hat eine erhöhte Empfindung, die auch die Empfin¬
dung des Lesers mit erhöht. Die letzte Strophe hat mich am meisten an sich
gezogen, sie ist so wahr und mein Herz hat ihre Warheit schon ein paarmal
erfahren.


Wo ist der heilige Gewinn
Auf dieser Liebesbahn
Wo ist des Kämpfers Freudenziel
Des Siegers Ehrenkron
Auf, Herz, noch sind der Proben viel
Trag schönen Tod davon!*)

Das ist überherrlich Kayser und ich drück dich dafür an mein treues
Brüderliches Herz, das auch nach schönem Tod ringt, wenn des Siegers
Ehrenkron mir hier nicht winken will. Sey versichert, daß alle Lieder, welche
Du mir Schilfe, mir ins Herz geschrieben und vor unheiligen Augen verwahrt
seyn sollen. Zwey Freunde hab ich hier, die dich auch ehren und von deren
Treu ich überzeugt bin, denen hab ich die Lieder vorgelesen. Wenn Dirs
mißfällt, so laß ichs künstig. Schubart ist keiner von den beiden. Stolbergs
Freyheitsgesang**) sollst Du bald wieder bekommen, wenn er mir ihn auch
nicht gleich schikt. Ich weiß ihn bald vollends auswendig. So aufbrausend
wie Du, war ich auch noch vor kurzer Zeit; nun hab ich meiner Seele mehr
Festigkeit und Stetigkeit gegeben. Man muß sie in dieser Welt haben, wo
alles so bunt durch einander geht. Schleuß die Flaum die in dir lodert ein;
laß sie gereinigt werden, daß sie dann zu seiner Zeit aufbraus in einem
Werk die Welt und Nachwelt erhitzt und heiß erhält. Du hast recht, Ewig¬
keit ist an sich nichts, aber so, wie ich wünsch, jetzt im Herzen meiner Freunde
zu leben, so wünsch ich auch nach meinem Tode noch durch Würkungen in
den Herzen meiner Enkel sortzudauren und ihnen lieb zu seyn, weil ichs treu
mit ihnen meynte. Deßwegen muß man druken lassen, wenn uns etwas
Großes aus der Seele gefallen ist, Kleinigkeiten streut man aus, wie Blu¬
mensaamen, die einen Sommer über blühen und doch auch manches Herz er¬
freuen. Ich nehm Dich an, wie Du bist und wünsch Dich auch jetzt nicht
anders. Der gut ist, ist immer .gut und auf verschiedene Art. Theil mir
ganz Dein Herz mit, so wie ich. Wir werden beyde gut fahren. Wenn
wir uns sehen, weis ich nicht, magh auch noch nicht wissen. Aber sehen




") Vergl. Lieder mit Melodien. Winterthur 177ö.
"
) In der Ausgabe von Bote gedruckt.

schwärmerische gleich sonst sehr liebe. Ich red als Freund und entschuldige
also meinen Tadel nicht. Unendlich mehr haben mir deine zwey neuen Lie¬
der gefallen, sie fassen mein gantzes herz an und schmeltzen dann wie
Thautropfen drein. In der Gefangennehmung ist erstaunlich viel Sim¬
plicität und Unschuld oder wie ichs nennen soll. Kurz es ist herrlich. Das
zweyte ist groß und hat eine erhöhte Empfindung, die auch die Empfin¬
dung des Lesers mit erhöht. Die letzte Strophe hat mich am meisten an sich
gezogen, sie ist so wahr und mein Herz hat ihre Warheit schon ein paarmal
erfahren.


Wo ist der heilige Gewinn
Auf dieser Liebesbahn
Wo ist des Kämpfers Freudenziel
Des Siegers Ehrenkron
Auf, Herz, noch sind der Proben viel
Trag schönen Tod davon!*)

Das ist überherrlich Kayser und ich drück dich dafür an mein treues
Brüderliches Herz, das auch nach schönem Tod ringt, wenn des Siegers
Ehrenkron mir hier nicht winken will. Sey versichert, daß alle Lieder, welche
Du mir Schilfe, mir ins Herz geschrieben und vor unheiligen Augen verwahrt
seyn sollen. Zwey Freunde hab ich hier, die dich auch ehren und von deren
Treu ich überzeugt bin, denen hab ich die Lieder vorgelesen. Wenn Dirs
mißfällt, so laß ichs künstig. Schubart ist keiner von den beiden. Stolbergs
Freyheitsgesang**) sollst Du bald wieder bekommen, wenn er mir ihn auch
nicht gleich schikt. Ich weiß ihn bald vollends auswendig. So aufbrausend
wie Du, war ich auch noch vor kurzer Zeit; nun hab ich meiner Seele mehr
Festigkeit und Stetigkeit gegeben. Man muß sie in dieser Welt haben, wo
alles so bunt durch einander geht. Schleuß die Flaum die in dir lodert ein;
laß sie gereinigt werden, daß sie dann zu seiner Zeit aufbraus in einem
Werk die Welt und Nachwelt erhitzt und heiß erhält. Du hast recht, Ewig¬
keit ist an sich nichts, aber so, wie ich wünsch, jetzt im Herzen meiner Freunde
zu leben, so wünsch ich auch nach meinem Tode noch durch Würkungen in
den Herzen meiner Enkel sortzudauren und ihnen lieb zu seyn, weil ichs treu
mit ihnen meynte. Deßwegen muß man druken lassen, wenn uns etwas
Großes aus der Seele gefallen ist, Kleinigkeiten streut man aus, wie Blu¬
mensaamen, die einen Sommer über blühen und doch auch manches Herz er¬
freuen. Ich nehm Dich an, wie Du bist und wünsch Dich auch jetzt nicht
anders. Der gut ist, ist immer .gut und auf verschiedene Art. Theil mir
ganz Dein Herz mit, so wie ich. Wir werden beyde gut fahren. Wenn
wir uns sehen, weis ich nicht, magh auch noch nicht wissen. Aber sehen




") Vergl. Lieder mit Melodien. Winterthur 177ö.
"
) In der Ausgabe von Bote gedruckt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0438" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/125144"/>
            <p xml:id="ID_1315" prev="#ID_1314"> schwärmerische gleich sonst sehr liebe. Ich red als Freund und entschuldige<lb/>
also meinen Tadel nicht. Unendlich mehr haben mir deine zwey neuen Lie¬<lb/>
der gefallen, sie fassen mein gantzes herz an und schmeltzen dann wie<lb/>
Thautropfen drein. In der Gefangennehmung ist erstaunlich viel Sim¬<lb/>
plicität und Unschuld oder wie ichs nennen soll. Kurz es ist herrlich. Das<lb/>
zweyte ist groß und hat eine erhöhte Empfindung, die auch die Empfin¬<lb/>
dung des Lesers mit erhöht. Die letzte Strophe hat mich am meisten an sich<lb/>
gezogen, sie ist so wahr und mein Herz hat ihre Warheit schon ein paarmal<lb/>
erfahren.</p><lb/>
            <quote>
              <lg xml:id="POEMID_9" type="poem">
                <l> Wo ist der heilige Gewinn<lb/>
Auf dieser Liebesbahn<lb/>
Wo ist des Kämpfers Freudenziel<lb/>
Des Siegers Ehrenkron<lb/>
Auf, Herz, noch sind der Proben viel<lb/>
Trag schönen Tod davon!*)</l>
              </lg>
            </quote><lb/>
            <p xml:id="ID_1316" next="#ID_1317"> Das ist überherrlich Kayser und ich drück dich dafür an mein treues<lb/>
Brüderliches Herz, das auch nach schönem Tod ringt, wenn des Siegers<lb/>
Ehrenkron mir hier nicht winken will. Sey versichert, daß alle Lieder, welche<lb/>
Du mir Schilfe, mir ins Herz geschrieben und vor unheiligen Augen verwahrt<lb/>
seyn sollen. Zwey Freunde hab ich hier, die dich auch ehren und von deren<lb/>
Treu ich überzeugt bin, denen hab ich die Lieder vorgelesen. Wenn Dirs<lb/>
mißfällt, so laß ichs künstig. Schubart ist keiner von den beiden. Stolbergs<lb/>
Freyheitsgesang**) sollst Du bald wieder bekommen, wenn er mir ihn auch<lb/>
nicht gleich schikt. Ich weiß ihn bald vollends auswendig. So aufbrausend<lb/>
wie Du, war ich auch noch vor kurzer Zeit; nun hab ich meiner Seele mehr<lb/>
Festigkeit und Stetigkeit gegeben. Man muß sie in dieser Welt haben, wo<lb/>
alles so bunt durch einander geht. Schleuß die Flaum die in dir lodert ein;<lb/>
laß sie gereinigt werden, daß sie dann zu seiner Zeit aufbraus in einem<lb/>
Werk die Welt und Nachwelt erhitzt und heiß erhält. Du hast recht, Ewig¬<lb/>
keit ist an sich nichts, aber so, wie ich wünsch, jetzt im Herzen meiner Freunde<lb/>
zu leben, so wünsch ich auch nach meinem Tode noch durch Würkungen in<lb/>
den Herzen meiner Enkel sortzudauren und ihnen lieb zu seyn, weil ichs treu<lb/>
mit ihnen meynte. Deßwegen muß man druken lassen, wenn uns etwas<lb/>
Großes aus der Seele gefallen ist, Kleinigkeiten streut man aus, wie Blu¬<lb/>
mensaamen, die einen Sommer über blühen und doch auch manches Herz er¬<lb/>
freuen. Ich nehm Dich an, wie Du bist und wünsch Dich auch jetzt nicht<lb/>
anders. Der gut ist, ist immer .gut und auf verschiedene Art. Theil mir<lb/>
ganz Dein Herz mit, so wie ich. Wir werden beyde gut fahren. Wenn<lb/>
wir uns sehen, weis ich nicht, magh auch noch nicht wissen.  Aber sehen</p><lb/>
            <note xml:id="FID_45" place="foot"> ") Vergl. Lieder mit Melodien. Winterthur 177ö.<lb/>
"</note><lb/>
            <note xml:id="FID_46" place="foot"> ) In der Ausgabe von Bote gedruckt.</note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0438] schwärmerische gleich sonst sehr liebe. Ich red als Freund und entschuldige also meinen Tadel nicht. Unendlich mehr haben mir deine zwey neuen Lie¬ der gefallen, sie fassen mein gantzes herz an und schmeltzen dann wie Thautropfen drein. In der Gefangennehmung ist erstaunlich viel Sim¬ plicität und Unschuld oder wie ichs nennen soll. Kurz es ist herrlich. Das zweyte ist groß und hat eine erhöhte Empfindung, die auch die Empfin¬ dung des Lesers mit erhöht. Die letzte Strophe hat mich am meisten an sich gezogen, sie ist so wahr und mein Herz hat ihre Warheit schon ein paarmal erfahren. Wo ist der heilige Gewinn Auf dieser Liebesbahn Wo ist des Kämpfers Freudenziel Des Siegers Ehrenkron Auf, Herz, noch sind der Proben viel Trag schönen Tod davon!*) Das ist überherrlich Kayser und ich drück dich dafür an mein treues Brüderliches Herz, das auch nach schönem Tod ringt, wenn des Siegers Ehrenkron mir hier nicht winken will. Sey versichert, daß alle Lieder, welche Du mir Schilfe, mir ins Herz geschrieben und vor unheiligen Augen verwahrt seyn sollen. Zwey Freunde hab ich hier, die dich auch ehren und von deren Treu ich überzeugt bin, denen hab ich die Lieder vorgelesen. Wenn Dirs mißfällt, so laß ichs künstig. Schubart ist keiner von den beiden. Stolbergs Freyheitsgesang**) sollst Du bald wieder bekommen, wenn er mir ihn auch nicht gleich schikt. Ich weiß ihn bald vollends auswendig. So aufbrausend wie Du, war ich auch noch vor kurzer Zeit; nun hab ich meiner Seele mehr Festigkeit und Stetigkeit gegeben. Man muß sie in dieser Welt haben, wo alles so bunt durch einander geht. Schleuß die Flaum die in dir lodert ein; laß sie gereinigt werden, daß sie dann zu seiner Zeit aufbraus in einem Werk die Welt und Nachwelt erhitzt und heiß erhält. Du hast recht, Ewig¬ keit ist an sich nichts, aber so, wie ich wünsch, jetzt im Herzen meiner Freunde zu leben, so wünsch ich auch nach meinem Tode noch durch Würkungen in den Herzen meiner Enkel sortzudauren und ihnen lieb zu seyn, weil ichs treu mit ihnen meynte. Deßwegen muß man druken lassen, wenn uns etwas Großes aus der Seele gefallen ist, Kleinigkeiten streut man aus, wie Blu¬ mensaamen, die einen Sommer über blühen und doch auch manches Herz er¬ freuen. Ich nehm Dich an, wie Du bist und wünsch Dich auch jetzt nicht anders. Der gut ist, ist immer .gut und auf verschiedene Art. Theil mir ganz Dein Herz mit, so wie ich. Wir werden beyde gut fahren. Wenn wir uns sehen, weis ich nicht, magh auch noch nicht wissen. Aber sehen ") Vergl. Lieder mit Melodien. Winterthur 177ö. " ) In der Ausgabe von Bote gedruckt.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/438
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/438>, abgerufen am 22.12.2024.