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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band.

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möglich. Welchen bedeutenden Fortschritt unsere Kenntniß des diplomati¬
schen Einflusses in den einzelnen Phasen des Krieges, mit Hilfe des vorlie¬
genden Werkes macht, wird auch der oberflächliche Leser leicht wahrnehmen.
Mit Spannung erwarten wir das Erscheinen der letzten Abtheilung, in wel¬
cher der Verfasser seine Meisterschaft um so eher zeigen kann, als da die mi¬
litärischen Dinge zurücktreten und der Darstellung der diplomatischen Ver¬
handlungen freierer Spielraum gegeben werden kann.

Der Stil des Verfassers ist einfach und frei von allen oratorischen Zu¬
thaten, nicht eigentlich zum Nachtheil des Buches: hin und wiederfinden sich
stilistische Unebenheiten, welche zum Theil aus allzu ängstlichem Festhalten
des Originaltextes entspringen, z. B.: "Ich fürchte . . . für die, wo wer
kommt niemand sich gegenüberfindet" (frz.: crains xvnr ceux on celui yui
visuära ne trouvers, xersoimö vis-a-vis as lui.) Das ist gar kein Deutsch.
Auch das Wort "Saumfal" (II. x. 183) und Constructionen, wie (II., 333)
"an des bei Bergen gebliebenen Prinzen von Jsenburg statt" dürfte der ge¬
lehrte Versasser schwerlich einbürgern.


--Ka.--


Ueber die Darstellung des Mhmungsprocesses in der griechischen
Sculptur.

Die Frage, wie sich die antike Kunst zu der lebendigen Thätigkeit des
menschlichen Körpers verhält, die vermöge des Athmungsprocesses beträchtlich
verschiedene Erscheinungsweisen darbietet, ist meines Wissens, obwohl sie für
die Beurtheilung griechischen Künstlergeistes von bedeutender Tragweite und
elbst für die Praxis der modernen Sculptur beachtenswert!) ist, bisher von
Niemandem berücksichtigt worden.

Einathmen und Ausathmen wechseln ununterbrochen in dem animali¬
schen Organismus ab, solange derselbe lebendigen Bestand hat. Beide Thä¬
tigkeiten wirken modificirend auf die äußere Erscheinung des Körpers und
treten unter allen Umständen und in deutlichster Weise in der Bewegung des
Brustkorbes hervor. Beim Einathmen hebt sich der Brustkorb, die Erhebung
erreicht den höchsten Grad, wenn der Lunge die gehörige Quantität Luft zu¬
geführt ist; beim Ausathmen senkt er sich allmählich, die Senkung tritt in das
äußerste Stadium, wenn das Quatnum der eingeathmeten Luft aus den
Lungenflügeln ausgeströmt ist. Ein Stillstand in dieser wechselnden Thätig¬
keit ist unnatürlich und nur in gezwungener Weise durch Anhalten des
Athems erzielbar. Die Verschiedenheit der bei diesem Wechsel hervortretenden


möglich. Welchen bedeutenden Fortschritt unsere Kenntniß des diplomati¬
schen Einflusses in den einzelnen Phasen des Krieges, mit Hilfe des vorlie¬
genden Werkes macht, wird auch der oberflächliche Leser leicht wahrnehmen.
Mit Spannung erwarten wir das Erscheinen der letzten Abtheilung, in wel¬
cher der Verfasser seine Meisterschaft um so eher zeigen kann, als da die mi¬
litärischen Dinge zurücktreten und der Darstellung der diplomatischen Ver¬
handlungen freierer Spielraum gegeben werden kann.

Der Stil des Verfassers ist einfach und frei von allen oratorischen Zu¬
thaten, nicht eigentlich zum Nachtheil des Buches: hin und wiederfinden sich
stilistische Unebenheiten, welche zum Theil aus allzu ängstlichem Festhalten
des Originaltextes entspringen, z. B.: „Ich fürchte . . . für die, wo wer
kommt niemand sich gegenüberfindet" (frz.: crains xvnr ceux on celui yui
visuära ne trouvers, xersoimö vis-a-vis as lui.) Das ist gar kein Deutsch.
Auch das Wort „Saumfal" (II. x. 183) und Constructionen, wie (II., 333)
„an des bei Bergen gebliebenen Prinzen von Jsenburg statt" dürfte der ge¬
lehrte Versasser schwerlich einbürgern.


—Ka.—


Ueber die Darstellung des Mhmungsprocesses in der griechischen
Sculptur.

Die Frage, wie sich die antike Kunst zu der lebendigen Thätigkeit des
menschlichen Körpers verhält, die vermöge des Athmungsprocesses beträchtlich
verschiedene Erscheinungsweisen darbietet, ist meines Wissens, obwohl sie für
die Beurtheilung griechischen Künstlergeistes von bedeutender Tragweite und
elbst für die Praxis der modernen Sculptur beachtenswert!) ist, bisher von
Niemandem berücksichtigt worden.

Einathmen und Ausathmen wechseln ununterbrochen in dem animali¬
schen Organismus ab, solange derselbe lebendigen Bestand hat. Beide Thä¬
tigkeiten wirken modificirend auf die äußere Erscheinung des Körpers und
treten unter allen Umständen und in deutlichster Weise in der Bewegung des
Brustkorbes hervor. Beim Einathmen hebt sich der Brustkorb, die Erhebung
erreicht den höchsten Grad, wenn der Lunge die gehörige Quantität Luft zu¬
geführt ist; beim Ausathmen senkt er sich allmählich, die Senkung tritt in das
äußerste Stadium, wenn das Quatnum der eingeathmeten Luft aus den
Lungenflügeln ausgeströmt ist. Ein Stillstand in dieser wechselnden Thätig¬
keit ist unnatürlich und nur in gezwungener Weise durch Anhalten des
Athems erzielbar. Die Verschiedenheit der bei diesem Wechsel hervortretenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124705/423>, abgerufen am 22.12.2024.